Nato-Norderweiterung: Ankara gibt grünes Licht für Finnland, aber nicht für Schweden
Vermutlich doch kein Doppelbeitritt: Erdogan nutzt schwedischen Aufnahmewunsch weiter für Einmischung in die Innenpolitik des Landes. Finnlands Beitritt könnte am Dienstag besiegelt werden.
Dem Nato-Beitritt Finnlands steht nichts mehr im Weg: Als letzter Mitgliedsstaat stimmte am späten Donnerstagabend auch die Türkei dafür. Eine Mehrheit im türkischen Parlament votierte um kurz vor Mitternacht (Ortszeit) für die Aufnahme. Somit sind nur noch Formalitäten zu erledigen, ehe Finnland zum 31. Nato-Mitglied werden kann. 28 der 30 bisherigen Mitgliedsstaaten hatten schon vor längerer Zeit dafür gestimmt – Ungarn dann am Montag dieser Woche.
"Finnland ist nun bereit, der Nato beizutreten", schrieb der Präsident des nordischen Landes, Sauli Niinistö unmittelbar nach der türkischen Abstimmung auf Twitter. Ohne die Türkei explizit zu nennen, dankte er allen 30 Nato-Mitgliedern für ihr jeweiliges Vertrauen und die Unterstützung. Sein Land werde ein starker und fähiger Bündnispartner sein. Auch Ministerpräsidentin Sanna Marin sprach via Twitter ihren Dank aus.
Beide erklärten zudem ihre Unterstützung für den Beitritt des Nachbarlandes Schweden, der momentan noch am türkischen Vorbehalt scheitert. Die Politik des Landes ist dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan immer noch zu prokurdisch – obwohl im Zuge der Beitrittsverhandlungen bereits kurdische Aktivisten aus Schweden an die Türkei ausgeliefert wurden.
Ankara wirft Schweden vor, unzureichend gegen "Terrororganisationen" wie die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorzugehen, und kritisiert, dass weitere Auslieferungsgesuche nicht beantwortet würden. Zudem beschwerten sich türkische Diplomaten und Regierungskreise mehrfach über Kundgebungen und Demonstrationen, auf denen in Schweden Kritik an Erdogans Politik geäußert wurde.
Schwedens Außenminister Tobias Billström hatte Anfang des Jahres in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Anadolu in Aussicht gestellt, ein Gesetz zu schaffen, das beispielsweise das Mitführen von PKK-Flaggen auf Demos unter Strafe stelle. Die PKK als Organisation ist in Schweden bereits verboten. Ministerpräsident Ulf Kristersson stellte jedoch kurz nach Billströms Aussage klar: "Flaggeschwenken allein wird keine Straftat sein. Das Flaggenschwenken kann allerdings ein Zeichen dafür sein, dass jemand einer Terrororganisation angehört."
Schwedens Bereitschaft, die türkische Einmischung in die Innenpolitik des skandinavischen Landes hinzunehmen, geht der islamisch-ultranationalistischen Koalition in Ankara daher offenbar noch nicht weit genug. Auch Ungarn hat den schwedischen Beitritt noch nicht ratifiziert und monierte zuletzt schwedische Aussagen zum Thema Rechtsstaatlichkeit und Korruption.
Nato-Norderweiterung statt Nato-Osterweiterung
Die Möglichkeit eines Regierungswechsels in Finnland, das am Sonntag ein neues Parlament wählt, dürfte keine Auswirkung auf den Nato-Beitrittsprozess haben. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gibt es im Land eine breite Mehrheit für ein Ende der jahrzehntelangen Neutralitätspolitik.
Ein wesentlicher Grund für diese Einigkeit ist die rund 1340 Kilometer lange Grenze zu Russland. Im vergangenen Mai hatte sich Finnlands Regierung gemeinsam mit der schwedischen entschlossen, die Nato-Mitgliedschaft zu beantragen. Gewissermaßen hat die Putin-Administration in Moskau mit der Ukraine-Invasion, die aus ihrer Sicht der Nato-Osterweiterung einen Riegel vorschieben sollte, erst die Nato-Norderweiterung auf die Agenda gesetzt.
Ob und wann die Türkei und Ungarn auch grünes Licht für Schwedens Nato-Beitritt geben, ist unklar. Stockholm hofft, dass dies bis zum nächsten Nato-Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius im Juli der Fall sein könnte.
Finnland dagegen könnte nach der Zustimmung der Türkei, die Präsident Recep Tayyip Erdogan bereits vor knapp zwei Wochen angekündigt hatte, schon in der kommenden Woche Nato-Mitglied werden. Noch ausstehende Formalitäten sollten in den nächsten Tagen erledigt werden, sagten mehrere Diplomaten vor der türkischen Abstimmung der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Die Aufnahme könnte dann bereits beim Nato-Außenministertreffen am kommenden Dienstag und Mittwoch besiegelt werden.
Nach Nato-Angaben muss die Türkei die Ratifizierung des Beitrittsprotokolls noch offiziell dem US-Außenministerium melden. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kann Finnland dann offiziell zum Beitritt einladen. Wenn Finnland die Einladung formell annimmt und die entsprechenden Dokumente hinterlegt, wird es offiziell Mitglied.
Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson hatte schon Mitte März signalisiert, dass er nicht unbedingt den zunächst angestrebten Doppelbeitritt bevorzugt, wenn sich dadurch die Aufnahme beider Länder verzögern würde: Sollte Finnlands Beitrittsprotokoll zuerst ratifiziert werden, dann sei auch Schweden sicherer vor russischer Einflussnahme als mit einem Finnland außerhalb der Nato, hatte Kristersson erklärt.