Merkel, Gabriel und Seehofer vertagen sich auf Donnerstag
Österreichischer Außenminister fordert Ende der "Einladungspolitik"
Die drei Vorsitzenden der deutschen Koalitionsparteien - Angela Merkel (CDU), Sigmar Gabriel (SPD) und Horst Seehofer (CSU) - konnten sich am Wochenende nicht auf neue Schritte zur Begrenzung des Einwandererzustroms einigen und vertagten sich nach insgesamt zehnstündigen Verhandlungen am Samstag und Sonntag auf Donnerstag. Dann wird vor der Ministerpräsidentenkonferenz ein weiteres Treffen stattfinden. Bis dahin sollen die Fachleute der drei Parteien verhandeln.
Regierungssprecher Steffen Seibert zufolge gab es zwar eine "Vielzahl von inhaltlichen Gemeinsamkeiten", aber auch "einige noch zu klärende beziehungsweise offene Punkte". Die Meinungsunterschiede betrafen unter anderem die von der CSU geforderten neuen Transitzonen an den Landesgrenzen, in denen Anträge von Asylbewerbern aus den Balkanländern und aus anderen relativ sicheren Herkunftsstaaten in Schnellverfahren geprüft werden könnten, wie sie bislang nur an Flughäfen stattfinden (wo sie das Bundesverfassungsgericht nicht als Hafteinrichtungen wertet).
Gegen solche Transitzonen ist inzwischen nur noch die SPD, aus deren Spitze immer wieder verlautbart, es werde mit ihr keine "Haftzonen" geben. Sie plädiert stattdessen für "Einreisezentren", die nicht an den Grenzen, sondern in bestehenden und neu einzurichtenden Erstaufnahmeeinrichtungen in ganz Deutschland aufgebaut werden sollen. Auch in diesen Einreisezentren sollen Asylanträge schneller als üblich bearbeitet werden. Vollen Anspruch auf Unterkunft, Verpflegung und andere Sozialleistungen hätten dann zukünftig nur solche Asylbewerber, die sich dort registrieren lassen (vgl. Flüchtlinge: SPD für dezentrale Einreisezentren in Deutschland).
Weitere ungeklärte Fragen gab es hinsichtlich der Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern nach Afghanistan und der Begrenzung des Familiennachzugs. Gabriel glaubt, dass man hierzu das Grundgesetz ändern müsse, während es Seehofer mit dem Verfassungsjuristen Rupert Scholz hält, der unlängst im Tagesspiegel darlegte, dass ein Nachzugsrecht für Familienangehörige nicht aus Artikel 16a des Grundgesetzes folgt, sondern nur im Asylverfahrensgesetz steht und dort ohne Grundgesetzänderung gestrichen werden könnte.
Einigen sich CDU, SPD und CSU auch am Donnerstag nicht, steht weiterhin das (nun offenbar implizit verlängerte) Ultimatum Horst Seehofers im Raum, das er Angela Merkel letzte Woche zur wirksamen Begrenzung des Asylbewerberzustroms setzte. Was Seehofer konkret machen will, wenn es auch am Donnerstag keine Einigung darüber gibt, ließ der bayerische Ministerpräsident offen. Die letzte Woche gehandelten Gerüchte reichen von einem bloßen Abzug der Minister über eine Verfassungsklage bis hin zur Ankündigung, die CSU bundesweit antreten zu lassen (und damit zu erwirken, dass die CDU-Landesverbände Merkel stürzen). Darauf, dass die CSU aktuell auch außerhalb Bayerns Wähler finden könnte, deutet unter anderem ihr (vor allem in den letzten Wochen) schnelles Wachstum auf Facebook hin, wo sie am Wochenende die CDU überholte.
Neuwahlen erzwingen kann Seehofer aber auch dann nicht, wenn er die CSU aus der Regierung abzieht: CDU und SPD verfügen nämlich auch ohne die Unionsabgeordneten aus Bayern über eine bequeme absolute Mehrheit. Zudem hätten sie noch die Grünen als Mehrheitsbeschaffer, deren Wahlprogramm in Sachen Einwanderung der aktuellen Regierungspolitik derzeit deutlich mehr ähnelt als das, mit dem die Unionsparteien 2013 in den Wahlkampf zogen. Klar für Neuwahlen ausgesprochen hat sich bislang ohnehin nur der im März von allen Ämtern zurückgetretene ehemalige CSU-Vize Peter Gauweiler: Er sagte der Passauer Neuen Presse (PNP), der aktuelle Bundestag überlasse die Entscheidung über "Deutschland und was an seinen Grenzen geschieht […] der Regierung, die dafür nach der Verfassung gar nicht zuständig ist". Drücke sich das Parlament weiter vor einer Entscheidung, müsse es aufgelöst werden.
Auch aus dem Ausland wird die deutsche Bundesregierung inzwischen immer offener kritisiert: Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) forderte von ihr am Wochenende ein Ende der "Einladungspolitik". Seiner Wahrnehmung nach gibt es Staats- und Regierungschefs "die versuchen, sich mit Worthülsen wie 'unbegrenzte Humanität' zu retten und hoffen, dass der Zustrom von alleine versiegt". "Das", so Kurz, werde "nicht passieren". Deshalb brauche es jetzt eine "ehrlichere Politik".
In Österreich glauben einer aktuellen Profil-Umfrage zufolge 47 Prozent der Bürger, dass die EU an der Einwanderungskrise zerbrechen könnte. Würde dort jetzt gewählt, wäre die FPÖ mit 32 Prozent klar stärkste Partei vor der SPÖ mit 24, der ÖVP mit 19, den Grünen mit 15 und den Neos mit sieben Prozent. Bei einer Direktwahl des Bundeskanzlers läge der FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache mit 22 Prozent vor dem Amtsinhaber Werner Feymann (SPÖ) mit 16 und ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner mit 14 Prozent.
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