Neues von der deutschen "Universitätshure"
Seite 2: Was aber gar nicht geht
- Neues von der deutschen "Universitätshure"
- Was aber gar nicht geht
- Nachweise
- Auf einer Seite lesen
Der allgemeine Erregungsgrad ist in der Tat an dieser Stelle niedrig. Die heutige "Universitätshure" kann aber auch anders, dann wird sie vergleichsweise fuchtig und verabschiedet etwa in Gestalt der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) 2019 nach der Terrorattacke in Halle eine Erklärung, die entschieden feststellt, dass an "deutschen Hochschulen kein Platz für Antisemitismus" ist ("Kein Platz für Antisemitismus – Entschließung der HRK-Mitgliederversammlung").
Man denkt natürlich, das ginge gegen die rechte Szene, die ja schließlich für die meisten antisemitischen Vorfälle verantwortlich ist. Doch die Entschließung beginnt so: "Die Mitgliederversammlung der HRK unterstützt die Resolution 'Gegen BDS und jeden Antisemitismus' des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft" sowie weiterer Organisationen bis hin zum Ring Christlich-Demokratischer Studenten.
BDS steht für die internationale propalästinensische Kampagne "Boycott, Divestment and Sanctions". Diese will (laut Wikipedia-Eintrag) "den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren, um ihre im Jahr 2005 beschlossenen Ziele durchzusetzen: Israel müsse die 'Okkupation und Kolonisierung allen arabischen Landes' beenden, das 'Grundrecht seiner arabisch-palästinensischen Bürger auf volle Gleichheit' anerkennen und 'das Recht der palästinensischen Flüchtlinge auf eine Rückkehr in ihre Heimat und zu ihrem Eigentum gemäß UN-Resolution 194 schützen und fördern'."
Dazu teilt die HRK mit, der Deutsche Bundestag habe "mit Annahme des Antrags Ds. 19/10191 'Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen' beschlossen, die BDS-Kampagne und den Aufruf zum Boykott von israelischen Waren oder Unternehmen sowie von israelischen Wissenschaftlern, Künstlern oder Sportlern zu verurteilen".
Diesem Beschluss von oben schließt sich die HRK umgehend und hundertprozentig an, mit der Folge, dass ein Gegenboykott in Kraft tritt, nämlich gegen die BDS-Initiative bzw. ihr nahestehende Personen, denen unter anderem Universitätsräume verwehrt werden.
Das betrifft auch jüdische Dissidenten, die den proisraelischen Kurs der Bundesrepublik nicht teilen, so das ehemalige Zentralratsmitglied Rolf Verleger, dessen Auftritte an Universitäten verhindert werden sollten. Verleger hat sich Ende 2019 in einem Offenen Brief an den HRK-Präsidenten gewandt und die Behinderung seiner Veranstaltungen geschildert.
In seinem Brief betont er, das Konstrukt des "israelbezogenen Antisemitismus", das dem Bundestagsbeschluss zu Grunde liege, diene dazu, das Eintreten für palästinensische Menschenrechte zu kriminalisieren und Kritiker der israelischen Politik mundtot zu machen.
Schlag gegen jüdische Tradition der Zionismuskritik
Wieland Hoban, Vorstandsmitglied der Organisation "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost", hat im Interview mit der Tageszeitung junge Welt darauf hingewiesen, dass damit gerade jüdische Kritik zensiert beziehungsweise jüdische Traditionen der Zionismuskritik ausgelöscht werden sollen.
Es würde versucht, Menschen auszugrenzen, "weil sie entweder faktisch oder angeblich Beziehungen zu BDS haben und eine kritische Haltung gegenüber Israel einnehmen. Die ist sehr wichtig, weil dadurch die Debatte um BDS erneut in den Vordergrund gestellt wird. Die Regierung will, dass die Diskussion um das Thema möglichst erstickt wird, zumal es einen Bericht der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages gibt, der ihren Ansichten widerspricht."
Laut Hobans Informationen sind die Wissenschaftlichen Dienste zu dem Schluss gekommen, dass die Resolution einen übermäßigen Eingriff in die Meinungsfreiheit darstellt; sie sei auch nicht gesetzlich verbindlich, die Juristen des Bundestags hätten sie als Meinungsäußerung eingestuft. Trotzdem bildet sie weiterhin die Leitlinie für den Umgang mit Kritik an der israelischer Politik.
Nun mag man von der BDS-Bewegung halten, was man will – sie ist erkennbar ein Derivat des Völkerrechtsidealismus und kopiert auch die offizielle Sanktionspolitik der Staatenwelt, wird dabei dann von den hiesigen Behörden mit demselben Instrument, einem Veranstaltungs-Boykott, traktiert –, ihr Kritikpunkt ist jedenfalls eindeutig die zionistische Politik und nicht die Natur oder Wesensart "des Juden".
