Nach den Bierwonnen freut sich Bayern auf den nächsten Vollrausch - die Grüko
Seite 2: Das "freundliche Gesicht" Merkels, das man zeigt, also nicht hat
- Nach den Bierwonnen freut sich Bayern auf den nächsten Vollrausch - die Grüko
- Das "freundliche Gesicht" Merkels, das man zeigt, also nicht hat
- "Schuld ist zu einem moralischen Desinfektionsmittel geworden"
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Was nun genau im September 2015 und den Jahren davor tatsächlich hinter dem Vorgang der ganz großen Bühne geschah soll hier vertagt sein. Bleiben wir bei Sicht- und Hörbaren: Das deutsche wie europäische Drama begann, als auf allen Kanälen im CNN-Einflussbereich tagelang nonstop die Budapester Bahnhofsimpressionen übermittelt wurden. Und siehe da, irgendwann hatte die eiserne Kanzlerin genug und überraschte das Publikum mit einer anrührenden und irgendwie authentisch-weiblichen Gefühlsregung.
Als angesichts der nun einsetzenden Wochen der offenen Türe bei manchen Menschen erste Skepsis aufkam, lieferte das Hochamt einen fast warnenden Klartext: "Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen, dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land." Ich dachte kurz an Woody Guthrie, "This land is my land", der ja in der DDR ein hohen Stellenwert hatte.
Doch dann dachte ich über das erwähnte "freundliche Gesicht" nach, das man zeigt. Also nicht hat, sondern macht oder kurz aufsetzt, um beim Käufer der Botschaft so etwas wie Empathie vorzutäuschen. Allemal: Seit jenem Bonmot wird die farbenfröhliche Freiheitsstatue von eben jenem Justemilieu hofiert und angebetet und von einer noch nie dagewesenen medialen Querfront aus selbsternannten Haltungsjournalisten von jeder Realität abgeschottet. Gut bestallte Matrix-Moderatoren im Massanzug widmen sich in seriellen Brennpunkt-Specials seither um das Einordnen und Gewichten des zentralen Narrativs: "Wir schaffen das. Yes we can."
Und wo ich das eben im Cafe überdenke, lese ich, dass der VDZ aus Stern, Spiegel, Focus und sonstigen Magazinnamen Frau Dr. Merkel die "Ehren-Victoria 2018" verleiht. Und zwar für "ihre bisherige politische Gesamtleistung", die "eine offene, reformfähige und stabile Gesellschaft" geschaffen hat. Immerhin haben wenigstens zwei Dutzend europäische Staatenlenker endlich mal einen Grund zur Heiterkeit.
Zurück nach München: Am Grünenplakat beim Elisabethmarkt radeln hübsch ergraute und mild lächelnde Frauen vorbei mit einer Bio-Yogamatte vorne und hinten einem Korb voller Kunstblumen. Was sollen wir sonst wählen - außer grün - in Gottes Namen?, sagen die Mienen
Es ist eigentlich genug gespottet über dieses generationen-übergreifende Milieu der selbstherrlichen Ahnungslosigkeit. Die meisten leben gut und gerne in ihrem potemkinschen Disneyland mit Dritte-Welt-Läden, Öko-Tattoo-Studios, Bartschmuckbarbieren, Radreparateuren, hippen Coffee-To-Go-Hofbäckern, Edelkäseläden und dem üblichen Fairtrade-Ambiente. Die meisten dienen der Gemeinschaft als pfiffige Startupper, Allergie-Experten, Pilateslehrer, Gender-Paar-Psychologen, Heilpraktiker, Medienanwälte, Consulter für echt coole Konzerne, hypersoziale Online-Werber oder Kunst- wie Medienschaffende.
