Mörderische Propaganda

"Pearl-Video" kursiert im Internet

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Die Bilder sind grausam, abscheulich und menschenverachtend: Exakt drei Minuten und 36 Sekunden zeigt der Videofilm nämlich die Erniedrigung und die anschließende Hinrichtung eines Menschen: des Wallstreet Journal-Reporters Daniel Pearl, der Anfang des Jahres in Pakistan entführt und Wochen später getötet wurde. Einen Vorgang, den die Täter im Bild festgehalten und den sie offenbar danach aus Propagandazwecken als Video veröffentlicht haben.

Bevor Pearl brutal ermordet wird, sieht und hört man ihn, wie er die Politik der US-Regierung kritisiert, dazu werden Aufnahmen getöteter Palästinenser eingeblendet und nach knapp zwei Minuten folgt die Hinrichtung. Allerdings hieß es, als das Video erstmals analysiert wurde, dass Pearl schon tot gewesen sei, als ihm Kehle für das Video durchgeschnitten wurde. Anschließend wird der abgetrennte Kopf zu antiamerikanischen Parolen triumphierend in die Kamera gehalten.

Dass Pearls Familie gegen die Veröffentlichung dieses Films ist, ist mehr als verständlich. Dennoch kursiert das Video derzeit im Internet. Der Sender CBS, der übers Netz an eine Kopie gelangt ist, hat vor wenigen Tagen kurze Ausschnitte daraus gebracht, was in der US-Öffentlichkeit zu einer kontroversen Diskussion geführt hat. Und jetzt ist auch das FBI aktiv geworden. Nachdem die Seite ogrish.com, die auf Geschmacklosigkeiten aller Art spezialisiert ist, das Video zum Download bereit gestellt hat, ist der verantwortliche Provider vom FBI aufgefordert worden, die entsprechende Datei zu löschen. Was dann auch vor wenigen Tagen geschehen ist.

"The FBI contacted our host Prohosters to inform them that they were going to sue us for putting on the Pearl video on 5-18-2002. We had no other choice than deleting the video. This just shows once again how the "big people" decide what we can or can't see. Don't we have to right to decide that ourself? We live in a censored world:(

Gegen den Betreiber der Netzseite selbst kann allerdings nicht so leicht polizeilich vorgegangen werden, da er in Amsterdam lebt. Ob die Aktion des FBI überhaupt rechtens war, wird inzwischen übrigens von US-Initiativen, die für freie Meinungsäußerung kämpfen, bestritten.

Dennoch ist das Video weiter im Netz erhältlich. So ist auf der Website des San Francisco Bay Area Independent Media Center, das zum internationalen Netzwerk der Globalisierungsgegner indymedia.org gehört, jetzt ein Link veröffentlicht wurden, der wiederum zu der Netzseite der US-Firma Consumption Junction führt. Dort kann man dann neben allerlei skurrilen und obszönen Dingen auch den Film herunterladen. Was auch dort, obwohl die User eigentlich einiges gewöhnt sein müssten, nicht nur zu einer erregten Diskussion, sondern zu rhetorischen Hassausbrüchen gegen Islamisten geführt hat.

Ob das im Sinne der mörderischen Videofilmer ist oder der geheimnisvollen Leute, die den Film als erste ins Netz gestellt haben, bleibt vorerst im Dunkeln. Gleichwohl gibt es eine seltsame Parallele. Während das Video nach Angaben von CBS angeblich vor allem in Saudi Arabien benutzt wird, um neue Terroristen zu rekrutieren, wird durch die Veröffentlichung des Films in amerikanischen Netzforen ja wiederum der Hass gegen die Terroristen geschürt. Das klingt und ist absurd, erfüllt aber als Propaganda auf beiden Seiten ihren mörderischen Zweck.