Diplomatische Zerreißprobe zwischen Ecuador und Kolumbien
Ecuador zieht Botschafter wegen Versprühens eines Totalherbizids an der Grenze zurück - Kolumbien will in Ecuador Koka-Pflanzungen entdeckt haben
Die diplomatischen Beziehungen zwischen Ecuador und Kolumbien befinden sich auf dem Tiefstand. Anlass ist die seit Wochen andauernde Versprühung von Glyphosat, einem Totalherbizid, entlang der ecuadorianischen Grenze. Während Kolumbien dem Nachbarland vorwirft, auf ecuadorianischem Territorium 15 Hektar Kokapflanzungen zu dulden, wirft der ecuadorianische Außenminister der kolumbianischen Regierung vor, Ecuador unter Angabe falscher Tatsachen zur Beteiligung am Plan Colombia zwingen zu wollen.
Der kolumbianische Präsident Alvaro Uribe, erst im vergangenen Mai mit über 62 Prozent der Stimmen wiedergewählt ("Unersetzbarer Retter"), ist bei seinen Nachbarn im Andenraum erheblich weniger beliebt als in Kolumbien selbst. Bereits Mitte Dezember hatte Ecuador seinen Botschafter aus Bogotá zurückbeordert. Der gewählte Präsident Rafael Correa sagte einen geplanten Besuch bei seinem kolumbianischen Kollegen Uribe ab.
Kolumbien warf dem venezolanischen Staatschef Hugo Chávez vor, seinen politischen Freund Correa diesbezüglich beeinflusst zu haben – woraufhin auch Venezuela das Nachbarland kritisierte. Der Vorwurf der Einflussnahme auf die ecuadorianische Politik sei nicht nur ein Affront gegen Chávez, sondern auch gegen den gewählten ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa, der am 15. Januar 2007 die Amtsgeschäfte aufnehmen wird. Die kolumbianische Außenministerin, Consuelo Araujo, musste sich daraufhin bei ihrem venezolanischen Kollegen entschuldigen.
In Ecuador nimmt der Unmut über das Nachbarland im Norden indes weiter zu. Der Grund: Seit Mitte Dezember versprühen Flugzeuge erneut das Totalherbizid Glyphosat im Grenzgebiet zu Ecuador. Glyphosat ist für seine extrem schädliche Wirkung sowohl auf die Umwelt als auch auf die menschliche Gesundheit bekannt. Es vernichtet nicht nur die illegalen Kokapflanzungen, gegen die es von der kolumbianischen Regierung eingesetzt wird, sondern auch die legalen Anbauprodukte der Bauern in der Region und ihre Nutztiere. Außerdem gelangt das Gift in Flüsse, wo die Fische sterben, sowie ins Grund- und damit auch ins Trinkwasser. Bei Menschen bewirkt es Haut- und Augenjucken, Übelkeit und Schwindelgefühl, Lungenödeme, sinkenden Blutdruck, allergische Reaktion, Unterleibsschmerzen, massiven Flüssigkeitsverlust im Magen-Darm-Bereich, Erbrechen, Ohnmacht, Zerstörung der roten Blutkörperchen, anormale Elektrokardiogramme, Nierenschäden und Nierenversagen. Insbesondere bei Kindern kann die Pestizidvergiftung sogar tödliche Auswirkungen haben.
Ecuador befürchtet neue Flüchtlingswelle
Ecuador hat umgehend die Einstellung der Herbizidversprühung gefordert. Die Kokapflanzen sollten stattdessen manuell beseitigt werden. In Ecuador leben bereits rund eine halbe Million kolumbianischer Flüchtlinge. Das kleine Land befürchtet nun, dass durch den erneuten Einsatz von Glyphosat eine neue Flüchtlingswelle ausgelöst wird.
Bereits im Jahr 2000 flüchteten laut UNESCO courier rund 20 000 Menschen aufgrund von Pestizideinsätzen gegen Kokapflanzungen nach Ecuador, 2002 kam es erneut zu einem Exodus. Zudem, so die ecuadorianische Position, würden auch Landwirtschaft und Urwaldgebiete auf der ecuadorianischen Seite durch das Gift schwer in Mitleidenschaft gezogen. Ecuador ist weltweit eines der Länder mit der höchsten Biodiversität. Da ein gutes Stück der Grenze, die nun besprüht wird, im Amazonastiefland verläuft, ist dort auch diese Artenvielfalt bedroht.
