Nancy Faeser geht an Grenzen: Aktionismus mit flexiblem Inhalt

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)

Bundesinnenministerin Faeser will "europarechtskonforme Zurückweisungen". Österreich stellt sich bislang quer. Foto: Alexandros Michailidis / Shutterstock.com

Es wahlkämpfet sehr. Mit Grenzkontrollen ganz vorn dabei: die Bundesinnenministerin. Welches Muster dabei erkennbar ist. Ein Kommentar.

Wer erinnert sich nicht an die Großdemonstrationen gegen Rechts Anfang des Jahres, nachdem publik geworden war, dass sich AfD-Politiker und andere Rechte in Potsdam getroffen hatten, um über Möglichkeiten der "Remigration" zu diskutieren?

Eine Zentralfigur des berüchtigten Treffens war der österreichische Identitäre Martin Sellner; und als Hunderttausende nach Bekanntwerden der Zusammenkunft gegen die Pläne der Teilnehmer demonstrierten, waren prominente Parteifreunde von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ganz vorn mit dabei.

Ein sehr breites Bündnis sollte das sein; "Wir sind die Brandmauer", hieß es auf den Großdemos – und linke Mitorganisatorinnen wie Aktivisten, die es wagten, dort auch die Regierungspolitik zu kritisieren, wurden teils heftig diffamiert.

Faeser schien eine Zeit lang hart gegen Rechtsextreme durchgreifen zu wollen – unter anderem versuchte sie dies mit dem inzwischen vorerst gescheiterten Verbot des Magazins Compact – während sie sich in der Asyldebatte inhaltlich auf rechte Positionen zu bewegte.

Macht Faeser Rechte nackt und ideenlos?

Am Montag kommentierte Martin Sellner persönlich die Meldung, dass Faeser nun Kontrollen an allen deutschen Grenzen angeordnet habe, mit: "Nächster Schritt: Remigration". Wenig später schob er auf der Plattform X nach, ein "Einlenken der Eliten in Richtung Grenzkontrolle und etwas Law and Order" sei absehbar gewesen. "Die Rechten, die nicht weitergedacht haben, stehen jetzt nackt und ideenlos da."

Sowohl Linke als auch manche Mitglieder von SPD und Grünen haben diese vermeintliche Strategie im Kampf gegen Rechts scharf kritisiert: die Übernahme rechter Positionen, um bekennenden Rechten das Wasser abzugraben.

Allzu wahlkämpferisch wirkte auch die Abschiebung von 28 Straftätern aus Afghanistan kurz vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. Statt es Faeser und der Ampel-Regierung zu danken, skandalisierten Rechte erwartungsgemäß, dass die Abgeschobenen jeweils ein Handgeld in Höhe von 1.000 Euro zur Sicherung des Existenzminimums in der Übergangszeit erhalten hatten – einen Betrag von dem sie zwar in Deutschland nicht lange hätten leben können, der aber in Afghanistan mindestens einem Jahresgehalt entsprechen soll.

Von AfD und Merz-CDU getrieben

Faeser scheint dennoch darauf zu setzen, dass die Ampel-Parteien wieder mehr Stimmen bekommen, wenn sie sich in Sachen Migrationspolitik von der Merz-CDU und mindestens indirekt auch von der AfD treiben lassen. Innerhalb der Ampel ist es der kleinste, aber selbstbewusste Koalitionspartner FDP, der diesen Kurs befeuert.

Erst am Freitag hatte der FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner erklärt: "Es darf in Sachen Migration keine Denkverbote geben. Das kann auch heißen, dass wir internationales, europäisches oder deutsches Recht ändern müssen. Und wenn es nötig sein sollte, das Grundgesetz zu ändern, sind wir gesprächsbereit." Am Montag kündigte Faeser neben den Grenzkontrollen vorerst ein Modell für "europarechtskonforme Zurückweisungen" an deutschen Grenzen an.

Zurückweisungen an Grenzen: Rechnung ohne das Nachbarland

Nun weigert sich aber Österreich, von Deutschland zurückgewiesene Asylsuchende aufzunehmen. "Österreich wird keine Personen entgegennehmen, die aus Deutschland zurückgewiesen werden. Da gibt es keinen Spielraum", sagte Österreichs konservative Innenminister Gerhard Karner am Montag der Bild und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Faesers Agieren wirkt hier ähnlich "durchdacht" wie im Fall des juristisch alles andere als wasserdichten Compact-Verbots. Das ultrarechte Magazin darf nach einer Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorerst wieder erscheinen – und im Hauptsache-Verfahren könnte es 2025 schwieriger werden, das Verbot zu begründen, wenn ehemals provokante Forderungen des Magazins inzwischen Regierungspolitik sind.

Compact-Gründer Jürgen Elsässer müsste inzwischen jedenfalls nicht mehr Polizei und Bundeswehr auffordern, eigenmächtig "die Grenzen zu sichern", wie er es in Folge der Fluchtbewegungen auf der Balkanroute von 2015 getan hatte.

Sellner wittert unterdessen Morgenluft und geht davon aus, dass Rechte, die "weitergedacht haben", die bürgerlichen Parteien auch weiter vor sich her treiben können. Eine Bundesinnenministerin, die derart aktionistisch reagiert, gibt ihm und seinesgleichen allen Grund zur Hoffnung.