Moskau-Hardliner im Westen, die russische Leichen im Keller haben

Seite 2: Hillary Clinton, Anne Applebaum, Garri Kasparow ...

Dazu gehört Evgeny Lebedev, Sohn eines Oligarchen und ehemaliger KGB-Spion, der Putin zur Macht verhalf und versuchte, bei der Annexion der Krim dafür westliche Unterstützung zu erhalten. Johnson hat sich persönlich für den jüngeren Lebedev eingesetzt, damit er trotz einer Sicherheitswarnung des MI6 in das britische Oberhaus des Parlaments aufgenommen wird.

Johnson ist unter den britischen Premierministern nicht der Einzige. Blair selbst hat eine aggressive Rhetorik in Bezug auf den Krieg an den Tag gelegt und sich für eine militärische Niederlage Moskaus als Weg zum Frieden ausgesprochen. Dennoch unterhielt er eine enge und freundschaftliche Beziehung zu Putin, als er noch in Downing Street 10 saß.

Er unterstützte stillschweigend den Krieg des russischen Präsidenten in Tschetschenien und gab zu, dass er mit ihm sympathisierte. Blair schloss sogar nicht aus, ihn im Austausch gegen Geld zu beraten.

In den Vereinigten Staaten ist Hillary Clinton eine lautstarke liberale Hardlinerin, die schon früh vorschlug, die Ukraine in einen Afghanistan-ähnlichen Sumpf für Russland zu verwandeln. Sie erklärte, der beste Weg, den Krieg zu beenden, sei, "wenn die Ukraine gewinnt".

Clinton war selbst einmal in einen Russland-Skandal verwickelt: Während ihr Büro für die Genehmigung eines Deals verantwortlich war, der der staatlichen russischen Atombehörde Rosatom die Kontrolle über einen großen Teil der Uranreserven in den USA verschaffte, erhielt ihr Ehemann, der frühere US-Präsident Bill Clinton, ein 500.000-Dollar-Rednerhonorar von einer mit dem Kreml verbundenen Bank, die für die Aktien des kanadischen Bergbauunternehmens warb, das von der russischen Firma gekauft wurde.

Putin, den Bill Clinton auf seiner Reise in seinem Haus besuchte, dankte ihm persönlich für die Rede. Bereits 2006 beklagte sich der ehemalige US-Präsident selbst, dass die US-Regierung den russischen Staatschef zu kritisch betrachte, obwohl er sich über Putins Autoritarismus beunruhigt zeigte.

Sogar einige Ultra-Hardliner-Kolumnisten haben anfangs weit weniger scharfe Positionen gegenüber Putin vertreten. Die Atlantic-Kolumnistin Anne Applebaum, die kürzlich schrieb, dass "selbst der denkbar schlechteste Nachfolger, selbst der blutigste General oder der rabiateste Propagandist, Putin unmittelbar vorzuziehen ist", schrieb einst über die "kühne und unerwartete Entscheidung" des russischen Präsidenten, sich nach dem 11. September mit den Vereinigten Staaten zu verbünden.

Sie argumentierte, dass der freundliche Umgang des russischen Militärs mit US-Gegnern und Putins Desinteresse an einer freien Presse nicht bedeute, "dass wir nicht mit Russland zusammenarbeiten sollten".

Der Schachweltmeister Garri Kasparow, der Biden und sein Team kürzlich förmlich beschuldigte, mit Putin unter einer Decke zu stecken, weil sie per se offen für Verhandlungen seien, nannte Putin und seine Clique einmal "Leute, mit denen der Westen Geschäfte machen könnte".

Er rechtfertigte ausdrücklich Putins Tschetschenienkrieg und erklärte, die tschetschenischen Rebellen seien "Banditen", gegen die man vorgehen müsse, damit die Regierung "Unterstützung für schmerzhafte Wirtschaftsreformen gewinnen" könne. Kasparow forderte den Westen auf, "nicht zu verlangen, dass Putin die Tschetschenien-Operation sofort einstellt", oder damit zu drohen, dass deswegen die finanzielle Unterstützung eingestellt werde.

Es ist auffällig, dass in einer Zeit, in der Vorwürfe wie zu Zeiten der McCarthy-Kommunisten-Denunziation in den USA in der westlichen Debatte über den Krieg und speziell über das Thema Diplomatie weitverbreitet sind, so viele derjenigen, die öffentlich die kompromisslosesten Positionen vertreten, entweder eine Vergangenheit mit pragmatischeren Haltungen haben oder über eigene finanzielle und persönliche Verbindungen zu Kreml-nahen Personen und Putin selbst verfügen.

Das wirft die Frage auf, wie aufrichtig die maximalistische Rhetorik und der Drang zur Eskalation gegenüber der Diplomatie wirklich sind. Und ob zumindest einige der Falken ein riskantes und rücksichtsloses Verhalten an den Tag legen, an das sie nicht ganz glauben – vielleicht als eine Form der Überkompensation in einem Klima der Hurrapatriot:innen.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Magazin Responsible Statecraft und findet sich dort im englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.