Neue Kämpfe in der Ost-Ukraine

Seite 2: Der "Feind hat ein chaotisches Feuer" eröffnet

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Am Freitagabend meldete der ukrainische Fernsehsender 112, die Separatisten hätten die ukrainischen Truppen am 1. April 36 Mal beschossen. Der Feind habe auf die Industriezone von Awdejewa, sowie Gebiete in der Nähe der Orte Pesok, Lugansk, Nowogorodsk, Opyt und Mariupol ein "chaotisches Feuer" eröffnet. Dabei seien auch Raketen und Granatwerfen zum Einsatz gekommen. Am Freitag sei ein Soldat der ukrainischen Armee getötet worden.

Die Donezk-Nachrichtenagentur DAN berichtete am Freitagmittag, die "Volksrepublik" sei in den vergangenen 24 Stunden 547mal beschossen worden. Der Waffenstillstand sei 63 Mal gebrochen worden.

An eine Minenräumung, wie in Minsk vereinbart, ist wegen der wiederaufflammenden Kriegshandlungen wohl nicht zu denken. Immerhin sollen jetzt aber in der DNR-Volksrepublik vom Internationalen Roten Kreuz zur Verfügung gestellte Minen-Warnschilder aufgestellt werden. Die Schilder reichten für die Markierung von 30 Kilometern. Nach den internationalen Regeln, müssen die Schilder alle 25 Meter aufgestellt werden.

US-Botschafter: "Vorgezogene Parlamentswahlen verlangsamen die Reformen"

Dass die Ukraine dem ursprünglichen Ziel der Maidan-Volksbewegung - Demokratie und die Entmachtung der Oligarchen - keinen Schritt näher gekommen ist, zeigt die seit Mitte Februar schwelende Regierungskrise, welche offenbar auf Anraten aus Washington hinter den Kulissen gelöst werden soll (Ukraine: Dampfablassen gegen Jazenjuk).

Eine Demokratie nach westlichem Geschmack aus eigener Kraft aufzubauen, das trauen die USA der Regierung in Kiew nicht mehr zu. Gefährden will man die in Kiew 2014 erreichte Wende hin zu einer aggressiv-antirussischen Politik jedoch auf keinen Fall.

Was also tun? Parlaments-Neuwahlen - so die Befürchtung in Washington - könnte für die eigenen Schützlinge in Kiew - Jazenjuk und Poroschenko - nur schlecht ausgehen, da ihre Popularität stark gesunken und im Fall von Jazenjuk praktisch nicht mehr vorhanden ist (Ukrainer schwer enttäuscht über "Revolution der Würde"). Die Bevölkerung leidet unter Sozialabbau, Arbeitsplatzverlust und Armut. Die Gegner der Kiewer Regierung - wie der Oppositionsblock, der auf anti-russische Rhetorik verzichtet - könnten bei den Neuwahlen Gewinne erzielen. Das würde der "Moskauer Propaganda" nützen, nach der in der Ukraine keine Demokratie entsteht, fürchtet Washington.

Der US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, hatte schon am 2. Februar via Twitter gewarnt: "Gefährliche Stimmen sagen: Es reicht mit den Technokraten-Ministern und der professionellen Lenkung - es ist Zeit für Politiker die Zügel der Lenkung in die Hand zu nehmen." Das wäre aber ein "großer Fehler", erklärte der Botschafter. "Das wird die Anstrengungen des Kreml stärken, der die Ukraine als Demokratie darstellt, die schwächer wird und nicht entsteht."

Am 24. März wurde Pyatt noch deutlicher. Während eines Auftrittes im Gagarinn-Hotel in Odessa erklärte der US-Botschafter, die ukrainische Präsidialadministration, die Regierung und das Parlament müssten jetzt zusammen für das Wohl des Landes arbeiten und "keine politischen Spiele spielen" oder "ihre eigenen Interessen verfolgen".

In diesem Zusammenhang glaube ich, dass die vorgezogenen Parlamentswahlen die nötigen Reformen nur verzögern und mehr Instabilität schaffen, wenn so viel anderes zu tun ist.

Geoffrey Pyatt, US-Botschafter in der Ukraine

War es ein Zufall? Nur vier Tage nach dem Auftritt von Pyatt in Odessa veranstaltet der nach Moskau geflüchtete ehemalige ukrainische Ministerpräsident Nikolai Asarow einen Runden Tisch ("Russland wollte die ukrainische Elite kaufen") und fordert, das vom Maidan aufgelöste ukrainische Parlament wieder zusammenzurufen und Neuwahlen in der Ukraine abzuhalten. Offenbar hofft Asarow, dass sich die Ukrainer besinnen und endlich erkennen, wie sehr sie schon von Washington gelenkt werden.

Wohl wissend, dass die westlichen Medien das Thema Ukraine zurzeit "klein fahren" scheut Washington vor nackter politischer Erpressung nicht zurück. Bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten am 31. März sagte US-Vizepräsident Joe Biden, die Ukraine werde eine Unterstützung von einer Milliarde Dollar nur bekommen, wenn die Regierung neu gebildet wird.