Sie hat also nichts mit einer Position zu tun, wie sie etwa bei Heidegger vorliegt und weitgehend rehabilitiert ist: die Wesensbestimmung des Judentums mithilfe eines (in diesem Fall: nicht-biologistischen) Rassismus, der eine spezielle Degenerationsstufe in der allgemeinen "Seinsvergesseheit", dem Grundübel der seinsphilosophisch unbedarften Menschheit, diagnostiziert und zum existenziellen Problemfall stilisiert.
Eine Position übrigens, die für den heutigen Rassismus, der eher "kulturalistisch" als "naturalistisch" argumentiert, direkt anschlussfähig ist.
Cancelt die Cancel Culture!
Der Antizionismus, der im Fall BDS gebrandmarkt wird, kommt aber von links und stört die Regierungslinie – das erklärt, warum rigoros durchgegriffen wird. Gegen linke Positionen zu mobilisieren, sofern sie sich außerhalb der geregelten Spannbreite des hiesigen Pluralismus bewegen und sich universitär bemerkbar machen, ist sowieso selbstverständlich.
Ja, es gibt sogar viel Verständnis, wenn konservative Bedenken gegen progressive Entwicklungen des Hochschulbereichs angemeldet werden. So wurde 2020 die Klage laut, dass dort eine linke Meinungshoheit die offene Debatte verhindere.
Laut einem Bericht der Welt am Sonntag begannen Uni-Professoren, ein Netzwerk zur Unterstützung von Forschern zu gründen, die aufgrund ihrer Thesen unter Druck geraten. Seit der ersten Februarwoche ist es jetzt offiziell als "Netzwerk Wissenschaftsfreiheit" etabliert (FAZ, 10.02.2021).
Die Wissenschaftler beklagen mangelnde Meinungsfreiheit, politischen Druck und Einschüchterung an den Hochschulen. Oft genüge bereits der Verdacht, sich mit Thesen und Arbeiten nicht der Kollegenmehrheit anzuschließen, um unter Druck zu geraten (so das Interview mit dem Bonner Soziologen Rudolf Stichweh, General-Anzeiger, 08.12.2020).
Auch der Deutsche Hochschulverband (DHV) warnte vor "Einschränkungen der Meinungsfreiheit an Universitäten". Zur Erläuterung erfährt man in dem Interview mit Stichweh: "Vor allem Vertreter des rechts-konservativen politischen Lagers würden angegangen und eingeschüchtert."
Der Soziologe beklagt, es "fehle ein entsprechender Diskurs mit den Vertretern des konservativen und rechten Spektrums", dieser sei in Deutschland "sogar bewusst vermieden worden und gelte mittlerweile als verpönt".
So wurde etwa – das eine von zwei Beispielen, die Stichweh anführt – die Vorlesung des AfD-Mitbegründers Bernd Lucke gestört, und zwar von einem "guten Dutzend Demonstranten"! Unglaublich, mehr als zwölf Studenten kritisieren lautstark einen Professor in einer Lehrveranstaltung statt brav zuzuhören!
Möglicherweise, so wird aus den Beispielen gefolgert, droht eine "Cancel Culture", vor der die Rechtspopulisten in den USA immer wieder warnen. Ein Thema, das Thilo Sarrazin hierzulande ja schon mit seinem millionenfach verkauften Gemeinplatz "Man wird ja wohl noch sagen dürfen" breit getreten hat.
Und warum gibt es diese bedauerliche Diskursverengung im deutschen Universitätsbetrieb? Der Soziologie-Professor klärt auf: Es ist natürlich "historisch begründet – seit dem Ende des Nationalsozialismus gab es bei uns keine relevanten Rechts-Intellektuellen mehr, außer Carl Schmitt und Martin Heidegger, die aber nicht an die Universität zurückkehren konnten". Ein typisch deutsches Defizit, so heißt es weiter, das andere Länder wie Frankreich oder Niederlande nicht kennen.
Dabei ist die Bemerkung zu Heidegger falsch, die Lehrerlaubnis wurde ihm nur kurz entzogen, danach lehrte er munter an seiner alten Uni weiter. Und seitdem der ehemalige hochaktive Hochschulrektor das Zeitliche gesegnet hat, ist sein Geist in der deutschen Hochschullandschaft, wie gezeigt, immer noch heimisch.
Wer da mit einer Antisemitismus-Resolution im philosophischen Seminar aufträte, würde natürlich sofort im Namen der bedrohten Meinungsfreiheit ausgeschlossen, wahrscheinlich unter hohem Erregungsgrad der Lehrkräfte.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.