Neue Volkskrankheit: Braucht Deutschland ein Ministerium für Einsamkeit?

Vereinzelt stehende Personen auf einer Ebene verteilt

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Briten handeln, Deutschland zögerlich. Alleinsein als Epidemie oder Nebenwirkung unserer modernen Gesellschaft? Ein Essay über die Einsamkeit. (Teil 2 und Schluss)

Dialektik der Einsamkeit

Für den Intellektuellen ist unverbrüchliche Einsamkeit die einzige Gestalt, in der er Solidarität etwa noch zu bewähren vermag. Alles Mitmachen, alle Menschlichkeit von Umgang und Teilhabe ist bloße Maske fürs stillschweigende Akzeptieren des Unmenschlichen. Einig sein soll man mit dem Leiden der Menschen: der kleinste Schritt zu ihren Freuden hin ist einer zur Verhärtung des Leidens.

Theodor W. Adorno

Es ist nun an der Zeit, eine wichtige Differenzierung einzuführen. Es macht einen großen Unterschied, ob man die Einsamkeit gewählt hat oder ob sie einem durch äußere Umstände oder innere Not aufgezwungen wurde. Berühmte Beispiele für eine freiwillige Form von Einsamkeit liefern uns Michel de Montaigne und Henry David Thoreau.

Dieser quittierte in den 70er-Jahren des 16. Jahrhunderts den Dienst als Richter und zog sich in seinen Turm zurück, der ihm eine geschützte Einkehr und das Schreiben ermöglichte, jener lebte ab 1845 mehr als zwei Jahre in einer Hütte am Waldensee, wo er "nur den Wind im Schilf flüstern" und die Frösche quaken hörte.

Er verfasste einen Bericht über seine Zeit am Waldensee, der auch ein Kapitel über Einsamkeit enthält. Darin heißt es:

Ich finde es gesund, die meiste Zeit allein zu sein. Gesellschaft, selbst mit den Besten, wirkt bald ermüdend und zerstreuend. Ich bin unendlich gern allein. Noch nie fand ich einen Gesellschafter, der so gesellig war wie die Einsamkeit.

Herbert Marcuse hat sich auf dem Höhepunkt der Revolte, im Jahr 1968, als Romantiker geoutet und in einem Interview gesagt:

Es gibt keine freie Gesellschaft ohne Stille, ohne einen inneren und äußeren Bereich der Einsamkeit, in dem sich die individuelle Freiheit entfalten kann.

Es gibt gute Gründe, die Gemeinschaft der anderen zu meiden und die Einsamkeit zu wählen. Als Lemmy Kilmister, der Ende 2015 gestorbene Sänger und Bassist der Rockband Motörhead, in einem Interview gefragt wurde, was die Quintessenz seiner Lebenserfahrung sei, antwortete er:

Haltet euch fern von den Idioten … Die Regel lautet: acht von zehn … Acht Idioten an einem guten Tag. Sonst: neun. An einem schlechten Tag triffst du zehn Leute und einer wie der andere ist ein kompletter Vollidiot.

Dem ist nichts hinzuzufügen, außer dass die Tendenz steigend ist und in Richtung elf von zehn weist. Ein Gang durch die Fußgängerzone lehrt einen das Fürchten und lässt einen die Einsamkeit suchen.

Wer sich selbst begegnen, nachdenken, lesen und schreiben möchte, benötigt die Einsamkeit und sucht sie auf. Jede Form von Geselligkeit und Gemeinschaft wird jetzt als störend empfunden. Dabei ist der Denkende, auch wenn er allein ist, nicht einsam. Er befindet sich ständig in einem inneren Dialog mit anderen. In diesem Sinn sprach Goethe davon, er sei ein "Kollektivsingular" und bestehe aus mehreren Personen gleichen Namens.

