"Mit heimtückischer Propaganda verbreitet sich heute ein absurder Kult Satans"

Auf der Karfreitagsprozession in Rom geißelte die katholische Kirche unter Papst Benedikt XVI. die Moderne und feierte die "heilige Familie"

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Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch, schrieb Friedrich Hölderlin. Oft allerdings wird die Gefahr konstruiert und aufgebauscht, um durch Angst ein vermeintliches Rettendes attraktiv zu machen. Das ist man in der Politik gewöhnt, aber auch in der Religion, in der das Böse gerne beschworen wird, um die Dringlichkeit des rechten Wegs deutlich zu machen. Ob man auf solche rhetorischen Mittel unbedingt zurückgreifen muss, um Menschen den Glauben nahezubringen, ist zweifelhaft, wenn man aufgeklärte Menschen ansprechen will und auf gesellschaftliche Veränderungen drängt, die politisch-demokratisch umgesetzten werden müssen, nicht religiös von oben verordnet werden können.

Papst Benedikt XVI. scheint hier anderer Meinung zu sein. Zumindest hat er Monsignore Angelo Comastri, Generalvikar Seiner Heiligkeit für die Vatikanstadt und Präsident der Fabbrica di San Pietro, die Gebete und Meditationen schreiben lassen, die während des Kreuzwegs am Karfreitag an den 14 Stationen verlesen werden. Im letzten Jahr hatte Papst Benedikt, damals noch Kardinal Joseph Ratzinger, die Texte geschrieben. Und man muss davon ausgehen, dass Papst Benedikt mit den Gebeten und Meditationen, die schon vorab veröffentlich wurden, auch einverstanden gewesen ist.

Gegeißelt wird etwa an der dritten Station eine „Apologie des Schlechten“ oder Bösen, die – das klingt schon an eine Verschwörungstheorie an – mit einer „heimtückischen Propaganda“ verbreitet werde:

Herr, wir haben das Empfinden für die Sünde verloren! Mit heimtückischer Propaganda verbreitet sich heute eine törichte Apologie des Schlechten, ein absurder Kult Satans, ein unsinniger Wille zur Übertretung, eine verlogene und haltlose Freiheit, welche die Laune, das Laster und den Egoismus verherrlicht und sie als Errungenschaften der Zivilisation hinstellt.

Es handelt sich um ein Gebet, bei dem man natürlich nicht erwarten kann, dass weiter ausgeführt wird, wer denn hinter dem „absurden Kult Satans“ steht oder welche Freiheit verlogen ist. Ein Gegenbild der Freiheit und des Egoismus wird in der vierten Station als die von Maria symbolisierte „Mutter“ präsentiert, die auch liebt, wenn sie nicht geliebt wird. Aber sie wird hier gleichzeitig als das „ungetrübte Weibliche“ dargestellt – „nicht verunreinigt durch Aufwallungen von Egoismus“. Und daraus wird das Frauenbild der katholischen Kirche oder des Papstes an ihrer Spitze abgeleitet: „Herr Jesus, wir brauchen Maria: die Frau, die Braut, die Mutter, die die Liebe niemals verunstaltet und niemals verleugnet!“ Egoismus, gepaart mit Wohlstand und Vergnügen, das zur „Droge“ geworden sei, scheint auch sonst das Einfallstor für den „Kult Satans“ zu sein.

Ein anderes Gegenbild gegen den Egoismus ist die „Familie“: der „Traum Gottes“. In „besonderer Weise“ nämlich peinigt eines „den heiligen Leib Christi“, das ist der Ausstieg aus der Familie und der natürlichen Zeugung, der Eingriff in die „Grammatik des Lebens“, die von Gott geschaffen wurde und die unbedingt bewahrt werden muss. Bekannt ist, dass Papst Benedikt sich strikt für Ehe und Familie einsetzt und sich ebenso strikt gegen die Homo-Ehe, gegen Schwangerschaftsbruch und Verhütung, aber auch gegen künstliche Befruchtung wendet. All das hat mit Sünde zu tun. Das wird hier auch noch einmal drastisch deutlich gemacht, wenn es heißt, dass heute eine „Anti-Genesis“ betrieben werde, in der mit den biotechnischen Möglichkeiten eben auch die „heilige Familie“ abgeschafft oder neu erfunden werde:

Sicher ist ein schmerzliches Leiden Gottes der Angriff auf die Familie. Es scheint, als gebe es heute eine Art Anti-Genesis, einen Gegen-Entwurf, einen diabolischen Hochmut, der die Familie abschaffen will.

Der Mensch möchte die Familie neu erfinden, die Grammatik des Lebens selbst, von Gott so ersonnen und gewollt, möchte er verändern.

Doch sich an Gottes Stelle zu setzen, ohne Gott zu sein, ist die dümmste Arroganz, ist das gefährlichste Abenteuer.

Der Sturz Christi öffne uns die Augen und lasse uns wieder das schöne Gesicht, das wahre Gesicht, das heilige Gesicht der Familie sehen.

Beschworen wird überdies die „Reinheit“, ohne die es keine Liebe geben könne, kritisiert wird aber auch die gesellschaftliche Kluft zwischen Arm und Reich. Doch der Appell an die Einsicht der Reichen und Mächtigen oder an Jesus hat in den 2000 Jahren nicht viel bewirkt. Während sich die katholische Kirche hier nicht politisch engagiert, ist das in Sachen Abtreibung, Homo-Ehe oder Bio- bzw. Reproduktionstechnik anders, weil vermutlich leichter.