Multimedial und auf der Strasse gegen George W. Bush

US-Aktivisten nutzen immer stärker neue Medien - Independent Media Center auch in Deutschland im Aufbau

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Adams Morgan ist das Kreuzberg der amerikanischen Hauptstadt. In diesem etwas abseits gelegenen Washingtoner Stadtteil, in dem sich eine bunte Mischung aus Studenten, Immigranten und Arbeitern tummelt, fanden am Wochenende zwar keine Demonstrationen gegen den Amtsantritt des neuen US-Präsidenten statt, aber dennoch schlug hier das Herz der Protestbewegung. In den Räumen einer Startup-Firma hatte sich das Independent Media Center einquartiert, das der Mainstream-Berichterstattung einen harten Konkurrenzkampf lieferte - live aus dem Internet. Vaughn, ein Mitarbeiter von Studio 2412, das erst vor kurzem die beiden Etagen in der 18th Street Nr. 2412 bezogen hatte, ist begeistert: "Es ist großartig! Alles ist ein wenig chaotisch, aber die Leute hier haben wirklich etwas drauf."

Wie die anderen Mitarbeiter des Studio 2412 hat Vaughn in der letzten Woche wenig geschlafen, sondern den aus ganz Amerika angereisten Aktivisten geholfen, ihr Netzwerk aufzubauen, die Videoschnittplätze zum Laufen zu kriegen oder den Audioserver zu konfigurieren. Sein Kollege Stefan Templeton von der Conceptium Group, einem internationalen Kollektiv von Computerexperten, zieht Parallelen zu seiner eigenen Arbeit: "Einer unserer ersten Techniker war ein Bulgare, der sehr aktiv in der dortigen Demokratiebewegung war." Die Gruppe hat das Studio in Washington eingerichtet, um gegen einen kleinen Mitgliedsbeitrag hochwertige Infrastruktur für Medienprojekte zur Verfügung zu stellen. "Das IMC ist die erste Organisation, die bei uns Kunde ist. Wir finden sehr gut, was sie machen. Wir sind hier in Washington im Herzen der Bestie, daher wollen wir solche Gruppen unterstürzen", sagt Stefan.

Den Kontakt zum IMC bekam er im vergangenen Jahr. Eddie Becker, einer der Gründer des IMC in Washington, hatte ihn im Vorfeld der Demonstrationen gegen die Weltbank-Tagung angesprochen, weil er einer der ersten in der Stadt war, der Zuhause eine DSL-Anbindung hatte. "Ich sagte: Klar helfe ich euch. Damals hätte ich nicht gedacht, dass ich mal Leute vom Gefängnis abholen würde." Dieses Mal waren dem Washingtoner IMC eigentlich zentralere Räumlichkeiten in der Innenstadt zugesagt worden, so dass man wesentlich näher am Geschehen auf der Strasse gewesen wäre. Zwei Tage vor dem Ereignis tauchte dann aber die Polizei bei dem Besitzer auf, und dieser zog dann aus Angst um seine gerade neugegründete Firma das Angebot wieder zurück. Die Ausweichlösung sah dann so aus, dass man neben der Zentrale in Adams Morgan verschiedene kleine Stützpunkte im Innenstadtbereich aufmachte, in denen die Mitarbeiter ihre Batterien laden oder ihre Berichte überspielen konnten.

Das erste Independent Media Center (IMC) war im November 1999 in Seattle von Mitgliedern der noch jungen Protestbewegung gegründet worden. Sie sahen im Internet mit seinen Multimedia-Möglichkeiten eine Chance, der Berichterstattung über die Proteste gegen die WTO-Konferenz einen Blick von unten hinzuzufügen. Tatsächlich gelang es ihnen, die öffentliche Wahrnehmung der Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei zu beeinflussen. Grosse Teile der etablierte Massenmedien wie die BBC stützten sich damals auf die Berichte der mit digitalen Kameras und Laptops ausgerüsteten Freiwilligen des IMC (Mit Websites gegen Polizeiknüppel). Seitdem hat sich ein ganzes Netzwerk von unabhängigen Medienzentren gebildet, das heute aus ungefähr 50 lokalen IMCs in der ganzen Welt besteht. Neben 29 Zentren in den USA und Kanada existieren bislang sieben in Europa sowie andere z.B. in Israel, Kolumbien, Südafrika, ja sogar im Kongo. Weitere IMCs sind im Aufbau.

