Militärhaushalt: Zeitbombe für spanische Regierung
Nach dem Nato-Gipfel soll das Militär zusätzlich zum expandierenden Militärhaushalt eine Milliarde Euro bekommen. Koalitionspartner zerstritten: "Sind Interessen der USA wichtiger als die Gesundheitsversorgung?"
Ob die sozialdemokratische Regierung in Spanien den Sommer übersteht, ist fraglich. Ob sie einen Haushalt im Herbst beschließen kann, scheint angesichts der Zerwürfnisse zwischen den Sozialdemokraten (PSOE) und der Linkskoalition Unidas Podemos (UP) unvorstellbar.
Wie Telepolis berichtete, hat der Ukraine-Krieg die ohnehin in sozialen Fragen heftigen Widersprüche innerhalb der Minderheitsregierung als auch zu den linken Unterstützern weiter stark zugespitzt.
Konflikt über Waffenlieferungen und Milliarden für Militär
So war Podemos schon gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, während der sozialdemokratische Regierungschef Pedro Sánchez nun sogar Leopard-Panzer schicken will.
Doch gegen die Stimmen der UP-Minister im Kabinett ist am Dienstag beschlossen worden, dem Militär zusätzlich eine weitere Milliarde Euro im laufenden Jahr zur Verfügung zu stellen. Das hatte Sánchez ohne jede Absprache mit dem Koalitionspartner als Gastgeber auf dem Nato-Gipfel versprochen.
Podemos will auch dagegen stimmen, dass auf der US-Basis im andalusischen Rota neue US-Zerstörer stationiert werden und wendet sich auch dagegen, dass die Militärausgaben bis 2029 auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung gesteigert werden. Statt zwölf Milliarden Euro, die offiziell im vergangenen Jahr für Militär ausgegeben wurde, sollen sich die Ausgaben in den nächsten sieben Jahren mehr als verdoppeln.
Experten erklären allerdings, dass im Haushalt längst viele versteckte Posten für das Militär enthalten seien, das Militär schon jetzt real mit fast 22 Milliarden und 1,8 Prozent des PIB finanziert wird.
Entsetzen
In der Linkskoalition ist man auch darüber entsetzt, dass man von den Versprechungen Sánchez' auf dem Nato-Gipfel lediglich aus der Presse erfahren hat, dass er Vorgang nicht mit dem Partner abgesprochen wurde. Die Vizepräsidentin und UP-Chefin Yolanda Díaz hat deshalb nun eine Dringlichkeitssitzung des Koalitionsüberwachungsausschusses gefordert. Der tagte in den vergangenen drei Jahren dreimal. Es ist das erste Mal, dass die Vizepräsidentin jetzt die Einberufung fordert.
Allein das zeigt schon den Vorwahlkampf an. Denn bisher war Díaz, die mit "Sumar" (Summieren) ein neues breites feministisches Projekt aus dem Boden stampfen will, mehr als handzahm.
Ein erstes Treffen im Rahmen ihres "Anhörungsprozess" wird am Freitag in der Hauptstadt Madrid stattfinden. Sie hatte bisher nicht einmal die Stimme gegen die Sozialdemokraten erhoben, als der große Pegasus-Spionageskandal aufflog und klar wurde, dass sogar die Unterstützer der Regierung ausspioniert wurden. Auch hiervon wurde UP nicht unterrichtet.
Militärausgaben als "Arbeitsförderung"
Díaz trug bisher, gegen den klaren Kurs der Genossen, sogar Waffenlieferungen an die Ukraine mit. Nun hat die Vizepräsidentin im Vorwahlkampf aber lautstark die wegen des Pegasus-Skandals schwer angeschlagene Verteidigungsministerin Magarita Robles angeschossen. Denn eine zunehmend aggressive Robles hatte versucht, Militärausgaben sogar als Arbeitsförderung zu verkaufen.
Man müsse Díaz fragen, so Robles, ob sie etwas dagegen habe, Fregatten in ihrer galicischen Heimat zu bauen. Genervt gab Díaz, statt wie zuvor zurückhaltend zu schweigen, zurück, dass die Ausweitung der Militärausgaben "leider nichts mit der Arbeitsauslastung in meiner Heimatregion Ferrol zu tun hat".
Angesichts der Tatsache, dass bald Wahlen anstehen, versucht man auch in der zerstrittenen Linkskoalition die Reihen vor einer "militaristischen Begeisterung" der PSOE zu schließen. Die Podemos-Chefin Ione Belarra, die zuletzt argwöhnisch den Kurs der Konkurrentin Díaz beäugt hatte, da Podemos bisher aus deren Sumar-Projekt ausgeschlossen wurde, schärft ebenfalls schon ihr linkes Profil:
Geld auf Verlangen einer ausländischen Macht (USA) für Waffen auszugeben, anstatt es in eine bessere Gesundheitsversorgung, bessere Bildung und mehr sozialen Schutz zu investieren, gehört nicht in einen Haushalt, den unser Land braucht.
Ione Belarra, Podemos
Das erklärt sie angesichts einer Lage, in der der Bevölkerung über eine Inflation von mehr als 10 Prozent sehr viel Kaufkraft geraubt wird.
In sozialen Fragen blass
Allerdings blieb die zerstrittene Linkskoalition, trotz großspuriger Versprechungen, in der Regierung in sozialen Fragen blass. Sie konnte gegen eine neoliberale PSOE kaum etwas durchsetzen. Das hatte auch damit zu tun, dass vor allem Díaz stets auf Kompromisse gesetzt hat, die reichlich faul waren.
Das wurde in der Frage der Arbeitsmarktreform deutlich, wo sie auf Sozialpaktgespräche mit den Arbeitgebern setzte, anstatt auch einmal auf den Tisch zu hauen.
Die Opposition innerhalb der Regierung
Mit Belarra versucht nun auch Díaz vor den Wahlen als Opposition in der Regierung zu agieren. Immer öfter muss die PSOE schon Gesetze mit Stimmen der ultrakonservativen Volkspartei (PP) durchbringen.
Die wird aber niemals einen PSOE-Haushalt abnicken, da sie seit zwei Jahren im Aufwind ist. Inzwischen kann sie sogar in der ehemaligen PSOE-Hochburg Andalusien, der bevölkerungsreichsten Region in Spanien, mit absoluter Mehrheit regieren. Die Volkspartei will die Dynamik nutzen und wird möglichst schnell Neuwahlen erzwingen.
Belarra macht indes unmissverständlich klar, dass der Haushalt zur "Nagelprobe" für die Regierung wird. Sie bringt nun auch Podemos auch für eine mögliche eigene Kandidatur in Konkurrenz zu Sumar und gegen die PSOE in Stellung:
"Die jüngsten Ereignisse und Äußerungen haben zu einem Zustand in der Legislaturperiode geführt, in dem keine klaren politischen Ziele im Handeln der Regierungskoalition erkennbar sind", kritisiert sie indirekt aber auch Díaz.