Nanopartikel sind Gestaltwandler
In der Zwergenwelt der Nanotechnologie herrschen ganz eigene, verwirrende Gesetze. Wissenschaftler haben jetzt entdeckt, dass die Gestalt von Nanopartikeln durch Wechselwirkung mit ihrer Umgebung verändert werden kann
In der aktuellen Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature berichten Hengzhong Zhang, Benjamin Gilbert, Feng Huang und Jillian F. Banfield von der von der University of California at Berkeley von den verblüffenden Eigenschaften der Nanoteilchen.
Sie stellten fest, dass Zinksulfid-Partikel mit einem durchschnittlichen Durchmesser von 3 Nanometern (ein Nanometer entspricht einem Millionstel Millimeter) die Anordnung ihrer atomaren Bausteine verändern, wenn das sie umgebende Milieu sich ändert. Das Team aus Physikern, Chemikern und Mineralogen stellte in Methanol aus dem Halbleitersubstanz Zinksulfid Teilchen her, die jeweils ungefähr 700 Atome beinhalteten. Die winzigen Partikel hatten eine eingedellte Oberfläche und eine relativ ungeordnete innere Struktur. Als die Forscher anschließend bei Zimmertemperatur die Oberfläche mit Wasser benetzten, veränderte sich die gesamte kristalline Struktur, es entstand mehr Ordnung und eine glattere Hülle. Durch diese Synthese ergeben sich auch neue Eigenschaften. Die Nanopartikel sind danach der üblichen Struktur von Zinksulfid ähnlicher.
Die Nanowelt ist ganz anders als unsere normale Realität, es herrschen dort Gesetze, die bisher nur teilweise verstanden werden. Gleichzeitig verspricht sie eine Revolutionierung herkömmlicher Medizin und Technik. Nanoelektronische Geräte in der Größe von Molekülen sind eines der Ziele, an dem international intensiv geforscht wird (vgl. Erster Nanorotor gebaut), aber natürlich auch militärische Anwendungen wie zum Beispiel leichte schussfeste Kampfanzüge (vgl. Nanotechnologie für das Militär).
Inzwischen gibt es aber auch viele kritische Stimmen, die darauf hinweisen, dass diese Zukunftstechnologie, die molekulare Fertigung, intelligente Werkstoffe und eine maximale Miniaturisierung verheißt, gesundheitliche Risiken beinhaltet. Nanoteilchen haben völlig andere Eigenschaften als ihre "großen Brüder" aus identischem Material und durch ihre Winzigkeit können sie problemlos in den menschlichen Körper eindringen. Wie giftig oder zerstörend sie dort wirken, kann bisher nur vermutet werden (vgl. Je kleiner, desto giftiger). Die absolute Horror-Vision hat der Bestseller-Autor Michael Crichton zu Papier gebracht: Nano-Maschinen entkommen aus einem militärischen Forschungslabor, reproduzieren sich selbst und bilden Schwärme, um Menschen anzugreifen (vgl. Die Angst des Lesers vor der Nanotechnologie).
Die Erkenntnisse der Gruppe um Zhang verdeutlichen erneut, dass die Regeln der Nanowelt seltsam und vertrackt sind. Wenn ein Material in kleinste Teile zerschnitten wird, vergrößert sich die Oberfläche jedes einzelnen Stückchens im Verhältnis zur Oberfläche des Elternkörpers. Die Nanopartikel haben sozusagen mehr Hautfläche und sind deshalb empfindlicher, wenn sich etwas um sie herum verändert. Eine substanzielle Umstrukturierung der Teilchen als Reaktion auf verschiedene Umgebungen war vorher bereits vermutet, aber nie bewiesen worden.
Die neue Studie zeigt, dass eine umfassende Kontrolle aller Bedingungen gegeben sein muss, um zuverlässig mit Nanotechnologie arbeiten zu können und Wechselwirkungen auszuschließen. Der Autor Benjamin Gilbert meint dazu
Das hat eine gute und eine schlechte Seite. Wenn wir die Struktur eines Nanopartikels durch seine Oberfläche kontrollieren können, ist zu erwarten, dass es uns möglich ist, eine ganze Reihe von Strukturen zu schaffen, abhängig von den an der Oberfläche gebundenen Molekülen. Aber es könnten auch unerwartete Effekte auftreten, die von den Forschern nicht gewollt sind.
Das Team ist überzeugt, dass diese Art der Reaktion nicht nur für Zinksulfid, sondern auch für Nanopartikel gleicher Größe aus anderen Materialien typisch ist.
Diverse Anwendungen der Methode sind denkbar. Umweltsensoren könnten prüfen, in welcher Umgebung sich ein Teilchen gerade befindet. In der Paläontologie könnte sie dazu dienen zu definieren, ob Einschlüsse in Fundstücken ursprünglich biologisch oder geologisch entstanden ist. Auch in der Weltraumforschung wäre ein Einsatz sinnvoll, zum Beispiel bei der genauen Analyse von Meteoriten oder bei der Untersuchung von Staubkörnern, die Roboter auf anderen Planeten einsammeln, um sie zur Erde zu bringen. Hengzhong Zhang geht davon aus, dass extraterrestrisches Gestein uns künftig genaue Auskunft darüber geben wird, in welcher Art von Umwelt es sich befunden hat und uns vor allem verraten wird, ob es dort Wasser gab.