Das Independent Media Center Washington war im letzten April gegründet worden, um über die Proteste während der Weltbank/IMF-Tagung zu berichten. Den Anstoß gaben damals IMC-Leute aus Seattle und New York City, die nach Washington kamen und dort als Inkubatoren wirkten. Momentan sind ca. ein Dutzend Leute in Washington fest an dem Projekt beteiligt, viele haben Erfahrung im Medienbereich. Eddie Becker etwa hat sich seit Jahren mit Amateurvideos beschäftigt; Chris Strohm, der später dazugestoßen ist, schreibt hauptberuflich als Journalist für ein Washingtoner Industriefachblatt. Viele sind aber auch als Aktivisten dazu gekommen und wurden eingearbeitet.

"Rupert, der Verantwortliche für die Radio-Gruppe", so erzählt Eddie Becker, "hat den ganzen Audio-Server für 500 Dollar selber zusammengebaut. Er hatte das vorher noch nie gemacht. Es gab nur ein Modell von dem Typen, der das in Seattle macht und der ihm dabei geholfen hat." Improvisation ist wohl das Wort, die die Arbeit des IMC am besten beschreibt. "Es gibt zwar den Versuch einer Planung, aber du weißt nie, ob alles hinhaut, weil nie klar ist, wer hier auftaucht", sagt Chris und schüttelt dabei den Kopf, weil er selber nicht ganz glauben kann, dass am Ende doch alles funktioniert. Die fehlende DSL-Anbindung zum Beispiel hatte den Netzwerkern im Vorfeld Kopfzerbrechen bereitet, aber sie kam dann doch noch gerade rechtzeitig, einen Tag vor Beginn der Operationen.

Das Medienzentrum ist bewusst dezentral und lose organisiert, seine einzelnen Bereiche wie Audio, Video, Text und Web werden von unabhängigen Gruppen betreut, die ihre Arbeitsweisen und Inhalte selber bestimmen. Ohne das Web hätten diese Medienzentren aber nicht entstehen können, denn erst dadurch wurde die Integration der verschiedenen Medien möglich. "Die Webseite bringt das alles zusammen", sagt Eddie Becker.

Ein Monat Vorbereitungszeit für 310.000 Hits

In der extrem kurzen Vorbereitungszeit von einem Monat haben die Washingtoner Untergrundjournalisten und ihre Freunde aus dem Rest der USA so eine Medienzentrale aufgebaut, die sich sehen lassen kann. Bis zu 100 Freiwillige sind hier während des Wochenendes aktiv gewesen, haben Videos gedreht, rund um die Uhr eine Internet-Radiosendung produziert und während der Proteste im Viertelstundentakt Nachrichten von der Straße ins Netz gestellt.

Die Technik wurde zum Teil von der Startup-Firma geliehen, das meiste haben die Mitarbeiter aber selber mitgebracht. Vom 286er bis zum Macintosh G4 ist daher so ziemlich alles vorhanden, was in den letzten zehn Jahren an Hardware auf den Markt kam. Sehr verbreitet sind digitale Videokameras und Minidisc-Recorder, im Center selber stehen dazu z.B. noch Negativscanner, das Radiostudio und verschiedene digitale Videoschnittplätze zur Verfügung. Wenn die Mobiltelefon-Bandbreiten es erlauben würden, hätten die IMC-Videoleute auch live von der Straße aus ins Internet gesendet. "Das geht hier in Washington leider nicht, aber für uns wäre es kein Problem", sagt Adam Stenftenagel, der mit dem Auto voller Hardware extra aus Colorado angereist ist und schon in Seattle, New York, Los Angeles und Prag dabei war. "In Denver könnten wir das zum Beispiel sofort machen, da sind die Bandbreiten besser." Die Technik wird von den IMC-Leuten extrem pragmatisch genutzt, und trotz des Hypes um den neuen elektronischen Widerstand und Hacktivismus wird hier neben dem Internetauftritt noch ganz altmodisch eine Zeitung auf Papier produziert. "Man kann auch mit Papier und Stift für uns arbeiten", betont Chris.

