Mon dieu, die kalte Impfpflicht kommt!
Jetzt Frankreich, bald Deutschland: Weil der Staat es nicht schafft, die Bürger von der Immunisierung zu überzeugen, wird auf indirekten Druck gesetzt. Das ist unehrlich. Ein Kommentar
Der Blick nach Frankreich lohnt dieser Tage, um einen Eindruck davon zu bekommen, was auch in Deutschland sowie anderen Teilen Europas und der Welt bevorsteht. Mit dem "passe sanitaire", dem Gesundheitspass, wird Präsident Emmanuel Macron de facto eine Impfpflicht einführen.
Nicht per Gesetz oder auch nur qua Verordnung, sondern indirekt, durch die Hintertür; nicht in heißen Disputen, sondern kalt und ohne weitere Debatte.
Vom 21. Juli an wird einen solchen Pass vorzeigen müssen, wer freien Zugang in Einkaufszentren, Gastronomie oder Freizeiteinrichtungen anstrebt. Zugleich sollen die Kosten für alternative PCR-Tests erheblich steigen.
Wer den in der EU zugelassenen Impfstoffen – warum auch immer – misstraut oder sich aus anderen Gründen nicht impfen lassen will, hat nicht nur kurz- und mittelfristig das Nachsehen. Mit den neuen Rahmenbedingen werden auch die sicher kommenden Auffrischungsimpfungen von vornherein durchgesetzt.
Das Beispiel aus Paris macht Schule. Vor wenigen Tagen erst hat der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung in Rheinland-Pfalz, Peter Heinz, erhebliche Freiheitseinschränkungen für Ungeimpfte gefordert.
"Die Nicht-Geimpften haben nicht die Freiheit, ihre Maske abzulegen. Sie dürfen nicht ins Stadion, nicht ins Schwimmbad und nicht ohne Maske im Supermarkt einkaufen. Und man darf Ungeimpften und jenen mit nur einer einfachen Impfung nicht mehr gestatten, in den Urlaub zu fahren", sagte Heinz im Interview mit der Rhein-Zeitung.
Eine Impfpflicht aber, so Heinz, lehne er ab.
Verantwortliche versagen bei zentraler Aufgabe
Diese Haltung ist für einen Funktionär des Gesundheitswesens nicht nur skandalös, weil sie unehrlich ist, sondern auch, weil sie das Versagen von Verantwortlichen zeigt, deren Hauptaufgabe doch darin liegen müsste, medizinische Maßnahmen erklärend zu vermitteln, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern und die Volksgesundheit zu schützen.
In diesem Punkt freilich versagt nicht nur der rheinland-pfälzische KV-Chef Peter Heinz.
Fakt ist, dass in Bezug auf die in der Europäischen Union zugelassenen Corona-Impfstoffe trotz zunehmend solider Datenbasis noch viele Fragen offen sind. Dies alleine schon, weil der Studien- und Beobachtungszeitraum zu kurz ist, um vergleichsweise sichere Aussagen über den Nutzen der Immunisierung treffen zu können.
Solange aber die offenen Fragen nicht geklärt sind und kein gesellschaftlicher Konsens hergestellt wurde, bleibt die Entscheidung zur Impfung eine individuelle Entscheidung.
Und nein, ein solcher Konsens ist nicht erreicht, auch wenn die Impfquote steigt. Anderenfalls gäbe es keine Warnungen vor "Impfmüdigkeit".
Anderenfalls gäbe es keine Debatte über nicht wahrgenommenen Impftermine.
Anderenfalls gäbe es keine Bürgerinnen und Bürger, die Zweitimpfungen nicht wahrnehmen.
Anderenfalls gäbe es keine Vorschläge, Menschen für Impfungen zu bezahlen.
Vieles spricht dafür, dass der Gang zum Impfarzt eher pragmatischen Überlegungen geschuldet ist als einer echten Überzeugung.
Nach wie vor: zu wenig Transparenz, zu viel Willkür
Der Grund dafür ist die andauernd fehlende Transparenz der Corona-Politik und die Willkür der Maßnahmen. So beschloss der Bundestag im Mai eine Corona-Verordnung, nach der Geimpfte unbefristet immun sein sollen, Genesene hingegen nur sechs Monate. Lothar Wieler, der Präsident des Robert Koch-Instituts, räumte auf Nachfrage von Journalisten ein, es gebe "keine ganz hohe, überzeugende Evidenz" für die Sechs-Monate-Regel. Dennoch meinte Wieler, die Daten reichten aus, um festzustellen, "dass ein großer Teil der Menschen, die infiziert waren, sechs Monate lang einen Immunschutz hat."
Glauben, Deuten, Interpretieren – in normalen Zeiten würde das niemanden vom Hocker reißen. In Corona-Zeiten aber hängen vom Glauben, Deuten und Interpretieren Freiheiten und Bürgerrechte ab.
Auch deswegen ist die kalte Impfpflicht, wie sie sich nun immer häufiger abzeichnet, abzulehnen. Und wenn Impfungen trotz fehlender Datenbasis oder mangelnder Fähigkeit zur überzeugenden Vermittlung etwaiger Erkenntnisse durchgesetzt werden sollen, dann bitte offen und frei heraus. Entsprechende Gesetze und Verordnungen würden zumindest die Debatte auf eine solide Basis stellen. Oder wird das vermieden, weil solche Regelwerke seit Beginn der Pandemie vor Gerichten zu oft revidiert wurden?
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