Mit 25 Jahren sind die Gehirne am besten auf den Zufall ausgerichtet
Zufallsfolgen zu generieren, ist für Menschen, die Ordnung finden wollen, keine banale Aufgabe, es braucht viele Jahre, um die Fähigkeit zu entwickeln
Die Erzeugung von wirklich zufälligen Zahlenfolgen ist alles andere als banal. Wir überlassen das Computerprogrammen, konstruieren Dinge wie Würfel oder beobachten physikalische Prozesse. Zufällige Ereignisse, so die Definition, lassen sich kausal nicht erklären und sind damit unvorhersehbar. Unsere Gehirne sind auf das ausgerichtet, was sich erwarten lässt, sie schließen vom Bekannten auf das Unbekannte und schätzen normalerweise die Ordnung. Gelegentlich bricht aber auch das Verlangen nach dem Neuen oder das Interesse am Unerklärlichen durch.
Sich zufällig verhalten zu können, kann für Lebewesen von Vorteil sein, wenn sie beispielsweise von einem Räuber gejagt werden oder um Neues bzw. neues Verhalten zu entdecken. Besonders im strategischen Handeln beispielsweise in der Kriegsführung kann es von Vorteil sein, wenn der Mitspieler oder Gegner die nächsten Schritte nicht vorhersehen kann. Derzeit wird gerne gerätselt, ob die Politik des US-Präsidenten Donald Trump, der sich offensichtlich von spontanen Entscheidungen leiten lässt und etwa im Umgang mit Konflikten wie mit Nordkorea keine konsistente Politik zu verfolgen scheint, auch von Vorteil sein könnte, weil etwa Kim Jong-un nicht wissen kann, wie weit er gehen darf. Kritiker meinen, dass dadurch die andere Seite zu unüberlegten Entscheidungen kommen könnte, also ebenfalls einen Zufallsgenerator anschaltet oder als Reaktion überreagiert.
Letztlich hängt auch die Möglichkeit eines freien, nicht determinierten Willens auch mit der Möglichkeit des Zufalls zusammen, auch wenn ein freier Wille, sollte es ihn geben, nicht nur eine Art Zufallsgenerator sein könnte. Manche gehen auch davon aus, dass Kreativität oder kognitive Komplexität durch das Spiel mit dem Zufall ermöglicht wird.
Wissenschaftler haben versucht herauszubekommen, in welchem Alter Menschen sich am besten zufällig entscheiden können. Es gab Hinweise darauf, dass der Alterungsprozess den Umgang mit Zufällen und auch mit Komplexität verschlechtert. Um das zu prüfen setzten sie, wie sie in PLOS Computational Biology berichten, in einer Art Turing-Test miteinander konkurrierenden Menschen und Computer eine Reihe von Aufgaben vor, in denen Zufälle erzeugt werden sollten. Dabei ging es darum, sich etwa eine Reihe von Münz- oder Würfelwürfen auszudenken, die für einen anderen Menschen zufällig aussehen, schwarze und weiße Steine so anzuordnen, dass es zufällig aussieht, oder zehnmal nacheinander in zufälliger Reihenfolge auf einen von neun Kreisen zu deuten. 3249 Versuchspersonen im Alter von 4 bis 91 Jahren.
Es sei eine der schwierigsten Aufgaben für ein kognitives System, eine zufällige Folge zu generieren. Die Wissenschaftler sagen, dass die Komplexität einer von einem Menschen erzeugte pseudo-zufällige Sequenz als Maßstab für kognitive Leistung dienen könne, die weitgehend unabhängig von Übung und von der Art der verwendeten Objekte sei. Dabei könne nicht nur die Wahrnehmung von Komplexität, sondern auch die Fähigkeit für eine konzentrierte Aufmerksamkeit oder die Leistung des Kurzzeitgedächtnisses festgestellt werden: "Um eine zufällige Sequenz von Symbolen zu erzeugen, muss man jede Routine vermeiden und voreilige Reaktionen unterdrücken. Die Unterdrückung solcher Reaktionen ist ein Zeichen einer leistungsfähigen kognitiven Verarbeitung, vornehmlich einer Flexibilität, die vermutlich mit dem präfrontalen Kortex zusammenhängt."
Geschlecht, Sprache oder Ausbildung scheint keine Rolle zu spielen, allerdings das Alter. Im Alter von 25 Jahren scheinen die Menschen am besten befähigt zu sein, ein Zufallsergebnis zu erzeugen. Bis dahin lernen sie, zufällige Sequenzen genauer und schneller erzeugen zu können. Dann bleibt die Fähigkeit relativ konstant zu bestehen, um ab einem Alter von 60 Jahre abzunehmen, allerdings nur geringfügig. Ab 70 bleibt die Geschwindigkeit in etwa gleich, aber die Komplexität würde drastisch sinken. Die Forscher gehen aber davon aus, dass die abnehmende Fähigkeit der Zufallserzeugung durch andere Fähigkeit kompensiert wird, die ebenfalls die Kreativität beeinflussen, beispielsweise schlicht mehr Erfahrung. Geprüft wurde die Zufälligkeit mit Computerprogrammen. Die Sequenzen, die am schwersten algorithmisch zu reproduzieren waren, galten als die zufälligsten.
Interessant an der Studie ist eigentlich weniger, dass im Alter die kognitive Fähigkeit, pseudo-zufällige Sequenzen generieren zu können, zurückgeht. Dass erst mit 25 Jahren ein Gipfel in dieser Leistung erreicht wird, erfolgreich gegen die Tendenz zur Wiederholung und zur Ordnung arbeiten zu können, zeigt, wie schwer die Aufgabe ist. Die Ausbildung der kognitiven Fähigkeit hängt offensichtlich nicht von der Bildung ab, sondern von der Ansammlung von Erfahrung oder auch davon ab, die Ordnung der Welt bereits weitgehend gelernt zu haben, so dass eine kognitive Freiheit entstehen kann, das Unerwartbare geistig zu konstruieren, was in jüngeren Jahren nur herausgefordert wird, um es in das Bekannte zu integrieren. Ob die Gehirne, die besser Zufallsreihen zu erzeugen, auch kreativer sind, ist eine andere Frage. Regelüberschreitungen haben nicht notwendig etwas mit dem Erzeugen von Zufällen zu tun. Der Zufall ist auch nicht notwendig kreativ, er kann genauso gut zerstörend oder verwirrend sein.