Nahles zur SPD-Parteichefin gewählt
Das Ergebnis von 66 Prozent ist weitaus schlechter als von ihrem Vorgänger Schulz, aber besser als in Umfragen. Ob sie die Partei auf neuen Kurs bringt?
Andrea Nahles ist wie erwartet zur neuen Parteivorsitzenden der SPD gewählt worden. Insgesamt stimmten 414 Delegierte des Sonderparteitages, der extra für die Wahl angesetzt worden war, für Nahles. Auf ihre Konkurrentin Lange entfielen 172 Stimmen.
Nahles Ergebnis entspricht rund 66 Prozent der Stimmen und ist damit "ein Stück weit", wie Politiker gerne sagen, vom 100-Prozent-Ergebnis von Martin Schulz im Frühjahrshoch letztes Jahr entfernt.
Nahles ist keine Hype-Figur, kein Schulz und gehörte auch nicht zu den Agenda-2010-Niedriglohnland-Designern um Schröder wie etwa Steinmeier - womit ein paar Punkte angedeutet sind, die Hoffnungen begründen könnten, dass sie die SPD mit Geduld und Ausdauer auf einen Kurs bringen könnte, der mit durchdachten Programmen mehr Wähler in Deutschland anspricht.
Die Umfragewerte der SPD sehen miserabel aus: Bei Allensbach, Emnid, Forsa, Forschungsgruppe Wahlen u. a. landet sie sämtlich bei Werten unter 20 Prozent. Bei der Sonntagsfrage erhielt die SPD 19%, 18%, bei Infratest Dimap sogar bei 17%. Die Umfrage zur Landtagswahl in Brandenburg stellt eine Entwicklung vor Augen, wo die SPD gleichauf mit der CDU bei weit unter 30 Prozent, nämlich 23 Prozent, liegt und die AfD mit den beiden Volksparteien mit 22 Prozent auf gleicher Höhe ist. Wenn es um die AfD geht, dann wird Andrea Nahles kämpferisch:
Es geht um nichts weniger als um den Erhalt unserer eigenen Demokratie.
Andrea Nahles
Geht es nach der ARD-Deutschland-Trend-Umfrage vom vergangenen Freitag, so ist das Vertrauen darin, dass Nahles die SPD wieder nach vorne bringt, nicht gerade ausgeprägt. Die Mehrheit, nämlich 47 Prozent der Befragten, ist der Meinung, dass sie dazu nicht in der Lage ist. Lediglich 31 Prozent vertrauten darauf, dass sie die SPD "einen kann und nach vorne bringen".
Die SPD-Anhänger unter den Befragten werden von der Tagesschau als optimistischer bezeichnet. "Die Hälfte von ihnen denkt, dass sie die Partei aus ihrer schwierigen Lage herausführen kann." So gesehen zeugt das Ergebnis von 66,35 Prozent bei der Abstimmung auf dem Sonderparteitag von einem fast schon sprudelnden Optimismus.
Der tiefe Fall der Volkspartei SPD hat, wie es Kritiker seit Jahren betonen, mit der erwähnten Agenda zu tun, welche die Substanz der Partei, ihre ausgestellte Kern-Kompetenz "soziale Gerechtigkeit", untergrub. Es folgte die Abtrennung der Linken in der Partei und ein langsamer Abstieg bei der Attraktivität für die Wähler.
Ob Nahles an der Antriebs-Schraube für eine SPD drehen kann, die auf dem Weg ist zu einer bessere sozialen Politik und die überzeugendere Zukunftskonzepte hat? Zwar gehört Nahles nicht zu den Architekten der Hartz-IV-Pakete, aber sie hat die Reformen gutgeheißen.
Zu den Plänen zur Erneuerung der SPD, über die Anfang April berichtet wurde, gehört, dass die SPD auch die Agenda-2010-Reformen überprüfen wolle - und ob deren Ansätze noch den "heutigen Gerechtigkeitsvorstellungen entsprechen". Ob sich Nahles an dieses Erbe von Schröder, Steinmeier und Gabriel wagt?
Als mögliche neue Konzepte für programmatische Erneuerung der SPD werden genannt: das solidarische Grundeinkommen und eine eigenständige Kindergrundsicherung. Die SPD müsse die Partei sein, die einen "solidarischen Ordnungsrahmen für die Digitalisierung" schafft, zitiert die Zeit aus Nahles Rede beim Sonderparteitag. Die SPD-Parteivorsitzende verspricht:
"Man kann eine Partei in der Regierung erneuern, diesen Beweis will ich ab morgen antreten."