Nun veröffentlichte die kolumbianische Polizei eine Meldung, sie habe auf der ecuadorianischen Seite 15 Hektar Kokapflanzungen entdeckt – für Ecuadors Noch-Außenminister Francisco Carrión eine erfundene Behauptung, um die Position der ecuadorianischen Regierung gegen die Pflanzengifteinsätze zu schwächen.
Ich habe mich mit der ecuadorianischen Polizei und mit dem Verteidigungsministerium in Verbindung gesetzt, und sie haben gesagt, dass sie zwei Hektar in der Provinz Esmeraldas und zwei in Sucumbíos gefunden haben, aber dass diese Pflanzungen bereits zerstört wurden. (...) Wie es scheint, handelt es sich hierbei um einen weiteren Schritt, um Ecuador zu einer Beteiligung am Plan Colombia zu bewegen, was aber nicht geschehen wird.
Ecuadors Außenminister Francisco Carrión in El Comercio, 27.12.2006
Der Plan Colombia, eine gemeinsame Strategie der kolumbianischen und der US-Regierung, um sowohl die FARC-Guerilla als auch den Drogenhandel zu bekämpfen, sieht in der Tat die politische Einbeziehung der Nachbarländer vor:
Viele der Herausforderungen, vor denen Kolumbien steht, machen nicht an der kolumbianischen Grenze halt, sondern erfordern eine regionale Lösung. (...) Wir werden mit Kolumbiens Nachbarn zusammenarbeiten, insbesondere mit Bolivien, Ecuador, Peru und Panama, wobei wir auf bereits bestehenden Programmen aufbauen.
US-Diplomat Roger Noriega in einer Rede vom 11. Mai 2005
Während Anfangs noch die Rede davon war, den Konflikt zwischen Ecuador und Kolumbien durch Dialog zu lösen, verschärft sich die Lage seitdem täglich. Anstelle seiner nunmehr abgesagten Antrittsreise nach Kolumbien wird der designierte ecuadorianische Staatschef Correa in diesen Tagen ins Grenzgebiet reisen, um die durch Glyphosat verursachten Schäden persönlich in Augenschein zu nehmen. Kolumbiens Präsident Uribe beharrt unterdessen ebenfalls auf seinem Standpunkt:
Die Terroristen der FARC finanzieren sich aus dem Kokainhandel, deshalb ist es unsere Pflicht, die illegalen Koka-Pflanzungen zu vernichten. Wenn wir sie manuell vernichten, bedeutet das eine Gefahr für die Arbeiter und die Polizisten, die sie beschützen, da die Terroristen das Gebiet mit Minen übersäen. Deshalb greifen wir auf die Flugzeuge zurück.
Alvaro Uribe in einem Interview mit dem ecuadorianischen Fernsehsender Ecuavisa, 26.12.2006
Laut Uribe ist das Totalherbizid völlig ungefährlich. Er bezieht sich dabei auf eine Auftragsstudie vom kolumbianischen Landwirtschaftsinstitut. Auch werde Glyphosat viel in der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion eingesetzt, was seine Ungefährlichkeit beweise. Was der kolumbianische Präsident jedoch verschweigt, ist, dass das Pestizid in den Sprühflugzeugen erheblich höher dosiert ist als üblicherweise in der Landwirtschaft. Es handelt sich um das Mittel Round-Up Ultra, das der Monsanto-Konzern vertreibt (Roundup und das globale Amphibiensterben). In vielen US-Bundesstaaten ist das Herbizid aufgrund seiner gesundheitsgefährdenden Auswirkungen bereits völlig verboten.
Kolumbien hat zwar in Aussicht gestellt, die Herbizideinsätze innerhalb von wenigen Tagen zu beenden. Dennoch sind die Beziehungen laut Ecuadors Außenminister Carrión weiterhin äußerst angespannt, da Uribe eine Politik der „vollendeten Tatsachen“ beschreibe. Das sei keine Grundlage für einen Dialog.