Neue Verhandlungen um Italiens Haushaltsdefizit
Finanzminister Tria stellt eine Verringerung auf 1,9 bis 2 Prozent in Aussicht
Nachdem die Finanzminister der Euro-Teilnehmerländer am frühen Dienstagmorgen die Einschätzung der Kommission bestätigten, dass die italienische Regierung mit ihrem Haushaltsentwurf für 2019 gegen den Stabilitätspakt verstößt (vgl. Entscheidung mit dem Hintergedanken, eine Regierung loszuwerden, die unbequem ist?), hat der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte gegenüber dem Avvenire die Vorlage einer geänderten Fassung mit einem etwas geringeren als dem eigentlich vorgesehenen 2,4-prozentigen Defizit in Aussicht gestellt. Finanzminister Tria bestätigte sowohl La Stampa als auch La Repubblica, dass man für diesen neuen Entwurf im Bereich zwischen 1,9 und 2 Prozent plant.
Ob sich beide Koalitionspartner auf Einsparungen einigen können, die so eine geringere Schuldenaufnahme voraussetzt, ist noch offen. Vor allem beim Lega-Chaf Matteo Salvini könnte die Bereitschaft dazu begrenzt sein: Dass sich die italienische Regierung im Haushaltsstreit mit der EU vorher unnachgiebig zeigte, gilt nämlich als maßgeblicher Mitgrund dafür, dass die Lega innerhalb kurzer Zeit von 33 auf 36,2 Prozent zulegte (vgl. Italien und Frankreich: Vorzeichen für die Europawahlen?). Nimmt man die 17,4 Prozent bei der Parlamentswahl im März als Grundlage, konnte sie ihren Anteil seitdem sogar mehr als verdoppeln.
M5S sucht Bündnispartner in anderen Ländern
Die M5S, ihr Koalitionspartner, musste dagegen Einbußen hinnehmen: Von 32,68 Prozent im März auf jetzt 27,7 Prozent. Luigi Di Maio, der Capo der Bewegung, hat nun für Anfang 2019 ein "Manifest für Europa" angekündigt, das die Grundlage für ein Europawahlbündnis mit Parteien aus anderen Ländern sein soll.
Bislang ist die M5S zusammen mit der britischen UKIP die tonangebende Kraft in der EFFD-Fraktion, der außer den beiden Parteien noch fünf aus dem Front National ausgetretene französische Europaabgeordnete, ein tschechischer, ein polnischer und ein litauischer Abgeordneter sowie der deutsche AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen angehören.
Da für eine offizielle Anerkennung als Fraktion mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens sieben Ländern nötig sind, ist offen, ob die EFFD nach dem Brexit-Abschied der UKIP als Fraktion weiter existieren wird - obwohl vor allem in Osteuropa neue Kräfte wie die lettische KPV entstanden, die der M5S in mancher Hinsicht ähneln (vgl. Lettland: schwarz-grüne Regierungskoalition verliert Mehrheit).
Di Maio betonte bei der Ankündigung der Wahlbündniswilligkeit, dass die M5S anders als früher (und anders als die UKIP) aktuell weder einen Austritt aus der Eurozone noch einen aus der EU anstrebe. Er sei nämlich, so Di Maio, wegen der Änderung der politischen Machtverhältnisse heute viel zuversichtlicher als früher, "dass man Europa ändern kann", und wolle nun "als Zünglein an der Waage […] eine wichtige Rolle bei der Reform der EU-Institutionen spielen".
Mit wem er dazu konkret Wahlbündnisse eingehen will, ließ Di Maio offen, erklärte aber, er wolle sich weder der Lega-Fraktion ENF noch der sozialdemokratischen S&D oder der christdemokratischen EVP anschließen. Der liberalen ALDE-Gruppierung, der sich unlängst die neue slowenische Regierungspartei von Marjan Šarec anschloss (vgl. "Slowenischer Sonneborn" wird neuer Ministerpräsident), hatte die M5S 2017 Beitrittsavancen gemacht, die dort jedoch nicht erwidert wurden. Offener reagierte die ALDE auf ein Bündnisangebot von Emmanuel Macrons LREM (vgl. Macron plant neue "antipopulistische" Fraktion im Europaparlament). Ob die Bereitschaft dafür auch nach den Gelbe-Westen-Protesten und den inzwischen unterirdischen Zustimmungswerten des französischen Staatspräsidenten noch vorhanden ist, ist unklar.
Berlusconi sucht neue politische Marktlücke
Silvio Berlusconi ist mit seiner Forza Italia, die seit der letzten Wahl (bei der sie als großer Verbündeter der damals noch kleinen Lega antrat) von 13,98 auf 7,9 abgesunken ist, ebenfalls auf der Suche nach einer politischen Marktlücke.
Dafür will Berlusconi die Forza nicht aus der christdemokratischen EVP austreten lassen, sondern (im Gegenteil) eine Vereinigung mit der UDC, einem Nach-Nachfolger der 1994 untergegangenen alten italienischen Christdemokraten (vgl. Italien: Die Geschichte wiederholt sich). Die daraus geplante neue Partei soll einem Bericht der Mailänder Tageszeitung Il Giornale nach Altra Italia ("Anderes Italien") heißen und "proeuropäisch" sein.