Neue ecuadorianische Regierung setzt auf Runderneuerung der Politik
Zahlreiche Außenseiter im designierten Kabinett - Neuverhandlung der Auslandsschuld und Erdölmoratorium beabsichtigt
Rafael Correa, der zukünftige Präsident Ecuadors, der am 15. Januar die Amtsgeschäfte aufnehmen wird, ist angetreten, um die Partidocracia hinwegzufegen, die Klüngelwirtschaft der etablierten Parteien. Die extreme politische Instabilität des Landes, in dem kein Präsident seit 1997 länger als zwei Jahre im Amt war, sowie die äußerst ungleiche Verteilung der Reichtümer führt Correa vor allem auf Korruption und Nepotismus zurück.
Der 43jährige Wirtschaftswissenschaftler, der am 26.November im zweiten Wahlgang mit über 56 Prozent der Stimmen gewählt wurde (Rafael Correa zum virtuellen Sieger erklärt), will nach eigenen Aussagen die Politik Ecuadors von Grund auf erneuern. Über die politische Ausrichtung seiner Regierung ließ Correa bereits am Wahlabend keinen Zweifel, als er vor 10 000 feiernden Anhängern mit der Gitarre Hasta Siempre, die Hymne an Che Guevara, anstimmte. Bisher zeigt Correa großen Mut zu tiefgreifenden Reformen, was im Land auf ein widersprüchliches Echo stößt. Während die alten Machteliten ein totales Fiasko heraufbeschwören, herrscht bei den Unter- und Mittelschichten optimistische Aufbruchstimmung.
Zum einen hatte Correas Wahlplattform, die Alianza País, für die Parlamentswahlen im letzten Oktober nicht einmal Kandidaten aufgestellt. Ein Präsident, der nicht einmal auf eine Minderheit im Parlament zurückgreifen kann? Kein Problem, sagt Correa. Sein erstes Dekret werde eine Festlegung der Obergrenze aller Staatsgehälter, inklusive des Präsidentengehalts, auf 4.000 Dollar beinhalten - der gesetzliche Mindestlohn liegt in Ecuador derzeit bei 150 Dollar, das Präsidentengehalt bei 8.000 Dollar. Und mit dem zweiten Dekret werde er ein Plebiszit anordnen, mit dem die Bevölkerung eine verfassungsgebende Versammlung einberufen kann. Bis die neue Verfassung verabschiedet ist, soll das Parlament vor allem seine Überwachungs- und Kontrollfunktion wahrnehmen. Danach soll es aufgelöst und Neuwahlen für die Legislative ausgerufen werden.
Seine ersten Auslandsreisen haben Correa nach Argentinien, Chile, Brasilien, Bolivien und Venezuela geführt. Reiseziele, die ebenfalls deutlich machen, dass er auf eine südamerikanische Integration unter linken Vorzeichen setzt. Nach eigenen Aussagen will der Politiker eine Vollmitgliedschaft Ecuadors im südamerikanischen Wirtschaftsraum Mercosur anstreben, gleichzeitig jedoch auch den Andenpakt stärken. An Argentiniens Präsident Nestor Kirchner will Correa sich ein Beispiel nehmen, um die Auslandsschulden Ecuadors mit den Gläubigern neu zu verhandeln. Damit soll zur Verbesserung des katastrophalen Bildungssystems mehr Geld in die Staatskasse kommen. Eine Reise nach Kolumbien wurde aufgrund des Konflikts um die Herbizidversprühungen an der kolumbianisch-ecuadorianischen Grenze abgesagt (siehe Diplomatische Zerreißprobe zwischen Ecuador und Kolumbien).
Die erst vor kurzem gescheiterten Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen mit den USA (Südamerikanische Regierungen trotzen Erdölkonzernen bessere Bedingungen ab) will die Regierung Correa nicht wieder aufnehmen, auch den Vertrag mit der US-Militärbasis in der Küstenstadt Manta wird sie nicht mehr erneuern, wenn dieser 2009 ausläuft. Dass der Country Risk Index, der politische und ökonomische Risikofaktor für ausländische Investoren, auf Grund all dieser Ankündigungen seit dem 10. November um 351 Punkte auf derzeit 852 gestiegen ist, kümmert Correas künftigen Wirtschaftsminister Ricardo Patiño wenig:
Natürlich wirkt sich das auf die Zinsen aus, aber wir können unsere Politik nicht danach gestalten, was die internationalen Finanzspekulanten darüber denken, ob wir die Auslandsschulden bezahlen werden oder nicht.
