Neonazis im Internet

Ist das Netz auch ein Werkzeug des "nationalen Widerstandes"?

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Was das Politikforum dol2day (s.a. Da geht der Punk ab) gerade erlebt, hat offenbar Methode. Wie systematisch die Rechtsradikalen im Internet inzwischen nämlich vorgehen, beschreibt eine Kennerin der Neo-Naziszene, Margret Chatwin, in einem Text, der hier nachgelesen werden kann. Demnach verabreden Neonazis mittlerweile sogar "überfallartige Angriffe auf die Diskussionsforen der ,Systempresse' und der Parteien".

Um die Vorgehensweise zu dokumentieren, hat Chatwin zusätzlich ein Papier veröffentlicht, das Anfang Juli in mehreren rechtsradikalen Webforen zu finden gewesen ist. Unter dem Titel "Werkzeug des nationales Widerstandes" beschreiben die Verfasser unter anderem ihren Versuch, eine Online-Diskussion des Magazins Stern über rechte Gewalt zu unterwandern oder zumindest erheblich zu stören:

"In der 3ten Juni-Woche diesen Jahres startete der Stern auf ihrer Heimseite anläßlich des Todes eines afrikanischen Gastes durch Skinheads eine Forums-Diskussion unter dem Motto ,Stoppt den braunen Mob'. Innerhalb kürzester Zeit sprach sich dieses im nationalen Netzwerk herum und ca. 30 Kameraden beteiligten sich in der einen oder anderen Weise an dieser Diskussion. Anfangs reagierten die Moderatoren des Stern-Forums noch recht prüde mit der sofortigen Löschung der nationalen Beiträge, was aber aufgrund der Masse schnell zu einer Last derer wurde." usw. usw.

Am Schluss dieses Papiers werden dann praktische Tipps gegeben, wie man sich als "Kamerad" in Foren verhalten und bewegen soll, und einige "interessante" Netzadressen genannt. - Auch der jetzt gerade aktuelle Versuch das Politikforum "dol2day" zu unterwandern, um dort unter anderem die neugegründete rechte Online-Partei "FUN" zu unterstützen, scheint durchaus planmäßig zu erfolgen.

Dennoch setzen die Betreiber des Forums weiterhin auf die Kraft des Wortes. Obwohl bei dem Versuch, sagt der dol2day-Mitinitiator Arash Yalpani, "wirklich hochkarätige Neonazis mitmischen". Namen indes möchte er aus Gründen des Datenschutzes nicht nennen.

"Wir können es nicht verhindern, dass wir auch in extremen Foren erwähnt werden und sie können sicher sein, dass wir es selbst mit Erschrecken wahrgenommen haben. Abgesehen davon, dass man seinen eigenen Namen in einem solchen Forum nun wirklich nicht gerne liest. Zumal meine Privatadresse ein offenes Geheimnis ist."

Der Ausschluss von Mitgliedern soll vorerst jedoch letztes Mittel bleiben. Verboten sei bei dol2day, betont Yalpani, was nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist, gegen die Menschenwürde verstößt, das bestehende System stürzen möchte.

"Mitglieder, die diese Verbote brechen, werden einem überparteilichen ,Gremium' vorgeschlagen. Die Gremiumsmitglieder wurden von ihren jeweiligen (virtuellen) Parteien benannt. Das Gremium kann nun über eine 3/4 Mehrheit befinden, ob die beschuldigte Person aus der Community ausgeschlossen werden muss."

Das Internet im Allgemeinen und ihr Projekt im Speziellen bietet nach Meinung von Yalpani eben nicht nur eine Chance für verbale Brandstifter, sich und ihre Ideologien darzustellen, sondern eben auch die Möglichkeit für deren Anhänger, die eigene Meinung zu hinterfragen und eben auch Demokratie zu erlernen.

"Das gilt aber nur für Personen, die die Nazi-Ideologien nicht vollständig verinnerlicht haben. Diese dürften immun sein. Alle anderen dürfen wir aber nicht einfach so aus der Diskussion ausschließen. Wo sonst müssen sich diese Leute mit den Argumenten der Gegenseite wirklich auseinandersetzen? In einer ,national befreiten Zone' kommen sie sicherlich nicht mit demokratisch denkenden Personen zusammen."