Mosul: Der saubere Krieg?
Erfolgsmeldungen über die Eroberung des Ostens der Stadt und eine Öffentlichkeitsarbeit, die darauf achtet, möglichst wenig von Opfern zu berichten
Der Osten der Stadt Mosul sei vollständig befreit, meldete heute der Kommandeur der irakischen Anti-Terror-Streitkräfte, Talib al-Shaqati. Ein wenig später kam die Korrektur, es gebe noch Kämpfe im Norden des linken Tigris-Ufers, etwa in den Stadtteilen Arabbija und Rashidija, die noch unter der Kontrolle des IS stünden (Karte).
Der Sieg sei nahe, verkündete der irakische Premierminister al-Abadi aus Bagdad. Sein General al-Shaqati gab sich Medien gegenüber optimistisch, die Befreiung der westlichen Stadtteile am rechten Ufer werde einfacher sein.
Er begründete dies damit, dass die Stadtteile im Osten offensichtlich gegen die Erwartungen sehr schnell erobert werden konnten. Die Offensive hierzu begann am 29. Dezember. 3.300 IS-Kämpfer sollen getötet worden sein. Die Verluste auf der eigenen Seite - und unter der Zivilbevölkerung - nennt man nicht.
Die irakische Regierung will diese Zahlen nicht veröffentlicht sehen. Unbekannt bleibt bislang auch die Anzahl der Bewohner, die aus der Stadt geflüchtet sind, die UN und Hilfsorganisationen hatten davor gewarnt, dass Hunderttausende aus Mosul fliehen könnten. Zum Jahreswechsel, also zu Beginn der irakischen Offensive im Ostteil der Stadt, zeigte sich der UN-Sprecher Stéphane Dujarric beunruhigt, über eine deutliche Zunahme der Flüchtenden.
Die Rückeroberung Mosuls wird von einer sorgfältigen Öffentlichkeitsarbeit begleitet, es soll möglichst eine Erfolgsstory sein. Manchmal dringen Hinweise durch, die am Oberflächenlack kratzen und anderes durchscheinen lassen, etwa wenn ein irakischer Kommandeur der französischen Zeitung Le Monde berichtet, dass man "mehr Männer verloren habe als in anderen Schlachten".
Die Aussage wird aber gleich wieder durch die eigenartige Feststellung relativiert, dass die Ratio angesichts von 350 (!) Autosprengfallen "zufriedenstellend" sei. Selbstmordattentate und Sprengfallen wurden in bisherigen Berichten als das größte Hindernis der Offensive genannt und es hieß lange Zeit, dass die irakischen Eliteeinheiten noch keine wirksame Taktik dagegen gefunden hätten.
Ob sie mittlerweile bessere Gegenmaßnahmen gefunden haben, bleibt der Öffentlichkeit trotz Andeutungen in dieser Richtung unbekannt. Aber, wie auch der Le Monde-Bericht darin vielen anderen gleich, feststellt: die Moral der irakischen Truppen soll ausgezeichnet sein.
Betont wird, wie schon seit Beginn der sogenannten zweiten Offensive, dass der Gegner Schwächen zeigt. Die feindlichen Truppen würden beginnen sich aufzulösen, die Anführer seien tot, der Vorrat an Autos erschöpft, sagt Brigadegeneral Haïder Fadhel, der Gesprächspartner von Le Monde.
Haïder Fadhel erwähnt einen handfesten strategischen Erfolg: Dass der IS keine Brücken mehr unter Kontrolle habe. Fünf Brücken stehen den irakischen Bodenstreitkräften nun für die Eroberung der westlichen Stadteile zur Verfügung. Die Operation wird nicht einfach, wie der deutsche Journalist Florian Neuhof, der vor Ort ist, ausführt:
Es wird härter. Die Straßen im alten Teil von West-Mosul sind eng und verwinkelt, die Viertel dichter besiedelt. Einwohner erklärten mir, dass die Unterstützung für den IS im Westen größer sei. Zivilisten wie auch Offiziere erzählten, dass eine Menge der foreign fighters sich aufs rechte Ufer zurückgezogen haben. Diese Kämpfer stehen im Ruf, dass sie besser sind als die lokalen IS-Kämpfer. Der IS könnte noch immer über die Hälfte seiner Kämpfer verfügen, um das rechte Ufer zu verteidigen.
Florian Neuhof
Doch ist Neuhof davon überzeugt, dass der taktische Vorteil nun aufseiten der irakischen Truppen liegt, vor allem wenn die USA ihre Unterstützung verstärken. Was deren Beteiligung an der Offensive angeht, so sind die Berichte zurückhalten, ganz im Sinne der gestalteten Öffentlichkeitsarbeit. Schlagzeilen über verheerende Bombenangriffe sollen vermieden werden.
Auch über die Spezialtruppen am Boden ist wenig zu erfahren, das gilt ebenfalls für die französischen Spezialtruppen. So finden sich nicht nur foreign fighters - aus Frankreich, Belgien, Ägypten, Kosovo und Saudi-Arabien - unter den IS-Milizen.
Die Mosul-Offensive wird von anderen militärischen Operationen begleitet, die das Umland sichern sollen, auch um die Fluchtwege der Einwohner abzusichern, wichtige Versorgungsstraßen und in einer weiteren Perspektive die Grenze zu Syrien, wie ein Bericht der Publikation Niqash ausführt.
Tal Afar, das unweit von Mosul liegt, kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Es ist eine Hochburg des IS, für die Befreiung sollen die schiitischen Milizen sorgen, die eng mit Iran verbunden sind. Bislang ist auch diese Eroberung mit einigen Hindernissen und Schwierigkeiten verbunden, jedenfalls kommt sie nicht so schnell voran, wie man dies erwartet hatte.
Laut Niqash haben sowohl die USA wie Iran ein Interesse daran, ihre Einflusssphären in der Grenzzone im Norden zu halten. Wie sich das Konfliktpotential zwischen den beiden Ländern mit der Machtablösung in den USA entwickelt, ist noch offen. Vonseiten der neuen US-Regierung wurde allerdings ein Konfrontationskurs angedeutet.
Aus der iranischen Führung kommen nun deutliche Signale, dass sich Teheran einer Einladung der USA zu den Syrien-Gesprächen im kasachischen Astana Ende Januar widersetze.