Mehr Waffen in den Irak?
Die Hexenmeister-Strategie ist gewaltfördernd - ein Kommentar
"Einsatzbefehl im Morgengrauen. In Jeansjacke schickte von der Leyen die Bundeswehr um 6.55 Richtung Irak" - so eine Schlagzeile heute auf Bild.de Das klingt wie ein Fanfarenstoß. Sorgt die deutsche Verteidigungsministerin nun mit militärischem Zugriff dafür, dass bei den Völkerschaften im Nahen Osten Ruhe und Ordnung einkehren?
Die Titelei von BILD weckt falsche Erwartungen, Hoffnungen oder auch Befürchtungen; tatsächlich nämlich werden aus der Bundesrepublik erst einmal Hilfsgüter ziviler Art eingeflogen. Aber Ursula von der Leyen rechnet offenbar damit, demnächst deutsche Waffen in den Irak transportieren zu können, und Bild bringt dazu auch gleich eine animierende Illustration: "Waffenschmiede Deutschland".
Die forsche Ministerin, die zudem gegenüber Bild erklärte: "Generell gilt: Wenn sich ein Völkermord nur mit deutschen Waffen verhindern lässt, dann müssen wir helfen", ist nicht die einzige in der deutschen politischen Prominenz, die für "militärische Hilfe" plädiert. Das Gemetzel im Irak bietet eine Gelegenheit, generell die Stimmung in der Bundesrepublik in Richtung auf "bewaffnete außenpolitische Verantwortung" zu verrücken.
Allerdings bestehen im konkreten Fall anhaltende Kontroversen innerhalb der deutschen Parteien, von der Linkspartei über die Grünen bis zu CDU/CSU/SPD. In wessen Hand kämen die gelieferten "Militärgüter"? Kann man bei den Empfängern die "positiven Kräfte" von den "Terroristen" unterscheiden? Garantiert der deklarierte Zweck, "Völkermord" zu verhindern, eine friedensstiftende Verwendung der Waffen? Und was ist mit dem Vorsatz der Bundesrepublik, Material nicht in Krisen- und Kriegsgebiete zu befördern? Oder soll die Bundeswehr selbst dort operativ tätig werden? Ein Fragenkatalog, der auf eine heillose Situation hinweist.
Die hat ihre Vorgeschichte; sich mit ihr auseinanderzusetzen wird von der herrschenden Politik zumeist verweigert mit dem Argument, wenn ein Brand entstanden sei, komme es aufs rasche Löschen an, Debatten über die Ursachen könne man jetzt nicht führen. Und wenn der Einsatz der Feuerwehr Beihilfe leistet für den nächsten Ausbruch des Feuers?
Die gegenwärtige Expansion politischer Gewalt in muslimischen Regionen hat lang zurückreichende Hintergründe, die üblicherweise religionsgeschichtlich gedeutet werden. Eindeutig erkennbar ist aber: Diese Konflikte haben sich explosiv entfaltet aufgrund geopolitischer Interessen und Eingriffe westlicher staatlicher Politik.
"Gescheiterte Staatlichkeit" in Afghanistan, im Irak, in Libyen, in Syrien steht im Zusammenhang mit dem machtpolitischen Kalkül und den militärischen Interventionen von NATO-Staaten. Die Förderung terroristischer Aktivitäten durch Saudi-Arabien und durch Golfstaaten wurde von NATO-Staaten begünstigt. Das riesige Waffenarsenal im Nahen Osten, aus dem sich auch die terroristischen Gruppierungen bedienen, ist zum großen Teil westlicher Import. Westliche Berater, "Sicherheits"-Agenturen und Geheimdienste haben für allerlei Sorten von Terrorismus "Entwicklungshilfe" geleistet.
Freilich - zumeist haben sich die Zauberlehrlinge verselbständigt, die Besen lösten sich von jenen Zwecken, die Hexenmeister im Westen ihnen zugedacht hatten. Nun wird westliche Politik die Geister, die sie gerufen hat, nicht los. Jedenfalls nicht, wenn es beim bisher und immer noch regierenden Verhaltensmuster bleibt, dessen Kern der Glaube an militärische Gewalt ist, an die Überlegenheit der selbst praktizierten. Metaphysischen Ursprunges ist dieser Glaube nicht, er entstammt einem Geflecht von Interessen, bei Betreibern des Politikbetriebs, Wirtschaftsführern, Managern des Militärs oder der "Sicherheits"-Industrie und ihren Partnern in der Publizistik.