"Nieder mit dem Volksverräter - Er hat das M-Wort gesagt!"

Seite 5: Wieder ein Volksentscheid?

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Aus Sicht der Veranstalter war die erste Demonstration in Thessaloniki ein unbestreitbarer Erfolg. Als Stargast sprach der "Chef der griechischen Streitkräfte" hc General a.D. Frangoulis Frangos, der einen Volksentscheid forderte und mit nationalistischen Floskeln den Grundstein für eine eigene politische Karriere legte. Mit ihm sprach auch der Bischof von Thessaloniki Anthimos zu den Demonstranten. Die Kirche steht auf Seiten der Nationalisten. Kirchenvertreter waren während der gesamten Demonstration auf dem Rednerpult präsent. Unter den Demonstranten fanden sich auch zahlreiche Mönche und Nonnen, die gemeinsam mit in antike Kostüme gekleideten Griechen Parolen riefen.

Zeitgleich zur Demo in Thessaloniki hielt im peloponnesischen Kalawrita, das im Weltkrieg von SS-Truppen niedergebrannt wurde, der dortige Bischof Amvrosios seine Demonstrationspredigt. Dort, wo die SS die Bürger niedergemetzelt hatte, fand es Amvrosios passend zu sagen:

Einige wagten es mich, mit Amvrosios der Nazi, Amvrosios der Junta, Amvrosios der Nationalist zu betiteln. All jenen antworte ich von dieser Stelle aus, dass mir all dies lieber ist, weil es mit der Heimat verbunden ist. Also ich werde lieber Faschist als kommunistischer Bandit, Revolutionär oder Verräter genannt. Faschist, ja - kommunistischer Bandit niemals!

Bischof Amvrosios

Hierbei ist anzumerken, dass ein ebenfalls national gesinnter orthodoxer Kirchenfürst, Chrysostomos zu Zypern, gelassener reagiert. Der Zypriot, der aus seiner Sympathie für die zypriotische Schwesterpartei der Goldenen Morgenröte keinen Hehl macht, meint, dass FYROM sich nennen könne, wie es halt wolle. Mazedonien sei und bleibe ein griechisches Wort und jeglicher Versuch der Geschichtsfälschung sei zu Scheitern verurteilt. Zudem sei, so Chrysostomos, das Land viel zu klein, um Griechenland gefährlich zu werden.

Statt zu demonstrieren, sollten die Griechen, meint der zypriotische Bischof, vielmehr an Plänen arbeiten, wie sie den Nachbarstaat wirtschaftlich abhängig machen und auf diese Weise kontrollieren könnten. Der griechische Erzbischof von Athen und ganz Griechenland, Ieronymos, hielt sich mit öffentlichen Äußerungen zurück. Er möchte es sich weder mit der Regierung noch mit dem Teil seiner Kollegen, die extremistischen politischen Tendenzen zugeneigt sind, verderben. Dadurch entsteht auch bezüglich der Kirche ein schiefes Bild in der Bevölkerung, die sich in Gegner und Befürworter einer Lösung teilt.

Nachlese der Demo

Rund um die Demonstration kam es zu einigen Ausschreitungen. Rechtsextreme brannten eine von Autonomen besetzte, unter Denkmalschutz stehende neoklassische Villa in Thessaloniki ab. Die Hausbesetzung hatte bislang das Gebäude vor dem Verfall bewahrt. Allerdings stehen die Besetzer bei den Demonstranten im Sinn von Bischof Amvrosios im Verdacht des Verrats. Von den Polizeikräften wurden sie bei ihrem Tun nicht behindert. Dem Feuer zum Opfer fiel dabei eine gut ausgestattete Leihbibliothek.

Im Stadtgebiet von Thessaloniki wurden an vielen Orten antisemitische Parolen an die Wände geschmiert und entsprechende Plakate geklebt. Das Holocaustmahnmal der Stadt wurde mit dem Schriftzug der Goldenen Morgenröte versehen.

Für Tsipras wird es nun ungleich schwerer, das auch von seinem Koalitionspartner geforderte Plebiszit zu verweigern. Die intransparente Verhandlungspolitik im brisanten Thema hat zudem die Griechen wieder auf die Straße zum Demonstrieren gebracht. Zuletzt hatte es Demonstrationen vergleichbaren Ausmaßes 2011 zur Zeit der Bewegung der "Empörten" gegeben.

Die Opposition um Kyriakos Mitsotakis hingegen versucht, trotz des Erbes von Karamanlis Senior und Mitsotakis Senior den Namensstreit für ihr eigenes politisches Programm auszunutzen. Im Endeffekt kümmert sich jedoch niemand um den Kern des Problems, die extremistischen Töne aus der Nachbarrepublik, Albanien, Bulgarien, aber auch aus Griechenland, welche die bestehenden Grenzen in Frage stellen.

Einer der Hauptgründe für das aktuelle Problem liegt, wie so vieles auf dem Balkan, in der üblichen Verfahrensweise der verantwortlichen Politiker. Die heute ach so patriotischen Redner auf beiden Seiten der Grenze wechseln gern die Ideologie, wenn es um ihren Regierungsposten geht.