Während sie sich am Nachbartisch ihre Smoothies zurecht quirlen lassen, verteilen sie lässig mehrere Gadgets auf dem Tisch. Das sind teure Tools, lieber Himmel, deren Lithiumbatterien eine höhere Lebensdauer haben als die Kinder, welche die seltenen Erden aus dem chilenischen Morast kratzen. Das flüchtige Wissen über so ärgerliche Themen wie Syrien, Ukraine, Soros, Brüssel und vor allem diese Asylanten beziehen sie aus Taz, Spon, Zeit, SZ, den Tagesthemen, von der seriösen MoMa-Aktivistin Dunja Hayali sowie den personalisierten Kurzshots ihrer Newsfeeds.
Dieses unsortierte und halbherzige Infotainment schafft eine von politischer Ratio befreite grünromantische Gefühligkeit. Tragischerweise aber sorgt genau dieser Kitsch dafür, dass die mürbe und müde Republik zum Privateigentum des Kanzleramts geworden ist.
Monopolisierung von Nächstenliebe, Grenzöffnung und globalisierter Solidarität
Von Katharina Schulze auf dem Plakat weiß man, dass sie für Obama schwärmt und Eleanor Roosevelt für die erste Menschenrechtsaktivistin hält. Darüber hinaus ist sie "gegen Ausgrenzung und Rassismus" sowie für präventive Maßnahmen gegen Rechts. "Ein Stuhlkreis gegen die AfD", so ihre Homepage, "wird aber nichts nutzen. Man muss mit Härte reagieren. Repression volle Kanne!" Nicht wenige klassische Linke sind der FDP im Nachhinein dankbar dafür, dass das Land bislang vor dem Opportunismus machtbesessener Berufsgrüner und ihres treuen Stimmvolks verschont blieb.
Kurz angemerkt: Ich selbst wurde links sozialisiert, verteilte als Schüler marxistische Flugblätter vor Firmenportalen, demonstrierte mit Griechen, Spaniern und Iranern gegen deren Juntas, las u.a. Bloch, Kisch, Guevara und Sartre, sammelte Dylan-Platten, bereiste Polen, Auschwitz und fuhr quer durch die Sowjetunion, sang mit den drei Tornados "Kein AKW in St. Tropez", studierte das Übliche an der Berliner FU und bevorzugte Ströbeles Tunix-Bewegung, spielte mit Fritz Teufel Doppelkopf und mochte die frühen Grünen, damals bei der Mutlanger Mega-Friedenskette.
Und für so eine Welt mit Freiheit, Frechheit, Poesie und Phantasie im Dienst der Revolte, nahm ich, wie so viele andere, manche Karrierebrüche in Kauf. Für das Kreuz bei Schröder&Fischer gab es gute Gründe. Dafür schämen müssen sich höchstens die Gewählten, die im Verlauf der sieben Jahre den linken Humanismus zu eben jenem Justemilieu umbauten und darüber hinaus zum Verfügungsmaterial neoliberaler Kahlschläger.
Zurück zum Herbst 2018: In Ermangelung irgendeines echten Wertes oder wegen mir eines Markenkerns hat sich das ökoliberale Milieu dazu entschlossen, die Migration zu ihrem Fetisch zu erklären. Umflort wird das scheinheilige Relikt von einem Bekenntnisnebel aus Kita-Multikulti, Antifa-Retro, Regenbogenmysthik und Sprengseln des Bergpredigt-Spirits. Den gemeinsamen Nenner dieser Erlösungssekte bildet mittlerweile nur noch ein gebetsmühlenhaftes "Gegen Rechts!" Wer was werden will hierzulande, beginnt am besten jeden Satz damit und jazzt ihn hoch zu einem als hochriskant erscheinenden Bekenntnis. Aus der Selbstverständlichkeit, sich weder Hitler noch den Holocaust zurück zu wünschen, machen die Logenhocker des Justemilieu das Spektakel eines permanenten Bastillesturms.
Doch worin wurzelt diese fanatische Berufung auf die höhere Moral und diese befremdliche Monopolisierung von Nächstenliebe, Grenzöffnung und globalisierter Solidarität? Was genau kettet speziell die Borderline-Grünen an den Mythos eines neuen und gereinigten Weltbürgers?