Neue Büros mit Blick auf die Akropolis für Scotland Yard
Experten aus England sollen helfen, das desolate Image der griechischen Polizei zu verbessern
Die griechische Regierung um Ministerpräsident Kostas Karamanlis ist dieser Zeit nicht zu beneiden. Er sucht eine Lösung seiner Probleme im Import von Know-how aus Großbritannien. Karamanlis, Vorsitzender der neoliberalen Nea Dimokratia, war vor fünf Jahren angetreten, um Korruption zu bekämpfen, den Umweltschutz voranzutreiben, Arbeitsplätze zu schaffen, das Bildungssystem und nicht zuletzt um die seiner Meinung nach uneffektive Polizei zu reformieren.
Sämtliche Versuche, das Bildungssystem zu reformieren (Studentische Unruhen in Griechenland), oder die Kosten für die Schulbildung und das Studium zu senken, endeten bisher in einem Desaster (Kostenlose Bildung für alle). In fünf Jahren hat Karamanlis bereits den dritten Kultusminister berufen.
Die Arbeitsplatzbeschaffung in Zeiten der Wirtschaftskrise ist kein leichtes Unterfangen, jedoch hatte Karamanlis bereits vor der Krise wenig Erfolg mit seiner Wirtschaftspolitik. Deutschland hatte die Generation Golf, Griechenland die Generation 800 Euro. Zu dieser Generation werden die Hochschulabsolventen gezählt, die es schaffen, einen der begehrten Jobs für 800 Euro Monatslohn zu erhalten. In einem Land, das bis zu 40% höhere Lebensmittelpreise als Deutschland hat, ist dieser Lohn zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Allerdings gibt es mittlerweile auch eine Generation 400 (Halbtagsstellen) und eine Generation 700 (Arbeitnehmer ohne Studium).
Angesichts der Wirtschaftskrise, die Griechenland mit Verzögerung trifft, zeichnen sich Massenentlassungen ab. Bei einer zeitlich beschränkten Arbeitslosenunterstützung, die ungefähr 400 Euro – unabhängig vom vorher erzielten Einkommen - beträgt, steht die Regierung Gefahr einer Implosion des sozialen Lebens gegenüber. Eine weitergehende Sozialhilfe ist in Griechenland unbekannt.
In Sonntagsreden fabulieren griechische Politiker durch die Bank vom einem Jobmotor, den sie in der Nutzung erneuerbarer Energien und im industriell genutzten Umweltschutz sehen. Eine effektive Umweltschutzpolitik setzt den konsequenten Einsatz regenerativer Energien voraus. Darüber hinaus sollte der Abfall umweltgerecht entsorgt werden. Beide Unterfangen scheiterten bisher am Unwillen der schwerfälligen griechischen Bürokratie sowie an zuständigen Ministern, die Atomenergie für eine erneuerbare Energiequelle halten. Erst Anfang 2009 zeichnete sich eine Änderung der bisher restriktiven Politik gegen alternative Energiequellen ab.
Diese zwar späte, aber dennoch positive Entwicklung wird von den Korruptionsaffären hochrangiger Regierungsmitglieder getrübt. Mehrere Minister mussten im Zusammenhang mit dubiosen Grundstücksgeschäften zurücktreten (Griechische Regierung: Skandale und Bauernopfer). Griechenlands Premier hat mittlerweile kein Saubermann-Image mehr. Die vermehrten Skandale haben die politische Integrität der Regierung tief erschüttert.
Sicherheitspolitisches Desaster
Als letzter traditionell der politischen Rechten zugerechneter Vorteil galt in weiten Teilen der Bevölkerung die innere Sicherheit. Vereinzelt beklagten sich die Massenmedien über Polizeigewalt, im Großen und Ganzen wurde den schlecht bezahlten Polizisten jedoch Sympathie entgegen gebracht.
