Moderate Rebellen und lila Einhörner
Die fünfte Fernsehdebatte der republikanischen Präsidentschaftsbewerber gehört vor allem Ted Cruz und Marco Rubio
Die gestrige fünfte Fernsehdebatte der republikanischen Bewerber für die US-Präsidentschaftswahl 2016 zeigte, dass es in den USA in einer einzigen Partei mehr Auswahl zwischen politischen Positionen geben kann als anderswo in sechs Parteien.
Grundlegende Unterschiede zeigten sich bereits in der "Katzentischdebatte" der vier Bewerber mit den niedrigsten Umfragewerten: George Pataki, Rick Santorum, Mike Huckabee und Lindsey Graham.
Pataki und Graham griffen den in den Umfragen führenden Donald Trump scharf an. Der Ex-Gouverneur des Bundesstaates New York verglich seine Positionen mit denen der anti-katholischen Know-Nothing-Party im 19. Jahrhundert und der Senator aus Virginia meinte, das von Trump geforderte Einreisemoratorium für Moslems, die nicht US-Staatsbürger sind, sei "das dümmste, was er sagen konnte" und wenn der Milliardär republikanischer Präsidentschaftskandidat wird, dann werde er am Wahltag vielleicht "lange schlafen".
Bei den Ausführungen, was sie gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) unternehmen würden, konnten die beide Kandidaten nur bedingt überzeugen: Pataki glaubt zum Beispiel, dass man die kurdisch-syrische PYD unterstützen und dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan eine Flugverbotszone einrichten lassen soll. Das und seine Verwechslung der Fraueneinheiten bei den Syrischen Kurden mit den irakischen Peschmerga lassen auf eine eher oberflächliche Kenntnis der Konfliktsituation schließen.
Graham erzählte von seinen zahlreichen Reisen in den Orient und betonte, wie sehr die Leute, die er dort traf, über den Terrorismus klagten. Dass er öffentlich George W. Bushs lobt und dessen Regime-Change-Politik fortsetzen will, auch wenn sie jahrzehntelange US-Truppenpräsenz erfordert, könnte damit zusammenhängen, dass der alte Mann mit dem extrem starken Südstaatenakzent das, was ihm seine persönlichen Bekannten aus den Eliten dieser Länder erzählen, unhinterfragt als Wahrheit akzeptiert, weil es ja "aus erster Hand" kommt. Eine Täuschung, der auch die interventionistischen Neocons der Bush-Ära unterlagen.
Huckabee und Santorum hielten sich mit Kritik an Trump zurück: Der Ex-Gouverneur von Arkansas meinte, er halte Trumps Vorschlag zwar für undurchführbar und verfassungswidrig, aber als Präsident sei ihm der Milliardär allemal lieber als Hillary Clinton. Der Ex-Abgeordnete aus Pennsylvania griff vor allem Präsident Obama an. Unterschiede zwischen den beiden gab es vor allen in der Frage, ob mehr Allgemeinüberwachung im Kampf gegen den Terror sinnvoll ist oder nicht. Santorum hält sie für notwendig, Huckabee für ineffektiv.
Hinsichtlich des von Graham geforderten Einmarsches in Syrien gab der fundamentalistische Katholik Santorum zu bedenken, dass das genau das sein könnte, was der IS will: Die USA in die Ortschaft Dabiq locken, wo den Dschihadistenprophezeiungen nach die Weltendschlacht stattfinden soll. Möglicherweise hat Santorum hier tatsächlich einen besseren Einblick in die Innenwelt der Theokraten von der Konkurrenz als weniger gläubige Kollegen. Wie es im amerikanischen Sprichwort heißt: "It takes one to catch one."
"Wenn Sie den dritten Weltkrieg wollen, dann haben Sie - glaube ich - einen Kandidaten"
Auch in der Hauptrunde ging es vor allem um die Fragen Regime Change und Allgemeinüberwachung als Anti-Terror-Instrument. Die klarsten Positionen vertrat hier der libertär beeinflusste Senator Rand Paul, der darlegte, dass seiner Ansicht nach aus Regime Change Chaos und aus Chaos Terror entsteht. Als Chris Christie, der Gouverneur von New Jersey, meinte, er wolle eine Flugverbotszone in Syrien einrichten und darin russischen Flugzeuge abschießen, entgegnete Paul an die Wähler gerichtet: "Wenn Sie den dritten Weltkrieg wollen, dann haben Sie - glaube ich - einen Kandidaten." Und er erinnerte an eine stark befahrene Brücke, die Christie angeblich (ohne Rücksicht auf Bürger) nur deshalb sperren ließ, um politische Gegner zu ärgern.
