Nato-Beitritt Finnland: 1.300 Kilometer Grenze zu Russland kommen dazu
Der Ton zwischen Russland und dem Westen wird konfrontativer. Reaktionen auf die Vergrößerung des westlichen Bündnisses.
Heute wird zum ersten Mal die finnische Flagge im Nato-Hauptquartier gehisst. Die Aufnahmezeremonie passt gut getimt zum Jahrestag der Nato-Gründung. Damit vergrößert sich die Grenze zwischen der Nato und Russland erheblich, um mehr als das Doppelte. "Rund 1.300 Kilometer kommen dazu", so die Tagesschau.
Auch über die Beziehungen der Ukraine zur Nato soll heute beim Treffen gesprochen werden: "Ob die Ukraine Nato-Mitglied werden kann und wann das überhaupt möglich ist - dieses alte Streitthema soll heute in Brüssel neu aufgerollt werden." Realistisch sei eine Aufnahme allerdings zum jetzigen Zeitpunkt nicht, so das ARD-Nachrichtenflaggschiff. Es werde vielmehr um Vertiefungen der Beziehungen gehen: "eine Annäherung an westliche Militärstandards und eine Unterstützung beim Kampf gegen die Korruption".
Verhandlungen und Stärke auf dem Schlachtfeld
Man setze weiter auf militärische Unterstützung, bekräftigte Nato-Generalsekretär Stoltenberg, da die Position der Ukraine an einem Verhandlungstisch "untrennbar mit ihrer Stärke auf dem Schlachtfeld verbunden" sei. Um sicherzustellen, dass die Ukraine von einer Verhandlungslösung profitiere, so der scheidende Nato-Generalsekretär gegenüber Radio Free Europe/Radio Liberty müssten die Verbündeten der Ukraine die notwendige militärische Hilfe leisten.
Die englisch-sprachige Ausgabe der russische Nachrichtenagentur Tass setzte Aussagen von Stoltenberg heute Vormittag ganz nach oben. Zwei Aussagen wurden hervorgehoben: Einmal, dass es Nato-Truppen in Finnland nicht ohne finnische Zustimmung geben würde. Das sei eine Entscheidung des Landes. Zum anderen wird Stoltenbergs Bekräftigung zitiert, dass Finnland mit seinem Nato-Beitritt über Artikel 5 des Washingtoner Vertrags eine "eiserne Sicherheitsgarantie" erhalten werde.
Kreml: "Nato-Erweiterung Bedrohung für unsere Sicherheit"
Abgelöst wurde Stoltenberg dann als Top-Artikel zum Nato-Beitritt Finnlands von der Ankündigung des Kreml-Sprechers Dmitri Peskow, dass Gegenmaßnahmen folgen werden.
Der Kreml ist der Ansicht, dass dies eine weitere Eskalation ist und dass die Nato-Erweiterung eine Bedrohung für unsere Sicherheit und die Interessen der Russischen Föderation darstellt. (…) Wir werden Gegenmaßnahmen ergreifen, um unsere eigene Sicherheit sowohl taktisch als auch strategisch zu gewährleisten.
Dmitri Peskow, Tass
Wie die Gegenmaßnahmen ausfallen, ließ Peskow offen. Das hänge von der Einschätzung der Lage ab. Man werde die Entwicklungen in Finnland genau beobachten, das Militär werde die politische Führung informieren. Das besondere Augenmerk richtet sich darauf, ob die Nato Waffen, Systeme und Infrastruktur "in der Nähe unserer Grenze" stationieren werde – "was eine potenzielle Bedrohung für uns darstellen könnte".
Der Diplomat fügte dem hinzu, dass Finnland nie anti-russisch gewesen sei, man nie Streit mit Finnland gehabt habe - anders mit der Ukraine, weswegen sich die Situation in Finnland wesentlich von der Situation in der Ukraine unterscheide. Eine Aussage, die sich gegen Spekulationen und Befürchtungen richtet, wonach Russland Finnland militärisch angreifen könnte.
Lawrow: "Mit Europa hart ins Gericht gehen"
Der Ton zwischen den westlichen Bündnissen, Nato und EU, und Russland ist konfrontativer geworden. Der russische Außenminister Lawrow wird heute von der FAZ mit den Worten zitiert, dass die Regierung in Moskau die Absicht habe, mit Europa hart ins Gericht zu gehen, wenn es nötig sei. Als Begründung erfährt der Leser dazu, dass Europa das "kriminelle Regime" in Kiew mit Waffen und Ausbildern beliefere.
Als Antwort auf feindselige Schritte werden wir, wenn nötig, auf der Grundlage der nationalen Interessen Russlands und der in der diplomatischen Praxis akzeptierten Prinzipien der Gegenseitigkeit hart durchgreifen.
Sergej Lawrow, FAZ
Europa habe Russland verloren, wird Lawrow weiter zitiert, da EU-Mitgliedsländer und die Staats- und Regierungschefs der EU offen erklären würden, dass man Russland eine strategische Niederlage zufügen wolle.
Dies folgt Aussagen, die am vergangenen Wochenende in deutschen Medien zur Aktualisierung der Richtlinien der russischen Außenpolitik (Dokument in Englisch) wiedergegeben wurden (siehe zum Beispiel: Kreml: Westen eine "existenzielle" Bedrohung).
Multipolares Entwicklerbad
In dem Papier ist von der Unterstützung einer multipolaren Ordnung die Rede, die als Gegengewicht zur westlichen Dominanz gefördert werden soll. Das Schwergewicht der neuen Ausrichtung liegt auf dem östlichen asiatischen Raum, der wirtschaftlich prosperiert.
Interessant ist die prominente Rolle, die im Papier nicht nur China, sondern auch Indien und dem Mittleren Osten zukommt. Spannungen sind zu erwarten:
Die Luftstreitkräfte Indiens und der Vereinigten Staaten planen gemeinsame Übungen, zu denen Japan als Beobachter eingeladen worden ist. Die indischen Medien bringen die Übung mit den Spannungen an der Grenze zu China in Verbindung. Die Übungen werden als Warnung an China gesehen, dass Indien nicht allein ist.
Presseschau, Tass
Dass sich angesichts der außenpolitischen Unterscheidung Bidens zwischen demokratischen und autoritären Staaten, die einer Polarisierung zuspielt, schwierige Fragen stellen, kann man auch in kritischen US-Publikationen nachlesen.