NPD will ihr Verbot verbieten lassen

Die rechtsextreme Partei fordert die Einstellung des Verbotsverfahrens und erlangt wegen eines Sex-Skandals mediale Reichweite

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Ein rechtlicher Schachzug oder tatsächlich Verfahrenshindernisse? Die NPD hat Mitte dieser Woche in einem Schriftsatz an das Bundesverfassungsgericht die Einstellung des Verbotsverfahrens beantragt. Die Partei glaubt, dass die V-Mann-Problematik, die das erste Verbotsverfahren 2003 zum Scheitern brachte, fortbestehe. Überdies, so die Partei laut einer Pressemitteilung, würden Kader der Partei mit Sicherheit von den Geheimdiensten abgehört, weswegen es ihr nicht möglich sei, sich ohne Kenntnis der Kläger rechtlich zur Wehr zu setzen.

Wegen jener "unbehebbarer Verfahrenshindernisse" solle das Verfahren eingestellt werden, umschrieb NPD-Pressesprecher Frank Franz das Ansinnen seiner Partei. Der Bundesrat hatte im Dezember den Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Nachdem die Rechtsextremisten und Fremdenfeinde seinerzeit medial verbreitet hatten, sie würden zu Unrecht verfolgt (Rechtsextreme Unschuldslämmer), scheinen sie nun einen rechtlichen Gegenangriff zu starten, auch wenn manches daran sehr abenteuerlich klingt. So schlagen sie etwa vor, das Gericht solle den Whistleblower Edward Snowden vorladen, damit der klarstellen könne, ob der US-Geheimdienst NSA auch die NPD abhöre.

Mit dem rund 250 Seiten starken NPD-Verbotsantrag, der Telepolis vorliegt, will der Bundesrat die Verfassungsfeindlichkeit der NPD belegen. Neben umfangreichen rechtlichen Ausführungen dazu, warum die Partei verboten werden sollte, enthält der Antrag zahlreiche Zitate aus NPD-Veröffentlichungen, Schulungsmaterialien und Redebeiträgen meist führender NPD-Politiker. Belegt werden soll so, dass die NPD eine nationalsozialistische und fremdenfeindliche Politik vertritt und eine Wesensverwandtschaft mit der NSDAP besteht. Alle Zitate sollen nach dem Debakel von 2003 nicht von V-Leuten stammen.

Der NPD-Verfahrensbevollmächtigte Rechtsanwalt Peter Richter, der selbst der Partei angehört, glaubt indes, dass derzeit kein rechtsstaatliches Verfahren durchgeführt werden könne. Ungeklärt sei etwa angesichts der zahlreichen weltweiten Abhörskandale durch die Geheimdienste die Frage, ob eine vertrauliche Kommunikation zwischen der Partei und ihm als Verfahrensbevollmächtigter möglich sei. Es bestehe die Gefahr, dass amerikanische Geheimdienste Telefongespräche in Deutschland abhören und diese Daten dann den deutschen Behörden zuleiteten. Daher hat die NPD auch den Beweisantrag gestellt, Snowden als Zeugen zu hören.

Angesichts der breit geführten Debatte darüber, dass Snowden wohl kaum vor europäischen Gerichten oder einem Untersuchungsausschuss im Bundestag aussagen kann, weiß natürlich auch die NPD, dass der Whistleblower wohl kaum -ausgerechnet! - für ihr Verbotsverfahren eine Ausnahme machen wird. Dennoch sei der Verweis auf die weltweite Kommunikationsüberwachung und der Hinweis darauf, "dass die telefonische Überwachung eines Prozessbevollmächtigten mit den Erfordernissen eines fairen Verfahrens kollidiert", auch ohne konkrete Belege dafür zu nennen, "ein intelligenter Gedanke", sagte der Münsteraner Staatsrechtsprofessor Bodo Pieroth Spiegel-Online.

"Offenlegung sämtlicher V-Mann-Akten"

Nach NPD-Justiziar Richter bestehe auch die V-Mann-Problematik fort. Beglaubigungen der Innenminister des Bundes und der Länder, dass Zitate im Verbotsantrag nicht von V-Leuten stammten, reichen der NPD nicht. Die Partei regt zur Überprüfung dieser Beglaubigungen spitzfindig und mit dem Wissen, dass auch das wohl nie geschehen wird, die "Offenlegung sämtlicher V-Mann-Akten" an, so NPD-Pressesprecher Franz. Erfahren wolle man so, ob "sämtliche staatlichen Spitzel aus den Führungsgremien der Partei abgezogen worden sind". Also vermutet die NPD nach dem genauen Studium des Verbotsantrages wohl, dass Zitate eben doch auch von V-Leuten stammen oder solche zumindest noch in der Führungsriege aktiv sein und indirekt Mitverantwortung für jene Belege tragen könnten.

Darf Nationalismus auch sexy sein?

Nach dem Rückzug des früheren Vorsitzenden Holger Apfel aus der Partei, der zwei junge "Kameraden" sexuell belästigt haben soll (vgl. Unseriöse Radikalität), beschert derzeit die ehemalige Pornodarstellerin Ina G. der Partei erneut einen Sex-Skandal.

G. hat als "Kitty Blair" in teils sehr extremen Pornofilmen mitgewirkt und für Agenturen und Clubs gearbeitet, die Gruppensex-Partys organisieren. Doch seit Ende 2013 engagiert sich die junge Frau in Teilen der NPD-, Neonazi- und rechtsradikalen Hooligan-Szene. Nach wochenlanger Debatte in Szenekreisen hat die NPD G. nun wegen ihrer Vergangenheit, u.a. wegen "Rassenschande", zur "unerwünschten Person" erklärt. Nicht nur in Deutschland hat das ihr zahlreiche Medienberichte beschert, sondern auch weltweit, etwa in Großbritannien, Taiwan und der Türkei.