Mit Druck und Drohungen für und gegen Israel?

Seite 2: Ist die BDS-Kampagne antisemitisch?

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Denn so berechtigt die Kritik an der BDS-Kampagne ist, so verkürzt ist es, sie pauschal als antisemitisch zu bezeichnen. Das wird der Tatsache nicht gerecht, dass an der Kampagne weltweit sehr unterschiedliche Menschen mit sehr unterschiedlichen Motivationen beteiligt sind. Der BDS-Kritiker Micha Brumlik, ist einer der wenigen, der hier sehr klar zu differenzieren in der Lage ist.

Er verteidigte beispielsweise die Adorno-Preisträgerin Judith Butler gegen den Vorwurf des Antisemitismus . Heute wird das Adjektiv "antisemitisch" im Zusammenhang mit der BDS-Kampagne sehr freigiebig verwendet und oft nicht einmal mehr begründet. So hat man den Eindruck, bei der Etikettierung wird voneinander abgeschrieben.

Die Mühe, die sich vor einigen Jahren noch die Kritiker der BDS-Kampagne gemacht haben, ihre Beurteilung nachvollziehbar zu machen, unterbleibt. Das ist auch einem Schwarz-Weiß-Denken auf beiden Seiten geschuldet. Warum soll es nicht möglich sein, die BDS-Kampagne zu kritisieren, ohne sie gleich als antisemitisch zu etikettieren?

Tatsächlich gibt es bei der BDS-Kampagne starke Anleihen an einem regressiven Antizionismus, der offene Flanken zum Antisemitismus hat. Deswegen sind nicht alle Menschen, die diese Kampagne unterstützen Antisemiten. Diese Differenzierung hat Konsequenzen bei der Behandlung der Menschen, die die BDS-Kampagne unterstützen.

Künstlerin wurde unter Druck gesetzt, weil sie angeblich BDS-Kampagne unterstützt

Das zeigte sich im Umgang mit der Rapperin Kate Tempest. Sie war schon für einen Gig in der Volks-Bühnen-Dependance am ehemaligen Flughafen Tempelhof in Berlin gebucht, als sie sich zur Absage des Konzerts entschlossen. Der Grund liegt im Streit um den Umgang mit Israel.

Die Berliner Zeitung schreibt über die Absage der Künstlerin:

Tempests Absage ist doppelt schade und zugleich symptomatisch für das erhebliche kulturpolitische Störpotenzial, dass die BDS-Aktivitäten inzwischen auch für den hiesigen Kulturbetrieb darstellen.

Berliner Zeitung

Doch diese Darstellung ist zumindest irreführend. Denn tatsächlich ging der Absage von Tempest massiver Druck auf die Künstlerin voraus, dieses Mal von Kritikern der BDS-Kampagne:

Wie aus einer Pressemitteilung der Volksbühne hervorgeht, veröffentlichte ihr Management folgendes Statement: "Wir erhalten weiterhin persönliche Drohungen via E-Mail oder sozialer Netzwerke und das ist keine akzeptable Umgebung, um unser Konzert zu präsentieren. Kate will in einer derartig aggressiven Atmosphäre nicht auftreten und ich will kein weiteres Risiko über ihre mentale Gesundheit oder die Sicherheit unseres Teams eingehen."

Gegenüber der Zeit erklärte die Künstlerin: "Ich möchte klarstellen, dass ich über die Handlungen der israelischen Regierung gegen die palästinensische Bevölkerung entsetzt bin. Ich habe lange darüber nachgedacht und mich, gemeinsam mit vielen anderen Künstlerinnen und Künstlern, die ich respektiere, als Akt des Protestes dem kulturellen Boykott angeschlossen. Ich bin eine Person jüdischer Abstammung und zutiefst von den Vorwürfen, ich würde eine antisemitische Organisation unterstützen, verletzt. Die israelische Regierung ist nicht die einzige Stimme des Judentums. Dieser Auftritt war dazu gedacht, darauf aufmerksam zu machen, welchen Horror Migrantinnen und Migranten auf der Suche nach einem besseren Leben durchmachen müssen und Solidarität mit ihnen als Menschen zu zeigen und ich bin darüber enttäuscht, dass daraus ein politischer Spielball gemacht wurde. Ich bedauere, dass ich den Auftritt abgesagt habe, aber ich hatte das Gefühl, dass es weder ein angemessener noch ein sicherer Rahmen für mich wäre, meine Kunst zu präsentiere."

laut.de

Das war eine sehr differenzierte Stellungnahme, die die BDS-Kritiker zur Kenntnis nehmen sollten, denen es wirklich um den Kampf gegen Antisemitismus geht. Denn es gibt neben den von ihnen mit Recht herausgestellten israelbezogenen Antisemitismus weiterhin den gegen Linke, Antinationale und Kosmopoliten.

Vor allem der Teil der Rechten, die Israel als Vorposten des Kampfes gegen den Islamismus schätzen gelernt hat, konzentriert sich bei ihren Antizionismus jetzt auf die Hetze gegen israelkritische Jüdinnen und Juden. Daher wäre es angebracht, wenn diese BDS-Kritiker sich klar von der Hetze gegen Tempest distanzieren würden.

Die Taz hat da auch Ross und Reiter genannt beispielsweise den Berliner SPD-Jungpolitiker Sercan Aydilek. Er wird mit diesem Twitter-Posting an Tempest zitiert: "Jetzt weißt du, dass dein Dreck in Berlin nicht willkommen ist."

Jetzt sollten die BDS-Kritiker Aydilek deutlich machen , dass er mit diesen Statement seinen eigenen Grundsatz "Gegen jeden Antisemitismus", selber nicht gerecht geworden ist und eine Entschuldigung fällig wäre.