Nach Scholz-Telefonat: Internationales Rotes Kreuz widerspricht Wladimir Putin

Seite 2: Der schleichende Vormarsch der Geheimdienste

Die Ausgangslage ist – in Kurzfassung – so: Auf den russischen Krieg gegen die Ukraine folgten und folgen EU-Sanktionen, die ihrerseits wieder schwere wirtschaftliche und soziale Probleme in der EU provozieren. Nun begehren die Menschen hier auf und fordern womöglich sogar eine Änderung dieser Politik. So weit, so freiheitlich-demokratisch.

Doch an dieser Stelle tritt in Deutschland nun ein neuer Akteur auf die Bühne, der Inlandsgeheimdienst, der sich selbst Verfassungsschutz nennt. Der Vorsitzende dieser Bundesoberbehörde, Thomas Haldenwang, sah bereits Mitte August Extremisten am Werk, die, wie es eine Nachrichtenagentur schrieb, "Kapital aus dem Ukraine-Krieg und seinen Folgen schlagen".

Haldenwang jedenfalls warnte, eine "radikalisierte Minderheit aus Rechtsextremisten, Delegitimierern, Reichsbürgern und Verschwörungsgläubigen" nutze Themen wie den Krieg und steigende Lebenshaltungskosten durch die Inflation, um ihre Klientel zu mehren.

Nun ist nicht zu leugnen, dass Rechtsextremisten wie militante Kameradschaften versuchen, die Krise für ihre Zwecke, die bekanntlich nicht primär in bezahlbaren Energiepreisen bestehen, politisch zu nutzen. Wenn nun aber Geheimdienste, die sich in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg (und auch davor) um die Demokratie selten verdient gemacht haben, als Richter über gute und schlechte Proteste aufschwingen, droht Gefahr von gleich zwei Seiten: von rechten Extremisten – und eben den Geheimdiensten.

Dahinter steht eine zu wenig beachtete Tendenz. Haldenwang selbst belegte schon im August, wie kritisch es für jene werden kann, die ins Visier geraten. Russland setze Instrumente wie Cyberangriffe und Desinformation als hybride Hebel ein, um die Gesellschaft in Deutschland zu spalten, sagte er. Womit Kritiker der Außen- und Energiepolitik per se halb als fünfte Kolonne Moskaus gelten müssen.

Die Geheimdienste behalten sich das Recht vor, künftig grundsätzlich, unmittelbarer und offener in gesellschaftliche Auseinandersetzungen zu intervenieren. Dazu gibt es eine Art neue Abteilung mit dem zungenbrechenden Mandat, den "Phänomenbereich verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" zu bearbeiten.

Wir bei Telepolis finden das nicht so toll. Wir halten uns aber ohnehin für demokratierelevante Delegitimierer von Geheimdiensten. So wie es alle ordentlichen Journalisten sein sollten. Wir bleiben dran!