Migration - Zeichen von Freiheit oder zu bekämpfendes Übel?

Seite 3: Falsche Gleichsetzung von Migration und Neoliberalismus

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Das wäre auch der Maßstab, an dem der Migrationskritiker Hannes Hofbauer zu messen wäre. Hofbauer setzt fälschlicherweise Migration und Neoliberalismus in eins (vgl. "Massenwanderungen haben sowohl in den Herkunftsländern als auch den Zielländern der Migranten negative Effekte"), was historisch falsch ist.

Menschen sind zu allen Zeiten migriert, lange vor dem Kapitalismus, waren aber meistens auf der Suche nach Arbeit. Schon im Frühkapitalismus, auf den das Modewort Neoliberalismus nun überhaupt nicht angewendet werden kann, gab es Migrationswellen, die viel größer waren als heute.

Immer wurden im Laufe der Migration auch Kampferfahrungen gesammelt und tradiert. So wurde auch die europäische Arbeiterbewegung durch Wandergesellen beeinflusst, die sozialistische und anarchistische Gedanken weitertrugen. Später gab es dann Gruppen wie die IWW und andere kommunistische und anarchistische Organisationen, die für die Rechte der Arbeiter in aller Welt kämpften.

Diesen ganzen Strang von Arbeiterbewegung und Migration negiert Hofbauer mit seiner falschen Gleichsetzung von Migration und Neoliberalismus. Dabei wird er seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht. So sagt er im Telepolis-Interview richtig:

Dort, wo die soziale Frage nicht mehr gestellt wird, weil man sie im Angesicht des wirtschaftlichen Primats verloren glaubt, treten Forderungen nach schlecht bis unzureichend kodifizierbaren Menschenrechten oder ein Recht auf Diversität und Anderssein in den Vordergrund.

Hannes Hofbauer

Nur löst er diesen Anspruch in dem Gespräch nicht ein und spricht nicht über die Arbeitermigration und die historischen Erfahrungen der Gegenwehr.

Anti-Migration nicht rechts?

Auch sein Satz "Pro-Migration ist ja nicht links und Anti-Migration schon gar nicht rechts" ist mehr als zweideutig.

Natürlich gibt es eine kapitalistische Suche nach immer neuen und billigeren Arbeitskräften und die ist keinesfalls links. Die Flüchtlingshelferbewegung definiert sich oft auch gar nicht in solchen Kategorien. Doch wie kann Hofbauer ernsthaft behaupten, dass Anti-Migration nicht rechts ist, obwohl sie heute der Kern sämtlicher rechten Bewegungen in aller Welt ist? Hat hier Hofbauer nur nicht ausdrücken können, was er sagen wollte? Aber was wollte er sagen? Anti-Migration ist zumindest nie fortschrittlich.

Richtig aber wäre der Ansatz, dass Menschen überall und immer auf der Welt für gleiche Rechte kämpfen. Das muss ihnen in ihren Herkunftsländern möglich sein. Dafür sollen sie nicht ihr Leben und ihre Gesundheit auf Spiel setzen müssen.

Das ist ein Aspekt, der bei der "Refugee Welcome"-Bewegung oft überhaupt nicht vorkommt und der immer wieder benannt werden muss. Doch wenn Menschen in ihren Ländern keine Möglichkeiten für ein Leben nach ihren Vorstellungen mehr sehen, wenn sie womöglich wegen ihrer Religion, ihres Geschlechts, ihrer politischen Überzeugungen verfolgt werden, dann migrieren sie.

Und es ist ein Kernbestand linker Politik, sie dabei zu unterstützen - nicht als liberale Helfer, sondern als Teil einer transnationalen Arbeiterbewegung, die für gleiche Rechte für alle, wo sie auch leben, als Minimalbedingung eintritt. Sie hat sich nicht den Kapitalismus schöngeredet, wie Hofbauer mit einem Seitenhieb auf operatistische Gruppen kritisiert, sondern sie haben ihn bekämpft.

Aus der Position eines Bewohners des globalen Nordens ist es eben nicht damit getan, die Migrationskritik von Saikou Suwareh Jabai zu wiederholen. Jabai richtet sich an die Bevölkerung in Gambia. Wir müssen die Strukturen bekämpfen, die verhindern, dass die Menschen in Afrika mit genau den gleichen Rechten wie die Menschen in der ersten Welt leben können.

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