Mit den neuen Allianzen wird der Syrien-Konflikt explosiv

Seite 2: Washington sieht sich von Assad herausgefordert und verteidigt die kurdischen Alliierten

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Die US-Regierung, die derzeit in tiefen Schwierigkeiten mit der türkischen Regierung steht und Vizepräsident Biden zum diplomatischen Einsatz am Mittwoch nach Ankara schickt, scheint nun nicht mehr nur zuschauen zu wollen. Das Pentagon hat sich seit letztem Jahr auf die syrischen Kurden als Bodentruppen gestützt, um den IS zu bekämpfen, und ist dabei immer wieder in Konflikt mit der Türkei geraten. Die türkische Regierung sieht sich bekanntlich stärker von den Kurden und einem möglichen Kurdenstaat in Syrien als von islamistischen Terroristen gefährdet.

Die letzten Erfolge der kurdisch geführten SDF in Manbij wurden in Ankara äußerst kritisch verfolgt. Washington wurde aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Kurden nicht weiter in den Westen vordringen und damit den Korridor nach Aleppo mit der kurdisch kontrollierten Enklave Afrin schließen, sondern sich auch aus Manbij wie vereinbart zurückziehen sollen.

Update: Die Türkei strebt mit der Hilfe von FSA und islamistischen Milizen die Eroberung von Dscharablus an, um zu verhindern, dass die Kurden sie zuerst einnehmen können. Plötzlich will man den IS an der Grenze loswerden, der lange Zeit dort geduldet wird. Der Meinungsumschwung wird durch den Terroranschlag begründet. Dass die Kurden aber vor allem die Gegner der türkischen Regierung sind, macht deutlich, dass die türkische Armee gestern nicht nur Ziele in Dscharablus beschossen hat, sondern auch kurdische bzw. SDF-Stellungen bei Manbij.

Die Grenze müsse von allen Terroristen gesäubert werden, so der türkische Außenminister Çavuşoğlu. Dass dazu wieder terroristische Milizen wie Ahrar al-Scham und Dschabhat Fatah asch-Scham, also die al-Qaida-Organisation al-Nusra, unterstützt werden, erwähnte der Außenminister lieber nicht.

Durch die Allianz mit Russland, Iran und der Türkei gestärkt scheint die syrische Regierung erstmals außerhalb von Aleppo gewillt zu sein, auch direkt gegen die YPG vorzugehen und hat Kampfflugzeuge zu deren Bombardierung in Hasakah gestartet. Washington sah sich am Freitag genötigt, erstmals Kampfflugzeuge des Typs F 22-Raptor gegen syrische Su-24-Flugzeuge aufsteigen zu lassen, die bereits Ziele in Hasakah bombardiert hatten. Ziel war nicht nur, die verbündeten syrischen Milizen zu schützen, sondern vor allem die Soldaten von amerikanischen Spezialeinheiten, die in Syrien die YPG unterstützen. Die Warnung war klar. Syrien würde gut beraten sein, solche Angriffe sein zu lassen, sagte ein Pentagon-Sprecher: "Wir haben das Recht zur Selbstverteidigung." Das freilich ist völkerrechtlich umstritten, schließlich hat die syrische Regierung nicht um amerikanische Kampfflugzeuge und Soldaten gebeten. Die USA berufen sich darauf, dass die syrische Regierung viele Gebiete in Syrien nicht mehr kontrolliert, sondern nur noch eine Fraktion im Bürgerkrieg ist.

Das Zentrum von Hasakah wird noch von der syrischen Armee kontrolliert.

Die amerikanischen Kampfflugzeuge hätten die syrischen Flugzeuge am Freitag abgedrängt. Allerdings sollen erneut syrische Kampfflugzeuge am Samstag über Hasakah geflogen sein. Das Pentagon hat sich an das russische Verteidigungsministerium gewandt. Die Folge dürfte gewesen sein, dass Moskau versucht, mit einem Waffenstillstand zwischen der syrischen Armee und den bislang auch von Russland unterstützten Syrern durchzusetzen. Der Vorfall aber zeigt, dass die Lage in Syrien höchst gefährlich ist und jederzeit explodieren kann.

Israel-Türkei: Noch keine engen Freunde

Wie labil die Situation ist, zeigt aber auch, dass Israel, angeblich auch auf Versöhnungskurs mit Ankara, nicht nur Ziele im Gaza-Streifen bombardiert hat, nachdem von dort wieder einmal Raketen abgeschossen wurden. Die Türkei verurteilte die Angriffe und erklärte, die Versöhnung mit Israel würde nicht bedeuten, dass man die Stellung zu den Palästinensern geändert hätte. Israel reagierte scharf, die Türkei sollte sich zweimal überlegen, die militärischen Aktionen von anderen zu kritisieren. Israel werde sich weiterhin gegen Angriffe verteidigen.

Auch syrische Stellungen wurden gestern von der israelischen Armee wieder beschossen, nachdem eine Granate aus Syrien auf ein Minenfeld auf den von Israel besetzten Golanhöhen eingeschlagen ist. Israels offizielle Politik ist, die syrische Armee für alle Angriffe verantwortlich zu machen. Früher kämpften auf der syrischen Seite vor den Golanhöhen syrische Soldaten gegen al-Nusra-Kämpfer, jetzt würden hier Hisbollah-Kämpfer und iranische al-Quds-Milizen versuchen, eine neue Front zu eröffnen.