Nato stellt sich hinter die Türkei
Griechenland verstärkt den Grenzschutz, die EU ist in Panikmodus wegen der angedrohten Flüchtlingswelle in Zeiten der Coronavirus-Epidemie
Der türkische Präsident Erdogan hätte den Zeitpunkt für einen Gegenschlag gegen die syrischen Truppen und die Konfrontation mit Russland in Idlib, um die von der Dschihadistengruppe HTS kontrollierte und von türkischen Stützpunkten bewachte "Rebellenhochburg" zu verteidigen, nicht besser wählen können. Wieder spielt er die Interessen von Russland und der Nato gegenseitig aus und setzt gleichzeitig mit der Androhung, nun Millionen von Flüchtlingen Richtung Europa zu schicken. Erschwerdend kommt hinzu, dass angeblich israelische Kampfflugzeuge syrische Stellungen an der Grenze bei den Golanhöhen angegriffen haben. Zuvor soll bereits eine israelische Drohne einen Menschen in Quneitra getötet haben.
Die EU ist in Panikmodus, wenn nun zur sich hochschaukelnden Coronavirus-Epidemie noch Flüchtlinge über Bulgarien und vor allem Griechenland, wo es auch die ersten Erkrankten gibt, in die EU kommen. Es werden schon erste Bilder lanciert, die Flüchtlinge auf dem Weg zur Grenze zeigen sollen. Der Oberkommandeur der griechischen Streitkräfte, Generalleutnant Konstantinos Floros befindet sich bereits in Evros an der türkischen Grenze, um die Bemühungen zu koordinieren, die Landgrenze zu sichern, wo Griechenland bereits eine Mauer gebaut hatte.
Nachdem Angriffe von syrischen Kampfflugzeugen 33 türkische Soldaten getötet hatten, reagierten die türkischen Streitkräfte mit Gegenangriffen auf syrische Stellungen und Verbände mit Artillerie und Kampfdrohnen. Während Damaskus berichtet, dass die syrische Armee weiter gegen die "Terroristen" in Idlib vorrücken, melden die türkischen Streitkräfte, sie hätten dieser schwere Verluste zugefügt und hunderte Soldaten getötet. Zum Beleg werden u.a. Videos vorgelegt, die zeigen sollen, wie Kampfdrohnen Panzer und Fahrzeuge vernichten.
Dass über dem Gebiet türkische Drohnen offenbar unbehelligt fliegen können, zeigt, dass Russland taktiert. Zwar heißt es, was Ankara bestreitet, es seien keine Informationen über die Bewegung von türkischen Truppen übermittelt worden, aber russische Kampfflugzeuge seien nicht an dem Angriff beteiligt gewesen, betont das russische Verteidigungsministerium. Die Türkei suchte gleich Rückhalt bei der Nato, wo eine Sondersitzung beantragt wurde. Ein Treffen zwischen der Türkei und Russland findet am Nachmittag statt, Putin und Erdogan haben miteinander vor kurzem telefoniert. Nach dem Kreml gab es keine großen Durchbrüche. Es sei die Besorgnis über die Eskalation der Spannungen in Idlib gesprochen, eine bessere Koordinierung der Verteidigungsministerien und ein mögliches Treffen der Präsidenten gesprochen worden.
Die Beistandspflicht der Nato nach Art. 5 kann die Türkei nicht anfordern, da die türkischen Soldaten sich auf syrischem Territorium befanden, aber die Türkei erklärt, der Angriff sei nicht nur gegen die Türkei, sondern auch gegen die Nato erfolgt. In Verbindung mit dem Öffnen der Grenze scharen sich die Europäer hinter der Türkei gegen Syrien/Russland und letztlich in Unterstützung der dschihadistischen HTS, früher die al-Qaida-Fraktion al-Nusra.
Ganz vorne dabei ist der deutsche Außenminister, der bekundet: "Es fällt zunehmend schwerer, das menschliche Leid in Idlib in Worte zu fassen. Deutschland ruft das syrische Regime und Russland auf, diese Stimmen zu hören. Als Konfliktparteien stehen sie in der Pflicht, die Zivilbevölkerung zu schützen." Dabei wird weder die Türkei als Konfliktpartei genannt noch die Dschihadisten. Gestern erklärte er im UN-Sicherheitsrat: "Willkürliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Idlib sind Kriegsverbrechen."
Die Türkei fordert wieder einmal die Einrichtung einer Flugverbotszone, um Idlib und die mit der Türkei verbündeten HTS-"Rebellen" als türkische Enklave zu schützen. Vorwand ist auch hier der Schutz von Zivilisten. Nato-Generalsekretär Stoltenberg sagte nach der Sondersitzung, die Nato stehe solidarisch hinter der Türkei, die am meisten unter Terroranschlägen gelitten hat und Millionen Flüchtlinge beherbergt. Die Luftangriffe des "syrischen Regimes" und Russlands werden verurteilt. Stoltenberg rief Syrien und Russland zur Beendigung der Offensive und zur Beachtung der internationalen Abkommen auf. Die gefährliche Situation müsse deeskaliert und eine Rückkehr zum Waffenstillstandsabkommen von 2018 zurückgekehrt werden. Der Zugang für humanitäre Hilfe nach Idlib müsse gewährleistet sein. Die Nato unterstützt die Türkei auch militärisch und wird die Luftverteidigung stärken, kündigte Stoltenberg an.