Schwarzer Neurochirurg Ben Carson überholt Trump

Der neue Umfrageanführer bei den republikanischen Vorwahlen glaubt, dass die ägyptischen Pyramiden keine Grabmale, sondern Getreidespeicher des biblischen Joseph waren

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Bis gestern führte Donald Trump die RealClearPolitics-Umfragesammlung zu den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen an - jetzt hat ihn dort der schwarze Neurochirurg Ben Carson abgelöst. Er liegt bei CBS mit 26 zu 22 und bei NBC mit 29 zu 23 Prozent vor Trump, der bei Fox News mit 26 zu 23, bei Quinnipac mit 24 zu 23 und bei IDP mit 28 zu 23 Prozent weiterhin führt.

Carson hat Mehrerlei mit Trump gemein: Er kommt von außerhalb des republikanischen Establishments und er fällt mit Aussagen auf, von denen die meisten PR-Berater ihren Schützlingen wohl abraten würden: So steht er zum Beispiel weiterhin zu seiner 1998 an der Andrews University geäußerten "persönlichen Theorie", dass die ägyptischen Pyramiden keine Grabmale sind, sondern Getreidespeicher, die die biblische Figur Joseph errichten ließ.

Über diesen der zwölf Söhne Jakobs heißt es im Ersten Buch Mose, dass ihn seine eifersüchtigen Brüder an Sklavenhändler verkauften, die ihn nach Ägypten verschleppten. Dort macht er Karriere als Traumdeuter des Pharao, dem er unter anderem erklärt, dass auf sieben reiche sieben magere Erntejahre folgen werden. Deshalb lässt er in den sieben reichen Jahren den fünften Teil des Getreides von Amtleuten sammeln und speichern.

Dass die Genesis von einer Sammlung des Getreides in den Städten und von einem Aufschütten "wie Sand am Meer" spricht, stört Carson nicht. Der Sieben-Tage-Adventist glaubt, dass die Pyramiden zu groß sind, um Grabmale zu sein, und dass die versiegelten Räume darin seine Theorie stützen, die von keinem ernsthaften Ärchäologen in Betracht gezogen wird.

Ähnlich geht es Historikern mit Carsons Meinung, dass "die Wahrscheinlichkeit, dass Hitler seine Ziele erreicht hätte, wesentlich niedriger gewesen wäre, wenn die Leute [in Europa] damals Waffen besessen hätten". Mit der in diesem Zusammenhang geäußerten Frage "Wenn es keine Waffenkontrollgesetze in Europa gegeben hätte, wären dann sechs Millionen Juden ermordet worden?" erregte er außerdem Widerspruch bei jüdischen Organisationen, die meinten, man wollen dem Mann zwar nicht seine Meinungsfreiheit nehmen, aber darauf hinweisen, dass die knapp 500.000 Juden, die 1933 in Deutschland lebten, die "totalitäre Macht des Nazi-Staates" auch dann nicht aufhalten hätten können, wenn sie mehr Gewehre und Pistolen gehabt hätten.

Ben Carson auf der Conservative Political Action Conference 2015. Foto: Gage Skidmore. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

In politischen Fragen hält sich Carson nur sehr bedingt an die republikanische Orthodoxie: So möchte er beispielsweise den 1935 unter Franklin Delano Roosevelt verabschiedeten und 1999 unter Bill Clinton komplett abgeschafften Glass-Steagall-Act wieder in Kraft setzen. Dieses Gesetz schreibt die Trennung von Einlage- und Investitionsbanken vor und schützt auf diese Weise Sparer und Steuerzahler vor Spekulanten. Bei den Steuern plädiert Carson (mit Verweis auf den Zehnten in der Bibel) einerseits für eine Flat Tax (die Reiche begünstigt), aber andererseits auch für Luxussteuern auf teure Waren.

Im Gesundheitsbereich will der er (wie die meisten Republikaner) ein Ende des Obamacare-Krankenversicherungssystems. Anders als andere Obamacare-Gegner hält der Chirurg aber auch profitorientierte Krankenversicherungen für einen Systemfehler und plädiert stattdessen für persönliche Gesundheitssparkonten, die mit 2.000 Dollar Staatsbeihilfe bei der Geburt gefördert werden. Chronisch Kranken und Personen, die das vorziehen, will er weiter die Systeme Medicare und Medicaid anbieten.

Abtreibung vergleicht Carson mit der Sklaverei, weil dadurch seiner Ansicht nach einem Teil der Menschen (den Ungeborenen) das Menschsein abgesprochen wird. Deshalb will er sie nur dann erlauben, wenn eine Schwangerschaft tödlich enden würde. Dass Schwule heiraten, ändert für den Vegetarier nichts an der Definition der Ehe als Bund von Mann und Frau. Die "Politische Korrektheit", gegen die er damit verstößt, ist für ihn eine Gefahr für die Redefreiheit.

In einer heute veröffentlichten Fox-News-Umfrage ist Carson der einzige Kandidat, den die Befragten mit 60 Prozent für den ehrlichsten und vertrauenswürdigsten halten. Diesen Wert konnte er in den letzten sechs Monaten - in dem die oben aufgeführten Äußerungen durch die US-Medien gingen - fast verdoppeln. Nur mehr 26 Prozent glauben, das er nicht ehrlich ist - damit liegt er 34 Punkte im positiven Bereich.

Am anderen Ende der Skala steht Hillary Clinton mit 26 Punkten im negativen Vertrauenswürdigkeitsbereich. Von ihr glauben inzwischen 61 Prozent dass sie nicht ehrlich ist. Im Juni waren es noch 52 Prozent. Donald Trump halten 56 Prozent für nicht vertrauenswürdig und 38 Prozent für vertrauenswürdig. Damit liegt er mit 18 Punkten im negativen Bereich. Auch Chris Christie, der Gouverneur des Sopranos-Bundesstaats New Jersey, schneidet mit 16 Punkten im negativen Bereich ziemlich schlecht ab.

In der Mitte liegen der ehemalige Jeb-Bush-Ziehsohn Marco Rubio (fünf Punkte im positiven Bereich), der libertär beeinflusste Überwachungs- und Militäreinsatzgegner Rand Paul und die ehemalige HP-Chefin Carly Fiorina (jeweils vier Punkt im positiven Bereich), der Tea-Party-Texaner Ted Cruz (zwei Punkte im negativen Bereich) und der ehemals als Favorit gehandelte Establishmentkandidat Jeb Bush (vier Punkte im negativen Bereich). Deutlich hinter Carson, aber im oberen Glaubwürdigkeitsbereich finden sich der bei den Demokraten antretende unabhängige Senator Bernie Sanders (zwölf Punkte im positiven Bereich), der moderate Republikaner John Kasich (elf Punkte im positiven Bereich) und der Evangelikale Mike Huckabee (zehn Punkte im positiven Bereich).

Fragt Fox danach, welcher Republikaner am ehesten die derzeit wahrscheinlichste demokratische Hillary Clinton besiegen könnte, nennen die meisten Amerikaner aber nicht Carson, sondern Trump. Ebenso sieht es bei den Antworten auf die Frage danach aus, wer der beste Kandidat für die wirtschaftliche Entwicklung wäre.

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