Wichtig scheint bei dieser Form von selbst gewählter Einsamkeit aber zu sein, dass libidinöse Bindungen nicht abreißen und die Rückkehr zu den anderen möglich bleibt. Als ich meine auf dem Computer gespeicherten Dateien auf den Begriff "einsam" durchsuchen ließ, stellte ich fest, dass auch das Wort "gemeinsam" angezeigt wurde, weil "einsam" in "gemeinsam" enthalten ist. Ich fand diese Entdeckung bedeutsam und tröstlich. Tröstlich war auch, dass das Wort "gemeinsam" dreimal so oft vorkam wie das Wort "einsam".

Auf der Mitte eines Blattes, das man im Nachlass von Albert Camus fand, steht in winziger Schrift ein Wort, das entweder "solitaire" oder "solidaire" heißen kann. Diese dialektische Spannung der Einsamkeit muss lebendig gehalten werden, wenn der Umschlag in das vermieden werden soll, was man "anomische Einsamkeit" nennen könnte, aus der Gefahren aufsteigen und die beschriebenen charakterlichen Verkrustungen hervorbringt.

In einem Artikel über den Schauspieler Josef Bierbichler wird die Schauspielerin Catrin Striebeck, die mit Bierbichler mal zusammen war und ein Kind mit ihm hat, gefragt, was ihm guttue:

Einsamkeit. Aber zu wissen, dass die Familie da ist. Dass die Menschen, die ihm nah stehen, da sind.

Eine Ahnung von den Schrecken und Abgründen der Einsamkeit bekam ich, als vor ein paar Jahren meine Berufstätigkeit endete. Dabei war ich ihnen schon einmal begegnet. Nie war ich einsamer als in der beginnenden Pubertät – inmitten einer großen, intakten Familie, die aber in Wahrheit nur das Nebeneinander von lauter Einsamkeiten war.

Der Vater schwieg beharrlich über seine Rolle im Dritten Reich und seine Erfahrungen im Krieg, und dieses Schweigen schloss ihn ein in einen Kokon aus Einsamkeit. Seine Einsamkeit strahlte auf den Rest der Familie ab und verwandelte sie in eine Gletscherlandschaft eingefrorener Gefühle. Trotzdem waren die anderen raumgreifend da. Die ständige Anwesenheit der anderen erlebte ich als lückenlose und umfassende Kontrolle. Es gab kein Entrinnen.

Als ich den Aphorismus von Karl Kraus zum ersten Mal hörte, verstand ich ihn sofort: "Das Wort Familienbande hat einen Beigeschmack von Wahrheit." Ich saß in meinem Zimmer, sah zu, wie der Novemberregen an der Scheibe herabrann und war einsam und verzweifelt. Im Nebenzimmer versuchte einer der Brüder, sich zu erhängen. Aber der Gürtel riss, und so musste auch er weiterleben. Mit Ernst Bloch kann ich sagen: "Das endlich bestandene Abitur war damals die Befreiung aus dem Zuchthaus."

Aber das war lange her und derart von gegenläufigen Erfahrungen überlagert, dass es der Gnade des Vergessens anheimgefallen war. Mit dem Eintritt ins Rentenalter tauchten diese Erinnerungen wieder auf und vermischten sich mit den aktuellen Erfahrungen der Kontaktberaubung. War ich zuvor den ganzen Tag über von Menschen umgeben, die etwas von mir wollten, war da von einem Tag auf den anderen keiner mehr und niemand und nichts.

Ich warf mich aufs Lesen und Schreiben, aber das sind monologische Tätigkeiten, die Einsamkeit zur Voraussetzung haben und sie begünstigen und verstärken. Um den Umschlag von Einsamkeit in Kälte und Leere zu vermeiden, waren nun Anstrengungen erforderlich.

Der Selbstmord eines Freundes war mir ein Menetekel und beschäftigte mich lang. Er richtete sich an meine eigenen, als Unfälle getarnten Selbstmordversuche und aktualisierte die Möglichkeit des Selbstmords, die mich ständig begleitet.

Er gemahnte mich auch: Berührung und Begegnung mit anderen bedarf der Organisation. Ich kann nur jedem und jeder dazu raten, sich frühzeitig darüber Gedanken zu machen und Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, den nach dem Ende der Berufstätigkeit drohenden Sturz aus der Welt zu verhindern und aufzufangen. Milena Michiko Flašar ist ein wunderbarer, humorvoller Roman über die Einsamkeit des Rentenalters und die verqueren Versuche, ihr zu entkommen, gelungen, der Herr Katō spielt Familie heißt und 2018 im Berliner Wagenbach-Verlag erschienen ist.

