Nichts wird so bleiben wie es ist

Seite 2: Steuern und Verbote dürfen kein Tabu sein

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Wer das Klima retten will, tut gut daran, in den Annalen nachzulesen, wie andere Übel der Menschheitsgeschichte bekämpft worden sind. Die Sklaverei wurde nicht durch Appelle an das Gewissen oder durch eine Abgabe an die Sklavenhaltung abgeschafft, sondern 1865 durch einen Zusatzartikel in der amerikanischen Verfassung. Der blaue Himmel über dem Ruhrgebiet entstand ab Mitte der 60er Jahre nicht durch Handel mit Emissionsrechten, sondern durch Grenzwerte für chemische Immissionen (vor allem TA Luft von 1964). Das Ozonloch wurde nicht durch Subventionen für die Chemiewirtschaft bekämpft, sondern durch ein verbindliches Abkommen von 1987, das die Freisetzung von FCKW-Verbindungen verbot.

Diese Beispiele zeigen, dass es strikte gesetzliche Leitplanken der Politik waren, die große Wirkung entfalteten. In anderen Worten: Mit Appellen und Geld ist das Klima nicht zu retten. Das gilt vor allem dann, wenn staatliche Geldleistungen auch der Förderung der Wirtschaft dienen sollen.

Verräterisch ist deshalb das Rezept des CSU-Vorsitzenden Markus Söder: "Wir schützen das Klima und stärken die Konjunktur." Wer solches sagt, zeigt, dass er über den engen Zusammenhang zwischen Konjunktur und Klimaschäden nicht nachgedacht hat, und dass es ihm nicht primär um Klimaschutz geht. Wer - wie Union und FDP - Steuern und gesetzliche Verbote rigoros ablehnt, offenbart, dass in seiner Wertehierarchie Wahlergebnisse wichtiger sind als Klimaschutz.

Steuern dürfen als Lenkungsmittel nicht ausgeschlossen sein. Es wäre auch systemfremd. Warum sollte in einer Gesellschaft, die fast alles, z. B. Lebensmittel, Bücher, Hunde, Sekt und Vergnügungen, besteuert, ausgerechnet das Verbrennen von Klimaschädlingen wie Kohle, Öl und Gas nicht angemessen besteuert werden? Doch Lenkungssteuern sind kein Allheilmittel. Sie haben nämlich einen schwerwiegenden Nachteil: Sie belasten im Regelfall den "kleinen Mann" stärker als den Reichen. Einen gewissen Ausgleich kann ein sozial gerechtes Steuersystem leisten.

Wo Steuern an ihre Grenzen stoßen, schlägt die Stunde des Ordnungsrechts. Das Recht hat u. a. die Aufgabe, gemeinschaftsschädliches Verhalten unattraktiv zu machen. Wenn es also darum geht, Langzeitfolgen der fossilen Infrastruktur zu beenden, dann müssen schädliche Produktionsverfahren und deren Erzeugnisse sowie persönliches Fehlverhalten verboten werden.

Zur Ehrenrettung von Verboten sei ausdrücklich gesagt: Sie sind nichts Unanständiges. Wir kennen sie aus den heiligen Schriften und aus archaischen Gesetzeswerken. Auch moderne Rechtsordnungen funktionieren nur mit Verbotsnormen (z. B. Strafrecht, Straßenverkehrsrecht, Lebensmittelrecht, Wettbewerbsrecht). Der große Vorteil von Verboten ist, sie wenden sich an Arme und Reiche in gleicher Weise. Beispiel: Der Benzinpreis interessiert den Millionär nicht, wohl aber Tempolimit und Fahrverbot.

Klimahomöopathie

Es gibt heilige Kühe, an die sich die deutsche Politik nicht heranwagt: Kohlestrom, freie Fahrt für freie Bürger. Höchsten Schutz genießen "der Markt" und das Auto als Inbegriff der deutschen Wirtschaft. Das Klimapaket ist der beste Beweis hierfür. Drei Cent mehr für den Liter Benzin! Das macht den Unterschied aus zwischen dem Tanken morgens und abends.

Oder: Wenn der neue SUV zu viel Sprit säuft, bekommt sein Halter zur Schmerzlinderung eine höhere Pendlerpauschale. Solche Regelungen sind ein klimapolitischer Offenbarungseid. Gleiches gilt für die vorgesehenen Zuschläge für Flüge. Sie verleiten niemanden zur Benutzung der Bahn, geschweige denn zum Verzicht auf den Urlaubsflug in die Karibik.

Wenn Klimaschutz ernst gemeint ist, warum nicht gesetzliche Regelungen, die den Erholungsurlaub in Mecklenburg-Vorpommern oder das Bergwandern im Allgäu attraktiver machen? Wirksame Abhilfe wäre so einfach: Verbot von Inlandsflügen, Tempolimit auf Autobahnen, kostenloser öffentlicher Nahverkehr, Abschaltung der veralteten Kohlekraftwerke. Mit ein paar Federstrichen könnte sehr viel für das Klima getan werden.

Unbezahlbar?? Nein! Die langfristigen (Umwelt- und Klima-) Schäden der CO2-Wirtschaft sind ungleich teurer. Die Idee, mit neuer Technik die negativen Folgen alter Technik zu beseitigen, ist problematisch. Sie gleicht dem Versuch, Brandwunden auszubrennen. Nicht jede Innovation ist ein Fortschritt. Der wirksamste Klimaschutz ist nämlich nicht ein neues E-Auto, sondern ein Verkehrssystem, das den Privat-PKW entbehrlich macht. Ein nüchterner Blick zeigt: Das was die GroKo beschlossen hat, ist Klimahomöopathie.