Ecuadors künftiger Wirtschaftsminister Ricardo Patiño in El Comercio, 27.12.2006
Kabinett wurde mit Experten und vielen Frauen besetzt
In den vergangenen Tagen stellte Correa nach und nach das Kabinett vor, mit dem er regieren will. Die Auswahl zeigt, dass der Präsident bemüht war, das Establishment bei der Personalauswahl außen vor zu lassen. Statt dessen hat er vielfach auf Fachleute aus gesellschaftlichen Gruppen zurückgegriffen, die von der politischen Tradition des Landes eher ausgegrenzt wurden. Ergebnis ist ein Team, in dem die Außenseiter dominieren - für Kritiker ein hohes Risiko bzw. ein Skandal, für Correa-Anhänger eine Garantie dafür, dass eine Regierung, die weitgehend außerhalb der traditionellen Parteienlandschaft steht, unabhängiger gegenüber politischem Druck sein wird. Auch das geringe Durchschnittsalter des neuen Kabinetts überrascht: Einige der Nominierten sind nicht einmal 40 Jahre alt. Der 43jährige Präsident ist selbst einer der Jüngsten in der Geschichte Ecuadors.
Sieben der künftigen Ministerinnen sind Frauen. Die designierte Außenministerin María Fernanda Espinoza, Universitätsprofessorin und bisher Regionaldirektorin der Umweltorganisation The World Conservation Union, will nach eigenen Worten Biodiversität, Naturschutz und nachhaltige Entwicklung in der Außenpolitik und im südamerikanischen Integrationsprozeß stark machen. Innenpolitisch wird sie dabei mit der Unterstützung der Umweltministerin Ana Albán rechnen können, die bereits jetzt unter Alfredo Palacion dieses Amt bekleidet hat. Dem Außenministerium sollen künftig auch die Bereiche Außenhandel und Exportförderung zugeordnet sein.
Auch das Verteidigungsressort geht an eine Frau: Die ehemalige sozialistische Abgeordnete Guadalupe Larriva.
Es ist eine Herausforderung, diesen Weg für eine Frau zu ebnen und zeigt, dass die Politik eines Rafael Correa nach Öffnung durch strukturelle Veränderung strebt.
Ecuadors künftige Verteidigungsministerin Guadalupe Larriva
Die Universitätsprofessorin und Gründerin einer kleinen sozialistischen Partei versprach, mehr Kontrolle über das Militär auszuüben, bessere Besoldung der Soldaten und transparente Beförderungsformen innerhalb der militärischen Strukturen. Auch beabsichtige sie nicht, die Grenze zu Kolumbien trotz des derzeitigen Konflikts weiter zu militarisieren, sondern favorisiere andere Lösungswege.
Kommunikationssekretärin und Regierungssprecherin ist die Kommunikationswissenschaftlerin und Menschenrechtsexpertin Mónica Chuji, eine Kichwa aus dem Amazonasgebiet, die damit einer der größten indigenen Ethnien Ecuadors angehört. Sie soll dafür sorgen, dass die derzeit stark monopolisierte und weitgehend private Medienlandschaft demokratischer und repräsentativer wird, und sowohl staatliche als auch Bürgermedien aufbauen. Correa selbst spricht fließend Kichwa, da er nach dem Studium ein Jahr sozialen Dienst in der indigen geprägten Provinz Chimborazo verrichtet hat.
Der künftige Energieminister Alberto Acosta ist wie sein Dienstherr Ökonom und hat unter anderem in Deutschland studiert. Er ist ein bekannter Vordenker alternativer Wirtschaftspolitik in Lateinamerika und hat zahlreiche Werke zu ökonomischen Themen veröffentlicht. Bisher kündigte er an, den Erdölsektor stärker unter staatliche Kontrolle bringen zu wollen, um andere politische und soziale Projekte finanzierbar zu machen. Im südlichen Amazonasgebiet, wo einige Territorien bereits an private Ölfirmen vergeben sind, bisher aber noch kein Öl gefördert wird, soll ein Moratorium ausgerufen werden, um die dort besonders reichhaltigen Naturressourcen und Biodiversität zu erhalten.