Wir waren ja in unseren jungen Jahren so kühn, die uns einengenden Familienbande abzustreifen und auf freiwillig eingegangene Solidaritätsbeziehungen zu setzen. Diese erwiesen sich leider als flüchtig und lösten sich mit den politischen Zusammenhängen weitgehend auf.

Die Liebe wurde, wie es in einem der Romane von Milan Kundera heißt, "zum Tod der Freundschaft". Wer keine eigene Familie gründete oder wem sie zerbrach, der kann nun im Alter nicht auf familiäre Strukturen zurückgreifen und wird von ihnen auch nicht gehalten.

Die Lage dieser Menschen ist schwierig und steckt voller Gefahren und Unwägbarkeiten. Wenn der Lebenssinn abhandenkommt und das Leben nichts mehr hat, das es zu verteidigen gilt, drohen Krankheit und Tod. Der Krebs hält reiche Ernte. "Wenn keine Hoffnung mehr da ist, dann ist keine mehr da", heißt es lapidar in Hamsuns Roman Hunger.

Dagegen muss man beizeiten die Energien der Lebenstriebe mobilisieren, die auf Zusammenhang und Solidarität abzielen. Das ist leichter gesagt als getan, aber es geht nicht anders. So verstehe ich die Warnung in Ralf Rothmanns Roman Feuer brennt nicht:

Wehe dem, der nicht im Schutz der Liebe altert.

Ein Einsamkeits-Ministerium

Die Handwerker schließen einer nach dem anderen ihre Werkstatt. Die Fabrikware kostete weniger und war gefälliger. Wer die Möglichkeit hatte, schloss seinen Laden und ging in die Stadt. Nur die Alten blieben im Dorf und warteten auf den Tod.

Ignazio Silone

Nachdem die britische Premierministerin Theresa May im Januar ein Ministerium zur Bekämpfung der Einsamkeit ins Leben gerufen hat, ist die Idee inzwischen auch bei uns angekommen. Im Koalitionsvertrag der neuen Großen Koalition ist von der Notwendigkeit der Eindämmung der Einsamkeit und der Installation eines entsprechenden Regierungsbeauftragten die Rede.

Warum dieses plötzliche Interesse? In Gesellschaften, die von der Markt- und Kapitallogik beherrscht werden, zieht ein Thema erst dann Aufmerksamkeit auf sich, wenn Kosten anfallen und wirtschaftliche Schäden zu befürchten sind. Es ist nicht das menschliche Leid, das aufschrecken lässt, sondern die medizinischen Folgen und finanziellen Mittel, die zu deren "Bekämpfung" aufgewandt werden müssen.

So begrüßenswert die Entdeckung der Einsamkeit ist, so problematisch sind ihre prompte regierungsamtliche Einvernahme und ihre Medizinisierung.

Das System ist dazu übergegangen, "abweichendes Verhalten" pharmakologisch zu begradigen und zu normalisieren. Die objektiven Ursachen der grassierenden Vereinsamung kommen nicht zur Sprache. Gesellschaftliche Konflikte werden nach einem approbierten Muster reprivatisiert. Dem Opfer die Schuld an der Misere zuzuweisen, ist ein paradoxes Kunststück, das viel Fachkenntnis und Geschick erfordert. Das ist keine Arbeit für Amateure.

Neuerdings befragt man in solchen Situationen das Neuro-Orakel, und es antwortet in unserem Fall in Gestalt des Hirnforschers Manfred Spitzer. Seine in seinem Buch Einsamkeit. Die unerkannte Krankheit vorgetragene These: Wer einsam ist, erkrankt häufiger als andere Menschen an Krebs, einem Herzinfarkt, Schlaganfall, an Depressionen oder Demenz.