Auch kurz nach den Schüssen auf den jugendlichen Alexis Grigoropoulos, die zu revolutionsartigen Aufständen in griechischen Großstädten geführt hatten, begannen die Medien damit, ein positiveres Bild von der Polizei zu präsentieren. Eine Reihe von Pannen mit der Hubschrauberflucht des griechischen Robin Hoods als Krönung zerstörten alle Versuche der positiven Imagepflege.
Nachdem am Freitag den 13. März die Polizei kollektiv erneut am Pranger der Öffentlichkeit stand, hat sich Karamanlis nun entschlossen, persönlich im Ausland um Hilfe zu ersuchen.
Am Donnerstagmorgen begann das sicherheitspolitische Desaster mit der Antiterroreinheit der Polizei. Interne Informationen waren durch undichte Stellen gezielt an die Öffentlichkeit gelangt. Eine bis dato geheime Liste mit 82 möglichen prominenten Terroropfern, Journalisten, Polizisten und Industriellen machte per Fax und E-Mail die Runde durch Nachrichtenredaktionen. Darüber hinaus wurden auch die analytischen Pläne für die Sicherung von Regierungsgebäuden veröffentlicht. Dieser, offenbar von einem unzufriedenen Beamten eingeleitete Kompromittierungsversuch, gelangte zeitgleich mit einem, die Polizei verhöhnenden Manifest der neuen Terroristengeneration an die Öffentlichkeit.
Karamanlis befand sich offenbar noch in den Vorbereitungen zu einer Stellungnahme, als die Nachricht von einem Polizeirambo die Griechen erschütterte. Getreu dem Kinovorbild des Dirty Harry hatte der Beamte, der zivil unterwegs war, seine Dienstwaffe gezückt, als er Zeuge eines Ladenüberfalls wurde. Beim anschließenden Schusswechsel mit dem bewaffneten Räuber wurde die Verkäuferin des Ladens erschossen, der Räuber schwer verletzt. Sicherheitsexperten kritisierten das bewaffnete Eingreifen des Polizisten, der offenbar nicht primär die körperliche Unversehrtheit der beteiligten Personen abgesichert hatte.
Als am Freitagmorgen die Rundfunkmedien noch die Ereignisse des Donnerstags analysierten, schoss ein Polizeirevierleiter aufgrund eines privaten Streits auf einen Wirt Athener im Touristenviertel Plaka Der Beamte war erst seit einem Tag wieder im Dienst, nachdem er zuvor wegen einer schweren psychischen Erkrankung in Behandlung war. Ergo gab es erneut die unter Griechen teilweise hysterisch geführten Diskussionen über den Ausbildungsgrad und die psychische Gesundheit von griechischen Beamten.
Zu allem Überfluss verwüsteten vermummte Autonome am helllichten Tag die Nobeleinkaufsviertel von Athen und Thessaloniki. Der zuständige Minister Markogiannakis musste im Parlament eingestehen, dass er vor allem im Athener Zentrum nicht mehr für die öffentliche Ordnung garantieren kann.
Der von abergläubischen Mitmenschen gefürchtete Freitag der 13. war noch nicht vorbei, denn am Nachmittag hielt ein mit Explosivstoffen bewaffneter Bankräuber auf seiner Flucht ganze zwei Hundertschaften Polizisten stundenlang in Atem. Weite Teile der Hafenstadt Piräus mussten abgesperrt werden.
Karamanlis zog nun die Notbremse. Im Wissen, dass sein Amtsvorgänger Kostas Simitis von der PASOK sein Terroristenproblem mit Hilfe von Scotland Yard lösen konnte hat der Premierminister die Briten erneut um Hilfe gebeten.
Scotland Yard, im Heimatland derzeit wegen der späten Festnahme eines Sexualstraftäters nicht unumstritten, hat bereits Beamte nach Griechenland geschickt. Ob Karamanlis nach dem Vorbild der europäischen Fußballvereine plant, für seine übrigen Probleme weitere Spezialisten zu importieren, ist bisher nicht bekannt.