Migranten aus Libyen: Italien vor Gericht

Seite 2: Praktische Konsequenzen der Klage?

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Man ist innerhalb der EU aufmerksam geworden, was die Zustände in den Lagern betrifft. Wie wirksam Versuche sein werden, hier Veränderungen herbeizuführen, ist schwer vorauszusagen. Die Lager werden nur zum Teil von staatlich kontrollierten Stellen oder Gruppierungen geleitet.

"Im Dezember des vergangenen Jahres gab die Bundesregierung bekannt, der UNHCR für ihre Arbeit in Libyen bis zu 20 Millionen Euro zu geben", heißt es bei Frag den Staat und: "Wie die Welt am Sonntag bereits vor einem Jahr berichtete, liegt der Hauptfokus des Auswärtigen Amts darauf, Menschen von der Flucht nach Europa abzuhalten."

Möglich ist, dass die italienischen Verantwortlichen bei einer eindeutigen Verurteilung des Vorgehens der libyschen Küstenwache diese zu einer zurückhaltenderen Vorgehensweise auffordern und die libysche Küstenwache dem möglicherweise bedingt folgt. Das ist ebenfalls schwer vorauszusagen.

Dem entgegensteht das faktische politische Interesse Italiens - und auch der EU-Länder, die Italien gar nicht anders zu helfen gewillt sind als durch eine Unterstützung bei der Abriegelung der Außengrenzen.

Italien hat große Schwierigkeiten mit den hunderttausenden Migranten, die in den letzten Jahren aus Libyen ins Land gekommen sind; einen weiteren größeren Andrang an Migranten verkrafte Italien politisch nicht, man sei am Rand der Möglichkeiten, heißt es schon länger und die Wahlerfolge der Rechten verstärken die Ansicht, dass Italien nicht noch mehr Migranten aufnehmen kann.

Für den Zusammenhalt der EU ist Italien entscheidend; kein Land ist willens, Italien bei der Aufnahme von Migranten zu unterstützen. Gemeinsame Nenner finden sich bei der Abriegelungspolitik, für welche die libysche Küstenwache eine bedeutende Rolle spielt. Die Zahl der in Italien ankommenden Migranten ist seit Juli 2017 deutlich rückläufig. Die Zahl der Migranten, die wieder nach Libyen zurückgebracht werden, sind hoch.

Ab 2020 soll Libyen eine eigene Seenotrettungsleitungsstelle bekommen

Laut Bundesregierung waren es im vergangenen Jahr 30.000 und in den ersten Monaten dieses Jahres 4.000. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten der Fraktion der Linken hervor, die Telepolis vorliegt.

Politisch wird auch künftig darauf geachtet, dass dies so weiter geht. Ab 2020 soll Libyen eine eigene Seeüberwachungszone bekommen, für die seine Küstenwache verantwortlich ist. Die Seenotrettungsleitstelle in Rom ist dann nicht mehr für die Koordinierung der Such- und Rettungsaktionen vor der libyschen Küste zuständig. Interessant wird sein, mit welcher Qualität an "Küstenschutz" zu rechnen ist …

An einer schonungslosen öffentlichen Aufklärung der bisher üblichen Praxis der libyschen Küstenwache hat die Bundesregierung wenig Interesse, wie aus der Antwort der Regierung auf die erwähnte Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Andrej Hunko, Michel Brandt, Christine Buchholz und anderen hervorgeht. Dort geht es um einen der libyschen Küstenwache vorgeworfenen "bewaffneten Übergriff am 15. März 2018, in dessen Folge das spanische NGO-Schiff "Open Arms" im italienischen Hafen Pozzallo auf Sizilien festgesetzt wurde.

Zu diesem Zwischenfall wolle man sich nicht äußern, weil man dazu auf Erkenntnisse des BND zurückgreifen müsste und die seien geheim, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Der Bundesnachrichtendienst verfügt demnach durchaus über Erkenntnis darf diese aber nicht weitergeben.

"Professionelle Piraten"

Zum anderen lobt die Regierung in ihrer Antwort die Arbeit der libyschen Küstenwache als "professionell". Seit November 2017, also schon vor dem Zwischenfall, der nun vor dem EGMR verhandelt werden soll, beobachtet die Bundesregierung eine "Professionalisierung" der libyschen Küstenwache. Angesichts der Meldungen über Drohungen der Küstenwache mit Waffen gegenüber NGOs erscheint diese Einschätzung ziemlich fragwürdig, zumal an anderer Stelle von der EU festgestellt wird, dass die Information über Tätigkeiten der libyschen Partner sehr lückenhaft und wenig zuverlässig ist.

Auch Deutschland ist mit der Bundeswehr an der Ausbildung der libyschen Küstenwache, unter anderem auch für die Beachtung von Menschenrechten beteiligt. Mag sein, dass das Verhalten der Küstenwächter bei der Schulung weniger grb und regelwidrig ist als bei echten Einsätzen im Meer. Dass sie sich dort nicht nach Gesetzen richten, hat auch wahrscheinlich damit zu tun, dass Milizen das Personal für die Küstenwachse stellen.