Mehr Medienaufmerksamkeit als Paul bekommt derzeit der Texaner Ted Cruz, der viele von Rands Positionen in abgeschwächter Form vertritt. In Iowa, wo am 1. Februar die ersten Vorwahlen stattfinden (in denen die Karten neu gemischt werden), führt er in drei von fünf Umfragen vor Trump - in einer davon sogar mit zehn Punkten Vorsprung.
Cruz dominierte die gestrige Debatte zusammen mit Marco Rubio als Gegenspieler. Die beiden haben oberflächlich viel gemeinsam: Von der Abstimmung her sind sie Latinos - das macht sich bei Wählern 2016 möglicherweise ganz gut. Sie sehen aber nicht aus wie jemand, den man in einem Western einen Sombrero aufsetzen würde. Cruz hat vielmehr etwas von John Wayne, mit einem Schuss Robert Mitchum. Das macht sich bei Wählern möglicherweise noch besser.
Cruz bestätigte in der Debatte seine Feststellung, dass die Welt heute sicherer wäre, wenn Saddam Hussein, Muammar al-Gaddafi und Hosni Mubarak noch an der Macht wären. Das gelte auch für Baschar al-Assad. Über dessen Land und die seiner Ansicht nach utopischen US-Regierungspläne dazu meinte er: "Moderate Rebellen sind wie lila Einhörner - sie existieren nicht." Denn IS will er nicht mit Bodentruppen, sondern mit Flächenbombardements bekämpfen - und dabei herausfinden "ob Sand glüht."
Seine Gegnerschaft zu Überwachungsgesetzen, die Rubio ihm vorwarf, verteidigte Cruz mit dem Hinweis darauf, er wolle nicht die Allgemeinheit bespitzeln, sondern sich auf die "Bad Guys" konzentrieren. Diese Konzentration wird seiner Ansicht nach vor allem durch die Politische Korrektheit verhindert.
Die von US-Medien erwartete Auseinandersetzung zwischen Cruz und Donald Trump blieb dagegen aus. Beide wichen mehreren Moderatorenfragen dazu aus und klopften sich stattdessen gegenseitig auf die Schulter. Und Cruz scherzte, er wolle nicht nur das Grenzschutzpersonal verdreifachen, sondern auch eine Mauer bauen - "und Donald Trump dazu bringen, dass er dafür zahlt." Eine Anspielung darauf, dass Trump behauptet, er könne Mexiko dazu bringen, die Kosten für solch ein Bauwerk zu übernehmen.
Trump selbst beklagte gestern, dass mehr über ihn als mit ihm geredet werde. Hatte er das Wort, wiederholte er weitgehend Positionen, die bereits bekannt sind. Zur Schlagzeile, er wolle das Internet abschalten, stellte er klar, dass er lediglich nach technischen Möglichkeiten suche, IS-Terroristen an dessen Nutzung zu hindern. Außerdem will er auch gegenüber den Familien von Terroristen "streng" sein - "denn wenn diese sich nicht um ihre eigenen Leben sorgen, dann vielleicht um die ihrer Familien." Über Assad will er erst dann nachdenken, wenn der IS besiegt ist: "Eines nach dem anderen."
Der zu Beginn des Vorwahlkampfs von den Mainstreammedien als großer Favorit gehandelte Jeb Bush wirkte gestern fast verzweifelt, als er Trump immer wieder ins Wort fiel und den Klingelton ignorierte, der das Ende seiner Redezeit anzeigte. Einen seriöseren Eindruck als Trump machte er damit nicht. Carly Fiorina dürfte an ihrem Vorhaben, sich als Anti-Establishment-Kandidatin zu präsentieren, aufgrund zu offensichtlicher Gewolltheit gescheitert sein. Ben Carson verfolgte dagegen weiter seinen Weg als Erweckungschrist, der mit sanfter Stimme um evangelikale Wähler wirbt.