Die Resonanz ist beeindruckend: Mit mehr als 310.000 Hits auf der Startseite war die Nachfrage dieses Mal doppelt so groß wie während der Proteste in Prag im vergangenen Jahr. Die Anzahl der Audiostreams musste am Samstag um die Mittagszeit von 900 kurzfristig auf 6000 aufgestockt werden. Neben diesen Mono-Signalen mit 15.000 Baud wurden standen eine Reihe von HiFi-Signalen (64.000 Baud, Stereo) zur Verfügung, die von anderen Internetradios zum Weiterversenden aufgenommen wurden. Auf diesem Weg kam das Radioprogramm auch zu mehr als einem Dutzend lokaler UKW-Stationen, die den Protestfunk auf terrestrischen Frequenzen sendeten. Und da im Internet Entfernungen keine Rolle spielen, wurde das Programm aus Washington sogar in Amsterdam ausgestrahlt. Sogar in ruhigen Zeiten zwischen solchen Großereignissen wird die Hauptseite des Netzwerkes mittlerweile 35.000 Mal pro Woche abgerufen. "Während der Demonstrationen in Philadelphia im April hatten wir mehr Hits auf unserer Webseite als CNN. Die haben auch einen Link auf uns gesetzt", freut sich Chris.

Unabhängige Inhalte

Mit einem Telefon-Interview mit dem grünen Präsidentschaftskandidaten Ralph Nader, vorproduzierten Features und Studiogesprächen u.a. mit dem ehemaligen Energieminister Bill Richardson konnte sich die Berichterstattung auch inhaltlich sehen lassen. Den Schwerpunkt machten aber weiterhin die Nachrichten von der Straße aus: Mitarbeiter des IMC berichteten mit dem Mobiltelefon live über Aktionen, Zwischenfälle und Ansprachen und wurden direkt in den Audiostream eingespielt, andere diktierten ihre Kurzmeldungen per Telefon an die Webredaktion, und mitten in dem Gewimmel von Menschen und Technik saßen überall Leute mit ihren Videokameras auf dem Boden, um ihre noch frischen Berichte für die Webseite zu schneiden. Insgesamt wurden an Wochenende mehr als 700 Artikel, Kommentare, Fotos, Videos und Audio-Dateien auf der Webseite zur Verfügung gestellt. Die IMCs fungieren gleichzeitig als nützliches elektronisches Archiv der Bewegung. Als etwa bei den Protesten gegen den Republikaner-Kongress in Philadelphia im August die Polizei massenhaft Leute verhaftete, konnte man die IMC-Videos als entlastendes Beweismaterial verwenden.

Da diesmal die Proteste sehr friedlich verliefen, konnte das IMC nicht so brisante Nachrichten und Bilder liefern wie etwa in Seattle oder Philadelphia. Obwohl einige das bedauerten, sieht Chris Strohm darin sogar einen Vorteil: Weil es keine Notwendigkeit gab, aktuell und in großer Aufmachung über Straßenschlachten und Polizeiübergriffe zu berichten, konzentrierte man sich stärker auf die eigentlichen politischen Forderungen.

Eine Vielzahl von Gruppen hatte zu den Demonstrationen aufgerufen, die an mehreren Orten in Washington am ganzen Wochenende stattfanden. Sie hatten zum Teil schon Monate vor der Wahl angefangen, ihre Aktivisten gegen die Vereidigung zu mobilisieren, um die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit zu nutzen. Nach dem Debakel mit den Stimmenauszählungen gab es dann neben Forderungen wie der Abschaffung der Todesstrafe, Freiheit für Mumia Abu-Jamal oder der Verbesserung des Umweltschutzes eine gemeinsame Formel, die alle Proteste vereinte: "Gegrüßt sei der Dieb!". George W. Bush wird bis heute von vielen Amerikanern nicht als legitimer Präsident angesehen, und so wurden die Proteste gegen seine Vereidigung die größten seit der Wiederwahl von Richard Nixon 1973. Viele waren zum ersten Mal in ihrem Leben bei einer Demonstration, und eine Reihe anderer kam nach dem Rückzug ins Privatleben am Ende der wilden sechziger Jahre wieder dazu.

