Metropolitan Police räumt mit alten Hüten auf

Im Rahmen der Diversity Policing Strategy dürfen ab August muslimische Polizistinnen in London verschleiert auf Streife gehen

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Über die Frage, wie gefährlich das Tragen eines Kopftuchs für die deutsche Kultur ist, konnte hierzulande bislang keine Einigung erzielt werden. Während etwa das Verwaltungsgericht Lüneburg im vergangenen Jahr entschieden hat, dass muslimische Lehrerinnen in Niedersachsen ein Kopftuch tragen dürfen, hat das Stuttgarter Verwaltungsgericht dasselbe Anliegen abschlägig beschieden.

Anders im traditionsbewussten England: Hier muss jetzt auch der gute alte Bobby sein Äußeres den Ansprüchen der multikulturellen Gesellschaft anpassen. Ab August dürfen muslimische Polizistinnen der Londoner Metropolitan Police (kurz: Met) mit dem Hijab bekleidet auf Streife gehen. Getestet werden derzeit vier Schleiertypen mit dem schwarzweißen Würfelmuster der Bobby-Uniform. Sikhs ist bereits seit zehn Jahren gestattet, auch im Dienst ihren Turban zu tragen. Mit Zugeständnissen wie Kopfbedeckung, Gebetsräumen und Einhaltung der Speisevorschriften will die Londoner Polizei bei der Rekrutierung neuer Polizisten verstärkt ethnische Minderheiten ansprechen. Immerhin werden im melting pot London 340 verschiedene Sprache gesprochen, die ethnischen Minderheiten repäsentieren mehr als 10 000 verschiedene Völker.

Schade allerdings, dass bei dem so demonstrativ gezeigten Reformwillen der Londoner Polizei ein Mentalitätswandel eher eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint. Wie der Stellvertretende Commissioner der Met, Ian Blair, bei der Met Police Diversity Conference Ende April erläuterte sind für die neue Offenheit ethnischen Minderheiten gegenüber vor allem betriebswirtschaftliche Erwägungen ausschlaggebend. Denn die demographische Entwicklung zeigt, dass die Met in den nächsten zehn Jahren zwei Drittel ihrer Ordnungshüter ersetzen muss. Aber woher diese nehmen? Da kann man sich schon mal als multikulturell aufgeschlossen zeigen und ankündigen, den Anteil von Asiaten und Muslimen bis 2010 von vier auf 25 Prozent zu erhöhen.

Begonnen hat die multikulturelle Modernisierung der Met bereits 1998. Damals wurde die Racial and Violent Crime Task Force (Operation Athena) etabliert und das Programm "Protect and Respect" ins Leben gerufen. Im vergangenen September erhielten die 25 000 Polizisten und zivilen Angestellten der Metropolitan Police dann ein 129 Seiten starken "Kulturenführer" in die Hand gedrückt, voller praktischer Tipps und Ratschläge im Umgang mit ethnischen Minderheiten. Hier werden die Londoner Ordnungshüter u. a. darüber belehrt, den Turban eines Sikh nie anzufassen ohne die ausdrückliche Erlaubnis des Trägers, dass Japaner beim Verhör Fragen schon mal mit Ja beantworten, auch wenn sie die womöglich nicht verstanden haben oder, dass man einen Somalier nicht mit Handsignalen wie dem gekrümmten Zeigefinger herbeizitieren darf, da diese Geste in Somalia für Hunde reserviert ist.

Unter dem Motto "Protect and Respect: Everybody Benefits" ist das Diversity Policing Programme Ende April offiziell in die zweite Phase gegangen. Ob man dem von Sir John Condon (bis 2000 amtierender Comissioner der Met) zu Projektbeginn formulierten Ziel: The Met ist fully committed to root out racism in the capital zwischenzeitlich tatsächlich näher gekommen ist, oder ob sich der Ehrgeiz letztlich in Äußerlichkeiten erschöpft, ist schwer zu beurteilen. Aber während hierzulande die "Kopftuchdebatte" durch die Gerichte zieht, wird in London weiter an der Kopfbedeckung des Bobby gefeilt. Neben dem Kopftuch für muslimische Polizistinnen ist derzeit noch die Dreadlock-Frisur der jamaikanischen Rastafaris im Gespräch.