Das Empfinden von Einsamkeit und Schmerz seien in derselben Hirnregion angesiedelt. Einsamkeit sei nicht, wie man lange angenommen habe, das Symptom anderer psychischer Störungen, sondern selbst eine Krankheit. Diese breite sich aus wie eine Epidemie. Damit führt Spitzer einen neuen Interpretationscode ein und rückt die Einsamkeit für den medizinisch-psychiatrischen Apparat und seine Normalisierungstechniken zurecht.

Diese Gesellschaft lässt es sich wieder einmal etwas kosten, die Gründe eines sozialen Missstandes bestehen zu lassen und die Folgen mit einer Kombination aus medizinischen und sozialarbeiterischen Mitteln zu bekämpfen.

Wo kommt sie denn her, die viel zu häufige Einsamkeit? Sie ist keine ontologische Größe, also etwas, "was nun mal zum Menschsein gehört", sondern hat ihren sozialen und geschichtlichen Index.

Die kapitalistische Produktionsweise löste die traditionellen Formen von Gemeinschaftlichkeit auf, in die die Menschen fest eingebunden waren und die die Spielräume ihres Verhaltens, auch die für Einsamkeit, rigide begrenzten, und verwandelt sie tendenziell in soziale Atome, lauter vereinzelte Einzelne, deren Unabhängigkeit sich als gegenseitige Gleichgültigkeit und Indifferenz verwirklicht. Kälte ist der vorherrschende Modus kapitalistischer Zwischenmenschlichkeit.

Jahrzehntelang hat man es zugelassen, dass im Namen von Flexibilität und Mobilität Bindungen systematisch zerstört werden, die das einzig wirksame Antidot zur Einsamkeit sind; dass die Innenstädte zum Aufmarschgebiet der Waren werden und keine nicht kommerziellen Räume für Begegnung mehr bieten; dass die Dörfer veröden, die Einkaufszentren die kleinen Dorfläden vernichten, dass Poststationen, Bibliotheken und Schwimmbäder schließen, die ja immer auch Treffpunkte und Begegnungsstätten waren.

Einsamkeit, im Sinne von aufgezwungener und erlittener Einsamkeit, wird vom System nach Kräften gefördert, da Einsame in der Regel regierbar sind. Von den Einsamen und Isolierten geht keine Gefahr aus.

Sie bilden eine menschliche Ansammlung vom Typus der "Serie", wie es bei Sartre heißt. Diese trägt das Siegel der Herrschaft, die ihr ihre Struktur aufprägt. Jeder ist für jeden der Andere, jedes isolierte Individuum spürt in seinem Nebenmenschen die gemeinsame Ohnmacht.

Es ist kaum denkbar, dass Einsame sich assoziieren und ein kämpferisches Bewusstsein ihrer Lage hervorbringen. Was sollte ein vereinigendes Band zwischen ihnen abgeben, was einen Zusammenhalt stiften? Das ihnen Gemeinsame ist gerade das, was sie trennt. Wie Schopenhauers frierende Stachelschweine könnten sich die heutigen Elementarteilchen aneinanderdrängen, aber sie liefen Gefahr, sich bei diesem Annäherungsversuch zu verletzen. In Rafael Chirbes’ Buch Der Fall von Madrid wird das zeitgenössische Sehnsuchts-Angst-Dilemma so formuliert:

Einsame Leute wurden, wenn sie Gesellschaft fanden, zu Tieren ohne Haut, da schmerzte jede Zärtlichkeit.

Erlittene Einsamkeit ist ein Zustand, der sich nicht zur Verallgemeinerung anbietet und mit Enthusiasmus propagieren lässt. Eine Einsamkeitsföderation ist schwer vorstellbar.

Solange die Vereinzelten vereinzelt bleiben und sie ihre Einsamkeit erdulden, stören sie die Ruhe der Herrschenden und der Besitzenden nicht. Für diese ist das ein geradezu idealer Zustand: Die Arbeiterklasse sind sie los, die durch die gemeinsame Erfahrung der Ausbeutung und die gelebte Solidarität der Fabrik immer eine Gefahr darstellte; die gegeneinander Isolierten und Vereinzelten geben sich selbst die Schuld, werden depressiv und schlucken die Pillen, die willfährige Ärzte ihnen verabreichen.

