Migranten aus Libyen: Vorwürfe gegen NGOs und Schleuser

Seite 2: Die politischen "Arbeitshypothesen" des Staatsanwalts Zuccaro

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Indessen hatten die Vorwürfe gegen die NGOs in Italien bereits eine andere Dimension angenommen. Sie liefen darauf hinaus, dass NGOs im Mittelmeer als "Taxis für Flüchtlinge" bezeichnet wurden. Der sizilianische Staatsanwalt Carmelo Zuccaro wird mit der Behauptung zitiert , dass es Beweise "für direkte Kontakte zwischen NGOs und Schleppern in Libyen" gebe. Vorlegt hat er sie noch nicht, die "Arbeitshypothesen" würden noch ermittelt. Er forderte eine Überwachung von Satellitentelefonverbindungen und von NGO-Schiffen durch die italienische Marine.

Zu den "Arbeitshypothesen" Zuccaros gehört auch, "dass manche Hilfsorganisationen Migranten nach Italien bringen wollen, um die Wirtschaft zu schwächen". Das sind allesamt politisch brisante Vorwürfe, Wasser auf den Mühlen der Lega Nord und die Fünf-Sterne-Bewegung. Die Hilfsorganisationen, insgesamt sind es zehn, darunter Ärzte ohne Grenzen (MSF), SOS Méditerranée, Moas, Jugend Rettet, Sea Watch, Sea-Eye, LifeBoat und Mission Lifeline, beklagen eine Hetzkampagne.

Sea Watch bezeichnete die Vorwürfe als "Phantasievorwürfe gegen humanitäre Organisationen". Man prüfe die Rechtslage in Italien bezüglich einer Anzeige wegen übler Nachrede.

Der italienische Außenminister Angelino Alfano teilte mit, dass er "zu 100 Prozent" mit den von Zuccaro eingeleiteten Untersuchungen einverstanden sei.

Grauzonen

Premierminister Gentiloni sagte, dass die Regierung darauf warte, dass die Ermittler glaubhafte Informationen vorlegen. Tage zuvor hatte er betont, dass er den Freiwilligen dafür danke, "dass sie jeden Tag Leben retten". Der Staatsanwalt Francesco Paolo Giordano teilte dem italienischen Senat mit, dass sein Büro keine Hinweise auf mögliche Verstrickungen zwischen NGOs und Schleppern finden konnte. Als Quelle seine Aussage wird die Befragungen "hunderter Menschen" zitiert.

In einem Artikel derUS-PublikationThe Intercept, der sich mit den Frontex-Berichten befasst und versucht, den Kontext zu erhellen, wird ein schwieriger Graubereich sichtbar.

Sowohl die italienische Küstenwache wie die NGOs würden regelmäßig Anrufe, höchstwahrscheinlich von Schleusern bekommen, die das Ablegen eines Bootes mit Migranten ankündigen. Solche Informationen würden laut Intercept in die Rettungsaktionen miteinbezogen - ebenso wie Infos von Fischern und anderen Einheimischen.