Mobilisierung im Netz, Aktionen auf der Straße

Auch bei der Mobilisierung zu den Protesten hatten die Gruppen das Internet massiv genutzt. Das von dem früheren US-Justizminister Ramsey Clark gegründete International Action Center (IAC in New York City stellte auf seiner Webseite eine umfangreiche, täglich aktualisierte Liste sämtlicher Proteste in den USA zur Verfügung und informierte per Mailingliste über den letzten Stand der Planungen. Das IAC Boston bot mit Unterstützung des Peoples Video Network auf seiner Webseite einen ganzen Film zur Vorbereitung auf die Demonstrationen an. Daneben gab es an mehreren Stellen Poster und Sticker zum Download oder bei Mumia 2000

Das Justice Action Movement (JAM), eine Koalition verschiedenster Nichtregierungsorganisationen, die sich für die gleiche und gerechte Gewichtung aller Stimmen einsetzt, hatte für ihre Seite gleich mehrere Domains registriert, nämlich inauguraction.org und j20.org. Vom JAM wurden online auch Unterkünfte für die Demonstranten vermittelt, die nicht aus Washington stammten, daneben gab es eine Wettervorhersage, Stadtpläne mit den Demo-Routen und medizinische Tipps des Sanitäterkollektivs On The Ground.

(Bild: medics.gif) oder (Bild: generalmap2.jpg)

Wer wollte, konnte sich auch den Washingtoner Polizeifunk als Audiostream anhören, und viele Organisationen boten auf ihren Webseiten die Möglichkeit für Online-Spenden. Bemerkenswert ist hier die immer wieder zu beobachtende Arbeitsteilung und gemeinsame Nutzung von Ressourcen. So hat etwa die Alliance for Global Justice dem Justice Action Movement seinen sicheren Server für Online-Spenden zur Verfügung gestellt, das IAC wickelt Spenden über die Webseite des Peoples Rights Funds ab, die Radiomacher vom Independent Media Center arbeiten mit einer Software von Microradio und ihre Kollegen von der Webredaktion stützen sich zum Teil auf eine Publikationssoftware von CAT, einem linken Technikkollektive aus Sidney. Den brandneuen SMS-Broadcasting-Dienst UPOC nutzten einige Aktivisten aus New York. Sander Hicks, der dort das linke Medienkollektiv Softskull gegründet hat, richtete vor den Protesten dort die Gruppe Resistance ein und hatte innerhalb von ein paar Tagen schon ca. einhundert Gleichgesinnte gefunden, die während der Aktionen aktuelle Nachrichten austauschten. Laut Zeitungsberichten soll hieran auch Ricardo Dominguez von der Hacktivisten-Gruppe Electronic Disturbance Theater beteiligt gewesen sein.

Stabilisierung und Strukturbildung

Die wichtigste Arbeit kommt auf die Multimedia-Aktivisten aber nach den Protesten zu. Chris vom Independent Media Center weiß das. "Es ist sehr einfach, Leute dafür zu motivieren, ein IMC während eines Ereignisses wie dem Amtsantritt des Präsidenten zu betreiben, weil so viel Energie da ist. Die wirkliche Herausforderung besteht darin, ein IMC zu betreiben, wenn nichts Großes ansteht."

Das weltweite Wachstum des IMC-Netzwerkes deutet aber darauf hin, dass gerade in der Dezentralisierung ein großes Protenzial besteht. "Die Leute müssen nicht mehr überall selber hinfahren, wenn ein Großereignis stattfindet, über das berichtet werden soll. Daher arbeiten sie nun viel auf lokaler Ebene", sagt Chris Strohm. Die Medienaktivisten in New York City oder Seattle haben z.B. schon feste Räumlichkeiten, produzieren Fernsehdokumentationen und Zeitungen und berichten über die lokalen Aktivitäten der sozialen Bewegungen. Die globalen Themen wie "Corporate Capitalism" werden aber weiterhin behandelt und auf der Hauptseite des IMC-Netzes veröffentlicht. Erste Pläne für die Zeit nach dem Amtsantritt von George Bush gibt es auch schon für die US-Hauptstadt. Stephan Templeton: "Wir werden hier in Washington einen runden Tisch haben, so wie die konservativen Kommentatoren, die Sonntags im Fernsehen die Politik erklären, aber mit unserem speziellen Open-Source-Dreh. Das wird dann über das Internet ausgestrahlt."

