Nach der Klimakonferenz ist vor der Klimakonferenz

Seite 3: Billionen für den Umbau des Energiesystems

In dieser Woche möchten die zukünftigen Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag vorstellen. Die taz fragt angesichts dessen: "Schafft die Ampel die 1,5 Grad?" Es wäre ein Wunder, ist man versucht zu antworten, denn keine der drei Parteien hatte ein ausreichendes Wahlprogramm zur Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze. Und auch keine andere Partei. Kaum zu glauben, dass die Parteien nun alle gemeinsam über sich selbst hinauswachsen.

Einen Plan hat zumindest der Fraunhofer ISE, und zwar zu einem klimaneutralen Energiesystem bis 2045. In der Veröffentlichung "Wege zum klimaneutralem Energiesystem" hat das Institut berechnet, wie Deutschland bis zum neuen Zieljahr 2045 die Klimaneutralität erreichen könnte.

Das vorgezogene Ziel führt auch dazu, dass die verbleibenden Emissionen insgesamt geringer ausfallen dürfen und die Marge für fossile Energieträger sinkt. Insgesamt kommt das ISE zu der Einschätzung, dass das machbar ist. Von heute bis 2045 müssten dafür jährlich 19 bis 23 Gigawatt Windenergie und Photovoltaik neu installiert werden, sodass sich die Leistung bis 2045 verfünft- bis versiebenfachen würde.

Die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern müsste bereits bis 2030 signifikant reduziert werden. Durch Sektorkopplung und Elektrifizierung könnten Verluste bei der Umwandlung von Energie reduziert werden. Um den fluktuierenden Energiequellen gerecht zu werden, muss das Energiesystem insgesamt flexibilisiert werden. Großkraftwerke sind dafür ungeeignet, hochflexible Kraftwerke könnten mit synthetischem Methan, Biogas oder Wasserstoff betrieben werden. Zudem bedürfte es größerer Kapazitäten von Batteriespeichern und Pumpspeichern.

Auch wenn die Kapazitäten zur Elektrolyse in Deutschland erheblich ausgebaut werden sollten, setzt das Institut auch auf Importe von Strom und von mittels erneuerbaren Energien hergestellten synthetischen Energieträgern aus dem Ausland. Der prognostizierte Bedarf schwankt stark je nach Szenario zwischen 250 Terawattstunden und 950 Terawattstunden.

"Insbesondere ein Festhalten an der Nutzung gewohnter verbrennungsbasierter Techniken zur Wärmeversorgung und Fortbewegung (Szenario Beharrung) resultiert in der Notwendigkeit großer Importmengen synthetischer Energieträger", heißt es hier.

Für den Umbau des Energiesystems werden hohe Investitionskosten nötig sein, nämlich zwischen einer und 3,3 Billionen Euro. Werden jedoch Umweltkosten berücksichtigt, könnten so wiederum Kosten durch Klimaschäden von bis zu einer Billion Euro eingespart werden. Wenn der Umbau des Energiesystems im Jahr 2045 weitgehend abgeschlossen wäre, würden auch die Investitionskosten wieder erheblich sinken.