Neue Technik zur Dauerüberwachung aus der Luft
Was bislang aufgrund von technischen und finanziellen Gründen nicht möglich war, könnten manövrierbare Ballons in der Stratosphäre jetzt ermöglichen
Das 2012 u.a. von Mitgliedern des Biosphere 2-Teams gegründete Unternehmen World View Enterprises will neue Maßstäbe der Überwachung und der Kommunikation setzen. Als Erfolg wurde gerade von einem Test gesprochen, bei dem ein Stratollite, einem navigierbaren Fluggerät, einem Ballon ähnlich, in der Stratosphäre, das derzeit mit einer Last von bis zu 50 kg beladen werden kann, 16 Tage ununterbrochen in der Höhe von 30 km geflogen war. Der fast 5000 km lange Flug erstreckte sich über Nevada, Utah und Oregon, während 8 Tagen blieb der Ballon stationär in einem Gebiet mit einem Durchmesser von 120 km. Es sollen demnächst längere Tests folgen. Geplant ist mit lange in der Stratosphäre befindlichen Stratollites Überwachungsbilder, Wetterdaten oder schnelle Internetverbindungen anbieten zu können.
Mit den Stratollites tritt World View Enterprises in einen Konkurrenzkampf mit Satellitenanbietern. So will alleine StarLink mit SpaceX-Raketen in den nächsten Jahren 12.000 kleinere, manövrierfähige Satelliten auf einer niedrigen Umlaufbahn (LEO) in den Weltraum bringen, um eine weltweite Abdeckung für einen schnellen 5G-Internetzugang zu realisieren. Die zuständige Behörde FCC hat dies bereits genehmigt, also dass ein amerikanisches Unternehmen LEO in einer Höhe von etwa 350 km vollpflastern kann. Es stehen auch weitere Unternehmen in den Startlöchern, um die Erde in Netzwerke von Satelliten einzuhüllen.
Stratollites, ausgerüstet mit Solarzellen und der Möglichkeit, lange Zeit an einer Stelle zu bleiben, würden den Aufwand und vor allem die Kosten drastisch gegenüber Satelliten verringern. Sie könnten auch jederzeit wieder auf den Boden gebracht, repariert oder überholt, mit neuen Geräten ausgestattet und wieder eingesetzt werden. Überdies hätten sie den Vorteil, dass die Distanz zur Erdoberfläche sehr viel geringer ist, aber höher als der normale Flugverkehr. Allerdings scheint es noch schwierig zu sein, den Ballon über einem Gebiet stationär über längere Zeit zu halten. So konnte der Ballon während des Tests nur 6,5 Stunden über einem Gebiet mit 9 km Durchmesser halten. Da haben Satelliten noch klar einen Vorteil.
Das Unternehmen wirbt etwa damit, dass sich Stratollites mit hochauflösenden Kameras zur dauerhaften Überwachung eines Gebiets oder einer Stadt, von Pipelines, Infrastruktur, Minen, Stützpunkten, Industrieanlagen oder Agrarflächen einsetzen lassen und mit hypergenauen Bildern Satelliten ersetzen zu können, die Hunderte Kilometer weiter entfernt sind. Eine dauerhafte Überwachung wurde mit Ballons oder Luftschiffen (Überwachungs-Luftschiffe) versucht. Sie sind aber Winden ausgesetzt, befinden sich im Flugraum und müssen mit der Erdoberfläche verbunden sein, was alles viele Probleme machen kann (Ein militärisches Überwachungs-Luftschiff geht AWOL).
CEO Ryan Hartman proklamiert jedenfalls die Möglichkeit einer "tiefgreifenden Überwachung aus der Luft", die auch Polizeibehörden und Geheimdienste interessieren könnte. Wenn von Satelliten aus schon Autokennzeichen gelesen werden können, lassen sich von den fünfmal näher an der Erdoberfläche befindlichen Stratollites noch viel mehr Details erkennen.
Jeramie Scott von der Bürgerrechtsorganisation Electronic Privacy Information Center (EPIC) warnt, dass die Technik eine ernsthafte Bedrohung der Privatsphäre und der Bürgerrechte darstelle: "Die Ballons werden wahrscheinlich die Kosten der Überwachung nach unten treiben und eine durchgängige Luftüberwachung unserer Bewegungen im öffentlichen Raum zu einer realen Möglichkeit machen. Traditionell wurde unsere Privatsphäre durch die technischen Beschränkungen und exorbitanten Kosten davor geschützt, die Bewegungen von allen in der Öffentlichkeit zu verfolgen. Aber die Überwachungsballons könnten diese Barrieren niederreißen."
Damit könnte wirklich werden, was im Pentagon schon 2003 gewünscht wurde, eine total mit intelligenten Videoüberwachungssystemen überwachte Stadt. Das damals erwünschte System mit dem Namen Combat Zones That See (CTS) sollte ein Stadtgebiet mit Tausenden von Kameras permanent überwachen und automatisch vor allem alle Autos und ihre Insassen, aber auch Fußgänger über Gesichts- und Mustererkennung identifizieren und über das gesamte Stadtgebiet hinweg verfolgbar machen. Computerprogramme sollten den immensen Datenfluss selbständig analysieren, ungewöhnliches Verhalten feststellen und "Verbindungen zwischen Orten, Menschen und Aktivitätszeiten" schaffen (Die überwachte Stadt).
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