Merkel will Russlandsanktionen noch einmal verlängern

Präsident Poroschenko bedankt sich bei Kanzlerin Merkel für die Unterstützung der Ukraine. Bild: Presidential Administration of Ukraine/CC BY-SA-4.0

Der Einfluss der deutschen Kanzlerin in der EU scheint zu schwinden, auch wenn eine Machtabgabe vor 2019 unwahrscheinlich ist

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bei ihrem Besuch beim ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern bekannt gegeben, dass sie die 2014 begonnenen Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland im Dezember für ein weiteres halbes Jahr verlängern will. Als Grund dafür nannte sie, dass der Kreml ihrer Wahrnehmung nach das Minsker Abkommen zur Befriedung der Ostukraine "nur - wenn überhaupt - millimeterweise" umsetzt.

Poroschenko ergänzte in ihrem Beisein, Moskau müsse "die territoriale Integrität der Ukraine wiederherstellen" - womit er deutlich machte, dass es ihm nicht nur um die Ostukraine, sondern auch um die Krim geht, die sich 2014 nach einem Parlamentsbeschluss und einer Volksabstimmung von der Ukraine lossagte und ihre Aufnahme in die russische Föderation erwirkte. Die für den Sankt-Martins-Tag angesetzten Wahlen in den beiden ostukrainischen Separatisatenrepubliken Donezk und Lugansk bezeichnete Poroschenko bereits vorab als "gefälscht" und als Beleg dafür, dass Russland nicht wirklich zu einer Umsetzung der 2015 in Minsk getroffenen Vereinbarungen bereit sei.

Lässt sich Italien kaufen?

Merkels Willen, die Sanktionen zu verlängern, könnte dieses Mal allerdings etwas entgegenstehen: Der italienische Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini hat bereits angekündigt, dass er dazu nicht bereit ist, weil die Sanktionen seinen Zahlen nach die italienische Wirtschaft inzwischen um 20 Milliarden Euro schädigten (vgl. Italien will Haushalt trotz Oettinger-Drohung nicht ändern). Die deutsche Kanzlerin könnte allerdings versuchen, Salvini durch Zugeständnisse beim Haushalt dazu zu bewegen, seine Position zu ändern (vgl. Deutschland ist ein Meister beim Spiel über Bande).

Dass Merkel noch vor der für Ende Dezember vorgesehenen Verlängerung der Sanktionen das Regierungsheft aus der Hand geben muss, ist zwar möglich, aber unwahrscheinlich. Eine Voraussetzung dafür wäre, dass beim CDU-Parteitag vom 6. bis zum 8. Dezember ein neuer Vorsitzender gewählt wird, der Merkels anschließenden baldigen Sturz als Kanzlerin tatsächlich will und aktiv verfolgt. Von Merkels Ziehtochter Annegret Kramp-Karrenbauer ist das eher nicht zu erwarten - und ihr ehemaliger Gegenspieler Friedrich Merz hat bereits verlautbart, dass er zu einer Koexistenz mit ihm als Parteivorsitzenden und Merkel als Kanzlerin bereit ist. Selbst dann, wenn das gelogen war (was wir hier selbstverständlich nicht unterstellen wollen), würde er deshalb wahrscheinlich aus Imagegründen eine gewisse Schamfrist abwarten.

Anders könnte es aussehen, wenn sich die Delegierten für Jens Spahn und den von ihm propagierten "Neustart" entscheiden. Aber auch mit ihm wäre für einen Sturz der Kanzlerin ein konstruktives Misstrauensvotum mit einem Nachfolger nötig, auf den sich CDU, CSU, FDP und Grüne einigen. Da Letztere in Umfragen seit der letzten Bundestagswahl deutlich zulegen konnten, dürfte das ihre Lust auf ein Mitregieren ohne vorherige Neuwahlen in Grenzen halten (vgl. Spekulationen über eine Neuauflage von Jamaika auf Bundesebene).

Polnischer Stabschef lässt durchblicken, dass man die deutsche Kanzlerin in Warschau bereits für eine "lahme Ente" hält

Weder ein Interesse an Neuwahlen noch an einem Koalitionsbruch, der zu solchen Neuwahlen führen könnte, dürfte dagegen die SPD haben. Sie muss mit Umfragewerten von 14 Prozent fürchten, dass sie einen weiteren großen Teil ihrer mit Steuergeld bezahlten Mandatsträger verliert (vgl. Niedrigstes SPD-Niveau seit 1887).

Noch unwahrscheinlicher als eine Verhinderung der Verlängerung der Russlandsanktionen durch einen vorherigen Sturz Merkels ist deshalb ein Stopp der für den 10. oder 11. Dezember vorgesehenen deutschen Unterzeichnung des UN-Migrationspakts (vgl. Vereinte Nationen bereiten weltweite Pakte zu Flüchtlingen und Migration vor). Von diesem Plan haben inzwischen nach den USA und Australien auch Österreich, Ungarn, Kroatien und eine Reihe weiterer Länder Abstand genommen, weil sie fürchten, dass auch "Soft Law" eine Anreizwirkung entfalten und Eingang in die Rechtsprechung finden kann. Dass auch immer mehr EU-Länder abspringen, kann man als Zeichen dafür sehen, dass Merkels Einfluss (beziehungsweise die Angst, von Berlin bestraft zu werden) auf europäischer Ebene schon etwas geschwunden ist.

Eine Unterzeichnung dieses Pakts offen hält sich bislang die polnische Regierung, bei der Merkel heute zu Konsultationen weilt. Kurz vor ihrem Eintreffen dort ließ Krzysztof Szczerski, der Stabschef des polnischen Präsident Andrzej Duda, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen durchblicken, dass man die deutsche Kanzlerin bereits für eine "lahme Ente" hält, die ein Opfer ihrer eigenen politischen Fehler wurde. Entsprechend wenig dürfte man in Warschau gewillt sein, sich von ihr noch unter Druck setzen zu lassen. Für eine Verlängerung der Russlandsanktionen wird Polen aber im November wahrscheinlich auch ohne solchen Merkeldruck stimmen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.