Derweil beginnt im gesamten IMC-Netzwerk die Debatte über die organisatorischen Strukturen Schwung zu bekommen. "Momentan sind es eine Handvoll Leute, die die Entscheidungen treffen. Fast alles Männer, Amerikaner und nicht repräsentativ für die globale Szene. Wir sind darüber nicht erfreut und brauchen die Beteiligung von allen anderen", so klagte Craig aus New York City beim ersten globalen Treffen des IMC-Netzwerkes am 13. Januar. Das Treffen fand natürlich nicht physisch statt, sondern in einem Chatroom des hauseigenen IRC-Servers.

Vor allem die Technik-Freaks, die oft die meiste Zeit in die Projekte stecken, bestimmen trotz der generellen Offenheit des IMC-Netzes im Endeffekt, was passiert. "Der Zugang wird durch Passwörter reguliert. Einige Leute haben sie. Einige, die welche haben, nutzen sie. Es gibt keine formale Struktur dafür", so wurde auf der Washingtoner IMC-Mailingliste Anfang Januar kritisiert. Vor allem überregional funktioniert die Koordination noch stark durch persönliche Kontakte.

Das eigentliche Netzwerk ist daher zur Zeit noch sehr lose, es gibt zum Beispiel nicht eine einzige unter den vielen Mailinglisten, auf der jedes lokale Zentrum wenigstens einmal vertreten ist. Zur Zeit läuft daher eine erste Umfrage bei allen IMCs, die zunächst einen Überblick über die personellen und technischen Ressourcen bringen soll. Der Debatte über Strukturbildung und globale Entscheidungsmechanismen widersetzen sich aber viele der Mitarbeiter, weil gerade die Flexibilität des IMC-Netzes als Stärke angesehen wird. So betrug der gesamte Etat, mit dem das IMC in Washington betrieben wurde, lediglich 3500 Dollar - wobei der Löwenanteil davon sogar für den Druck der Straßenzeitung "Independent Voice" draufgegangen ist.

Deutsches IndyMediaCenter soll bei den Castor-Protesten starten

Gleichzeitig mit den Demonstrationen in Washington fand am Wochenende in Hamburg das Gründungstreffen für ein deutsches Independen Media Center statt. Wie der linke Internet-Dienstleister Nadir auf Anfrage mitteilte, ist das Interesse groß. Mehr als vierzig Personen waren dabei, viele mit Erfahrungen in unabhängigen Medienkollektiven. Geplant ist die IMC-typische Mischung aus landesweiter Koordination und Webseite mit gleichzeitig starker Verankerung der einzelnen Gruppen in der lokalen Protestbewegung. Mit dem lokalen Projekt sind nach Angaben von Nadir bisher die Berliner am weitesten vorangeschritten. Derzeit wird an der Webseite und der internen Informationsstruktur gearbeitet, um die bestehenden Arbeitsgruppen für Video, Web, Print und Audio zusammenzuführen.

Erstmals in Aktion treten soll das IMC Deutschland dann zu den anstehenden Castor-Transporten. "Zu dem ersten Transport nach Ahaus wird es eine kleinere IMC-Struktur geben, zu dem Transport nach Gorleben eine größere", berichtet Nadir. Letzteres bedeutet, "dass vor Ort als Indymedia agiert werden soll, dass es die Möglichkeit gibt, vor Ort in verschiedenen Medienformen zu produzieren und dieses möglichst zeitnah im Web zu veröffentlichen." Es wird aber auch an andere Formen der Informationsverbreitung, z.B. eine Zeitung, gedacht und betont, dass auch hier "der Kontakt zu den Protestierenden wichtig ist." Die Kontaktadresse für das deutsche IMC ist derzeit imc@squat.net.

So wächst das Netzwerk wohl noch eine Weile weiter. Obwohl die Behörden ihnen bislang noch nicht einmal Presseausweise ausstellen, sehen sich die Aktivisten in den USA bereits als mögliche Konkurrenz für die großen Massenmedien. Nicht zu unrecht, denn so viele Korrespondenten wie ihr Netzwerk heute schon freie Mitarbeiter hat, kann kein kommerzieller Nachrichtenanbieter unterhalten. "Ich stelle mir die unabhängigen Medienzentren gerne als ein globales Netzwerk vor, das mit CNN konkurriert", schwärmt Chris Strohm in einem Hinterzimmer des IMC in Adams Morgan - "so eine Art Graswurzel-CNN."