Möglicher Sieg von Trump: Medien ziehen sich zurück, Opportunisten wechseln die Seite

Wahlschein mit den Namen von Trump und Harris, Hand mit Kugelschreiber

Bild: Kilmer Media/ Shutterstock.com

US-Medien und Politik stellen sich auf einen möglichen Wahlsieg Donald Trumps ein. Die Washington Post verzichtet erstmals auf eine Wahlempfehlung. Was steckt hinter dem Kurswechsel?

Es ist ein leiser Wandel, der sich gut eine Woche vor den Präsidentschaftswahlen in den USA vollzieht. Doch offensichtlich stellen sich Politik und Medien in den USA auf einen erneuten Wahlsieg der Republikaner ein – und damit auf Donald Trump als 48. Präsident der strauchelnden Weltmacht. Dazu gehört auch, dass Opportunisten die Seite wechseln.

Die renommierte US-Zeitung Washington Post wird im endenden Präsidentschaftswahlkampf 2024 erstmals seit Jahrzehnten keine Wahlempfehlung abgeben. Das gab der Herausgeber Will Lewis am Freitag in einer Erklärung bekannt. Die Entscheidung löste laut CNN bei vielen Mitarbeitern der Zeitung Empörung aus. Es ist eine unternehmerische Entscheidung, vor allem aber ein politisches Zeichen des mächtigen Medienkonzerns.

Laut Lewis geht die Post damit zurück zu ihren Wurzeln, keine Präsidentschaftskandidaten zu unterstützen. Dies werde dauerhaft so bleiben, auch bei zukünftigen Wahlen. Wie die Washington Post selbst berichtet, sei die Entscheidung vom Eigentümer der Zeitung, Amazon-Gründer Jeff Bezos, persönlich getroffen worden.

Insidern zufolge hatte die Redaktion der Meinungsseite bereits den Entwurf einer Wahlempfehlung für Vizepräsidentin Kamala Harris vorbereitet. Dieser gelangte jedoch nie zur Abstimmung im Herausgebergremium. "Viele im Redaktionsausschuss sind überrascht und verärgert", zitiert CNN eine eingeweihte Person.

Das in den USA in Kurzform als Post bekannte Blatt hatte seit den 1980er-Jahren bei jeder Präsidentschaftswahl eine Wahlempfehlung ausgesprochen. Die Reaktionen auf den Kurswechsel fielen gemischt aus:

Robert Kagan, ein Redakteur der Post, der aus Protest kündigte, warf Bezos vor, sich bei Ex-Präsident Donald Trump einschmeicheln zu wollen. Trump hatte Amazon und Bezos während seiner Amtszeit wiederholt angegriffen. "Das ist offensichtlich ein Versuch von Jeff Bezos, sich bei Donald Trump anzubiedern, weil er mit dessen möglichem Wahlsieg rechnet", sagte Kagan.

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Auch der ehemalige Chefredakteur Marty Baron kritisierte die Entscheidung scharf. "Das ist Feigheit, die Demokratie ist das Opfer. Donald Trump wird dies als Einladung sehen, Bezos (und andere) weiter einzuschüchtern", schrieb Baron. Es sei "beunruhigende Rückgratlosigkeit in einer Institution, die für ihren Mut berühmt ist."

Eine Gruppe von 13 Kolumnisten der Post verurteilte den Schritt in einer gemeinsamen Erklärung als "schrecklichen Fehler", der die Grundüberzeugungen der Zeitung aufgebe. "Die Zeitung, die ich liebe, stirbt in der Dunkelheit", schrieb der preisgekrönte Redakteur David Maraniss.

Belegschaft gespalten

Andere Post-Mitarbeiter zeigten sich zwiegespalten. Manche seien froh, dass die Post keine Empfehlung mehr abgebe. Doch der Zeitpunkt und die Art der Bekanntgabe sei "schrecklich". Andere argumentierten, nach der Berichterstattung der letzten Jahre brauche es keine Anleitung des Redaktionsausschusses mehr.

Die Los Angeles Times hatte diese Woche ebenfalls auf eine Wahlempfehlung für Harris verzichtet, was zum Rücktritt von drei Redakteuren führte. Auch andere US-Zeitungsketten wie McClatchy und Alden Global Capital haben Wahlempfehlungen eingestellt. Die New York Times sprach sich für Harris aus und bezeichnete sie als "die einzige patriotische Wahl für das Präsidentenamt".

NY-Bürgermeister auf Distanz zu eigener Partei

In New York sprach sich Bürgermeister Eric Adams indes dagegen aus, Trump als "Faschisten" zu bezeichnen oder mit Adolf Hitler zu verglichen. Damit distanziert sich Adams von der Wortwahl der Demokraten in den letzten Tagen des Wahlkampfs 2024. Besonders brisant: Seine Intervention kam am Vorabend von Trumps Kundgebung im New Yorker Stadtteil Midtown Manhattan.

Adams, der selbst wegen Bestechung und Korruption unter Anklage steht, äußerte sich zu einer Zeit, in der Trump versucht, bei schwarzen Wählern und insbesondere bei schwarzen Männern Stimmen zu gewinnen.

Harris mit Hitler-Vergleich

Harris hatte in den vergangenen Tagen erklärt, dass sie mit Trumps ehemaligem Stabschef John F. Kelly übereinstimmt, dass der Ex-Präsident die Definition eines Faschisten erfüllt. Kelly beschrieb Trump auch als jemanden, der Hitler ideologisch nahesteht.

Als Adams von Reportern gefragt wurde, ob er Trump für einen Faschisten halte, antwortete der Bürgermeister: "Ich weiß, was Hitler getan hat und wie ein faschistisches Regime aussieht." Er fügte hinzu: "Ich denke, wir alle sollten einen Gang herunterschalten."

Recht auf Meinungsfreiheit

Adams betonte, dass es wichtig sei, dass Einzelpersonen ihr Recht ausüben können, ihre Botschaft an die New Yorker zu übermitteln. Die Stadt sei vorbereitet, eine "friedliche" Kundgebung zu gewährleisten, so der Bürgermeister.

Harris hatte in den vergangenen Tagen argumentiert, dass Trump instabil und ungeeignet für das Amt sei. Sie beruft sich dabei auf Aussagen von Personen aus seinem Umfeld.

Trump hatte Adams im letzten Monat gelobt, kurz nachdem die Anklage gegen den Bürgermeister bekannt geworden war. Der Ex-Präsident, der selbst in den vergangenen zwei Jahren viermal angeklagt und wegen Fälschung von Geschäftsunterlagen verurteilt wurde, deutete an, dass die Anklage gegen Adams politisch motiviert sei, weil dieser die Biden-Regierung kritisiert hatte.

"Als man mich Faschist und andere Begriffe nannte, mochte ich das nicht", sagte Adams. "Und ich denke nicht, dass es angemessen ist, zu behaupten, der ehemalige Präsident sei mit Hitler gleichzusetzen."