Mysteriöse Blitze im All

Bild: Nasa

In schöner Regelmäßigkeit und aus allen Ecken und Enden des Universums wird die Erde von ungeheuer starken Strahlungsausbrüchen im Gamma-Bereich getroffen - den so genannten Gamma Ray Bursts (GRBs). Über ihre Quelle gibt es bisher nur Vermutungen.

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In den 60-ern des vorigen Jahrhunderts, der Kalte Krieg war in schönstem Gange, stießen amerikanische Spionagesatelliten erstmals auf das Phänomen: Die Vela-Satelliten, eigentlich zur Überwachung der Erde auf Anzeichen oberirdischer Kernwaffentests gedacht, registrierten immer wieder Gammablitze, die sich keinem Ereignis auf der Erdoberfläche zuordnen ließen. Erst 1973 konnten Wissenschaftler nachweisen, dass die Quellen der Gammastrahlung in den Tiefen des Weltalls liegen müssen. Es zeigte sich bald, dass die GRBs sehr regelmäßig vorkommen und sich nicht auf eine bestimmte Region des Himmels konzentrieren - damit war schon einmal klar, dass es sich um extragalaktische Ereignisse handeln musste.

Das verschärfte die Neugier der Wissenschaftler allerdings nur noch, denn was aus so weiter Entfernung zu uns gelangt, muss aus einer entsprechend starken Quelle kommen. Tatsächlich müssen die Gamma Ray Bursts überaus monströse Ereignisse sein. Der 2005 beobachtete GRB 050904 (Ultimativer Kosmo-Blitz aus den Anfängen der Zeit) zum Beispiel hätte aus 4000 Lichtjahren Abstand zur Erde noch immer für kurze Zeit heller am Himmel gestanden als unsere Sonne - glücklicherweise war die Quelle des Blitzes aber 13 Milliarden Lichtjahre entfernt. Den bisher stärksten Gammablitz registrierte der NASA-Satellit Swift vor gut einem Jahr. GRB 080319B leuchtete aus einer Entfernung von etwa 7,5 Milliarden Lichtjahren und war für kurze Zeit sogar mit bloßem Auge zu sehen. Das Ereignis ist damit das bisher am weitesten entfernte und zugleich älteste, das je ein Menschenauge direkt zu sehen bekam (wobei man natürlich berücksichtigen muss, dass wegen der Expansion des Universums der Abstand der Quelle zur Erde zum Zeitpunkt des Ausbruchs - also vor 7,5 Milliarden Lichtjahren - noch weit geringer war).

Bild: Nasa

Klar, dass solch gewaltige Ereignisse gewisse Ängste provozieren. Könnte ein GRB etwa zu einem der Massenaussterbe-Events in der Erdgeschichte geführt haben (Massensterben durch kosmischen Gammastrahlenausbruch?)? Völlig unwahrscheinlich ist das wohl nicht. Ein durchschnittlicher GRB in weniger als 3000 Lichtjahren Entfernung wäre vermutlich für die Erde schwer zu verkraften, weil er die Atmosphäre stark schädigen würde. Die gute Nachricht ist aber: anders als bei einem Asteroiden, dessen Bahn die der Erde trifft, müssen wir uns nicht mit allzu vielen Sorgen plagen. Denn der Strahlungsausbruch, der uns in den nächsten paar Tausend Jahren umbringt, ist längst schon passiert - wir wissen es nur noch nicht, weil Gammastrahlung sich nun mal mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet.

Wirklich suchen können wir nach potenziellen GRB-Verursachern auch noch nicht, weil es noch keine schlüssigen Theorien über die Ursachen gibt. Besser gesagt: es gibt noch zu viele Theorien. Möglicherweise entstehen Gamma-Ausbrüche bei so genannten Hypernova-Explosionen, bei dem der Kern eines massereichen Sterns schnell zu einem rotierenden schwarzen Loch kollabiert. Rund um dieses Zentralobjekt bildet sich eine Gasscheibe, die sich stark aufheizt und in der schließlich Jets von beinahe mit Lichtgeschwindigkeit nach außen schießendem Material entstehen. Erst diese stark fokussierten Jets erzeugen die Gammablitze. Dabei gibt es genau vier Möglichkeiten: Erstens - der Jet zerrt das Magnetfeld des Zentralobjekts mit nach außen. Oder er erzeugt, zweitens, selbst ein Magnetfeld. Oder er besteht, drittens, nicht aus Gas, sondern komplett aus magnetischer Energie. Und schließlich könnte er sich auch noch, viertens, selbst durch ein Strahlungsfeld bewegen. Diese Szenarien sind auch dann noch gültig, wenn man annimmt, dass nicht ein Sternenkollaps, sondern die Kollision zweier Neutronensterne zur GRB-Entstehung führt. Doch entscheiden konnte man sich bisher für keines der Modelle (Seltsame Explosion im Weltall).

Bild: Nasa

Einen gewissen Fortschritt bedeutet nun eine Beobachtung, die dem ESA-Satelliten Integral schon 2004 gelungen ist. Obwohl Integral nicht auf Untersuchungen im Gammabereich spezialisiert ist, lassen sich seine optischen Instrumente dafür nutzen, wenn zufällig ein GRB in ihrem Sichtbereich aufblitzt. GRB041219A, den Integral am 19. Dezember 2004 entdeckte, war nun hell genug, dass sich mit den Bordinstrumenten der zeitliche Verlauf der Polarisierung der aufgefangenen Photonen ermitteln ließ. Früher erfasste Gammablitze waren meist so schwach, dass ihr Signal nur durch zeitliche Integration messbar war.

Wie ein Forscherteam in einem gerade erschienenen Beitrag in den Astrophysical Journal Letters berichtet, ließ sich das Signal von GRB041219A in Zehn-Sekunden-Slots aufteilen. Dabei zeigte sich, dass der Anteil polarisierter Photonen im Verlauf mehrerer Minuten von 20 auf 90 Prozent stieg und sich auch die Polarisationsphase mit der Zeit änderte. Nimmt man an, dass GRBs in der Regel polarisiert sind (und es spricht zumindest nichts gegen diese Annahme), dann beschneidet das die Theorien, die es zur Erklärung der Entstehung der Gammablitze gibt. Mindestens, meinen die Forscher, favorisiere ihre Feststellung Modelle, bei denen Synchrotronstrahlung zur Polarisierung des GRBs führt. Am wahrscheinlichsten wäre demnach Modell 1, bei dem der Jetstrom das Magnetfeld des Zentralobjekts nach außen in das Weltall reißt.