Die Pharmaindustrie verdient sich an den Einsamen eine goldene Nase. Das System liefert die Güter, um die Leute bei der Stange zu halten und die Nicht-Lebbarkeit ihres Zustands leb- und aushaltbar werden zu lassen.

Wie ist die gesellschaftliche Produktion von Einsamkeit vonstattengegangen? Peter Kurzeck hat in seinem Buch Vorabend beschrieben, wie seit den 1970er-Jahren die Großmärkte auf der grünen Wiese wie Pilze aus dem Boden schossen:

Dann der Massa-Markt und schon ist der nächste Riesenkasten fertig und gleich noch einer. Lauter Discount-Verbraucher-Supergroßmärkte … Alle mit eigenen Zufahrtsstraßen und großen Kundenparkplätzen. In jedem zweiten oder dritten Dorf schon ein Supermarkt. Und in den Dörfern die alten Läden werden nach und nach zugemacht. Braucht man ein Auto zu Einkaufen. Immer noch jede Woche von allen Seiten die bunten Prospekte. Oft zwei-dreimal die Woche.

Jeder fährt für sich in seinem Pkw zum Einkaufen im Discounter. Dieses Einkaufen geht stumm vonstatten. Niemand begegnet keinem. Die Konsumenten bleiben isoliert. Der Einkaufswagen wird durch die Regalreihen zur Kasse und zum Auto geschoben, die Heckklappe geöffnet, alles hineingepackt. Dann über Schnellstraßen zurück in die jeweilige Wohnschachtel.

Dagegen waren die alten kleinen Läden, wahre Begegnungsstätten. Das Einkaufen war Nebensache, die Hauptsache war, dass man sich traf und miteinander sprach. Eilige wurden vorgelassen, damit sie mit ihrer Unrast den emotionalen Austausch der anderen nicht störten.

In Wilhelm Genazinos Buch Tarzan am Main findet sich eine Passage über die Schalterhallen der Post: Als die Post noch Deutsche Bundespost hieß und keine Gewinne erzielen musste, gab es in fast jedem Stadtteil schöne, große und im Winter auch geheizte Schalterhallen. In diesen Schalterhallen standen Sitzbänke und kleine Tische, an denen man Postanweisungen oder eine Zahlkarte ausfüllen konnte.

Hier trafen sich viele Rentner und Arbeitslose und verzehrten mitgebrachte Brote und tranken Kaffee aus Thermoskannen. Viele Rentner hatten noch kein Konto und ließen sich ihre Rente am Schalter von einem Postbeamten auszahlen. Schalterhallen und Wartesäle an Bahnhöfen waren einfach Treffpunkte und Aufenthaltsorte.

Post und Bahn hatten bis zu ihrer Privatisierung eine Tendenz zur Gemeinnützigkeit und boten all diesen Menschen vorübergehend ein Obdach. Von diesem beeindruckenden Gemeinschaftsleben ist heute nichts mehr übrig. Die Posthallen sind verschwunden, oder verkauft, vermietet, abgerissen, die Postbeamten entlassen, Räumlichkeiten und Personal wurden stark verkleinert.

Wer wirklich etwas gegen die wachsende psychische Verelendung und Vereinsamung, unternehmen will, sollte für neue Vergesellschaftungsformen jenseits von Ware, Geld und Markt kämpfen. Der Hauptproduktionsgegenstand einer solidarischen Ökonomie wären menschliche Bindungen, ihre Verkehrsformen würden bestimmt von Freundlichkeit und gegenseitiger Hilfe.

Eine solche Gesellschaft wäre im Sinne Ernst Blochs Heimat – und benötigte kein Heimatministerium, das die Menschen mit staatlicher Zwangszuwendung beglückt und Schäden auszubessern versucht, die die anderen Ministerien und der Vandalismus des Kapitals anrichten.

Götz Eisenberg betreibt seit einigen Jahren unter dem Titel "Durchhalteprosa" einen eigenen Blog.