Muhammed Tunc: Abschiebung ins türkische Foltergefängnis?

Seite 3: Tunc ist kein Einzelfall

In Deutschland werden immer wieder linke kurdische und türkische Aktivistinnen in die Türkei ausgeliefert. Auch die neue Ampelregierung hält an diesem Kurs fest. Politisch verfolgte Menschen aus der Türkei haben es schwer, sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen, wenn sie sich in Deutschland gegen das autoritäre Regime in der Türkei engagieren. Obwohl sie unseren, immer wieder beschworenen demokratischen und säkularen Werten viel näher stehen als konservative, nationalistische und islamistische Menschen aus der Türkei.

Selbst die in Deutschland geborenen Nachfahren von vor über 50 Jahren migrierten Familien werden in das Herkunftsland der Eltern ausgewiesen, wenn sie nicht über einen deutschen Pass verfügen - ohne Berücksichtigung dessen, ob die Betroffenen Kontakte in das Herkunftsland der Eltern oder die Sprache sprechen. Telepolis berichtete bereits über mehrere Fälle von der Ablehnung gut begründeter Asylbegehren von Menschen aus der Türkei.

Abschiebung ins Foltergefängnis

Foltervorwürfe in türkischen Polizeistationen und Gefängnissen werden seit Jahrzehnten erhoben, ohne dass die jeweiligen Regierungen Konsequenzen zu erwarten hatten. Im Jahresbericht 2021 zur Türkei berichtete Amnesty International über die katastrophale Menschenrechtssituation in der Türkei.

In den letzten Jahren häuften sich die die Folterberichte vor allem aus den Gefängnissen vom T-Typ, wie z.B. dem Gefängnis Nr. 3 in Diyarbakir, wie die Anwaltkammer von Diyarbakir letztes Jahr meldete. Im Januar 2021 besuchte das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe das Gefängnis von Diyarbakir. Der Bericht lässt noch heute auf sich warten.

Im Dezember wurde die politische Gefangene Garibe Gezer im Gefängnis in Kandira tot aufgefunden. Es hieß, sie habe sich in ihrer Zelle in Einzelhaft das Leben genommen. Zuvor hatte Gezer von systematischer Folter und sexualisierten Übergriffen durch das Gefängnispersonal berichtet. Die türkische Staatsanwaltschaft lehnte eine Untersuchung der von ihr erhobenen Vorwürfe ab.

Laut dem in der Türkei sitzenden Menschenrechtsverein IHD wurden in den letzten vier Jahren 13.965 Menschen allein bei ihrer Festnahme gefoltert. Diese Zahl hat er in einem längeren Bericht veröffentlicht. Die vielen Folterberichte während der Haftzeit sind dabei nicht eingerechnet. Und noch eine Zahl ist interessant: Während in Deutschland ca. 44.500 Menschen inhaftiert sind, befanden sich nach Angaben des türkischen Justizministeriums bis zum 31. Januar 2022 insgesamt 303.389 Personen im Gefängnis, darunter 38.359 Untersuchungs- und 265.030 Strafgefangene. 289.684 Gefangene sind Männer, 11.823 Frauen und 1882 Minderjährige.

Seitdem sich die Türkei am 20. März 2021 von der Istanbul-Konvention (das Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung und Verhütung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt) verabschiedete, starben im Jahr 2021 insgesamt 280 Frauen an den Folgen geschlechtsspezifischer Gewalt. In 217 weiteren Fällen wurden verdächtige Todesumstände festgestellt.

Meinte Sigmar Gabriel mit seinem Twitter Post "Mehr Türkei wagen" etwa diese besorgniserregende Entwicklung?

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