Niederlande im "Abend-Lockdown"
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Hausärzte sind wachsenden Aggressionen ausgesetzt und schaffen nur noch das Allernötigste. Erste Haftstrafen wegen Rotterdamer Krawallnacht und Online-Verbot für Anstifter
Der Corona-Fahrplan der niederländischen Regierung sah eigentlich anders aus: Im November sollten die letzten Regeln aufgegeben werden. Stattdessen wurden sie diesen Monat nun schon zweimal verschärft: zuerst zu einem "Teil-Lockdown" ab dem 13. November, ab Sonntag dann zu einem umfassenderen "Abend-Lockdown". Dieser war aufgrund der zunehmenden Not im Gesundheitssystem auf einer außerplanmäßigen Pressekonferenz am vergangenen Freitag angekündigt worden:
Mit Ausnahme von "essenziellen Geschäften" wie Supermärkten, Drogerien oder Optikern, die bis 20 Uhr geöffnet sein dürfen, muss nun um 17 Uhr alles schließen, wobei die Geschäfte in den meisten niederländischen Städten inzwischen auch sonntags geöffnet sind. Damit fällt auch insbesondere für Restaurants das Abendgeschäft weg, das bis Samstag noch mit einer 3-G-Regel möglich war.
Zudem kehren die festen Abstandsregeln zurück, die zuvor mit Einführung des "Coronazugangsbeweises" aufgegeben worden waren. Das heißt, dass nun auch vor 17 Uhr weniger Kunden hereingelassen werden dürfen. Das trifft neben Cafés und Restaurants auch Kinos, Theater und Konzertsäle.
Der Abend-Lockdown gilt ebenso für Amateursport wie Fitnessclubs und Sportvereine. Allerdings darf man sich nach 17 Uhr in Gruppen mit bis zu vier Personen und einem Lehrer zum Sport verabreden. Da die Sportstätten dann geschlossen sein müssen, bleiben wohl nur Parks und öffentliche Plätze. Für Spitzensportler gibt es Ausnahmen.
Die Schulen und Hochschulen bleiben zwar offen. Die Maskenpflicht außerhalb der Klassen wird allerdings auf die Schulkinder ab neun bis zehn Jahren ausgedehnt. Allerdings handelt es sich hierbei nur um eine "dringende Empfehlung", deren Übertretung wahrscheinlich nicht bestraft wird.
An Schulen fänden zwar zurzeit viele Infektionen mit dem Coronavirus statt. Eine Schulschließung würde den Kindern aber zu sehr schaden, während sie selten schwer an Covid-19 erkrankten, hieß es. Lehrerinnen und Lehrer sollen sich häufiger testen lassen.
Im Vorfeld der Verschärfungen warnte der niederländische Staatsrat (niederl. Raad van State) die Regierung vor Maßnahmen im "Jojo-Stil": Bei zu häufigen Regeländerungen würde die Akzeptanz in der Bevölkerung sinken. Der Staatsrat fungiert nicht nur als oberstes Verwaltungsgericht, sondern auch als Ratgeber.
Die schon seit Januar nur noch geschäftsführende Regierung unter Mark Rutte will die Lage am 14. Dezember neu beurteilen. Die schärferen Regeln sollen aber mindestens bis zum 19. Dezember gelten, also bis kurz vor Weihnachten.
Große Not im Gesundheitssystem
Bereits Anfang November warnten die Leiterinnen und Leiter niederländischer Intensivstationen vor fehlenden Kapazitäten. Nun gab es am vergangenen Donnerstag unterschiedliche Stimmen darüber, wie ernst die Lage zurzeit ist:
Einerseits warnte Bianca Buurman, Vorsitzende der Vereinigung der Pflegekräfte V&VN, in der Nachrichtensendung Nieuwsuur vor dem Eintreten des Worst-Case-Szenarios. Wenn die Infektionszahlen nicht abnähmen, könnten die Krankenhäuser in zwei bis drei Wochen nicht mehr die nötige Versorgung leisten. Man müsse sich auf die größte Krisenstufe, in den Niederlanden "Code Schwarz" genannt, vorbereiten.
Etwas weniger dramatisch sahen das Ernst Kuipers, der die landesweiten Kapazitäten für die Patientinnen und Patienten kontrolliert, sowie Gesundheitsminister Hugo de Jonge. Man könne die Kapazitäten noch erhöhen und zum Teil auch Hilfe aus Deutschland bekommen.
Momentan würden rund 28 Prozent der Ressourcen in den Krankenhäusern für Coronapatienten aufgebracht. Das Verschieben anderer Behandlungen führe aber schon jetzt zu "bitteren Situationen".
Unterdessen hätten es Hausärzte zunehmend mit problematischen Patienten zu tun, meldete deren nationale Vereinigung am Donnerstag: Manche würden sich nicht an die Regeln halten und dann aggressiv reagieren.
In der Gemeinde Veth bei Den Haag seien in der Nacht die Scheiben einer Hausarztpraxis eingeworfen worden. Zuvor war es in einer Praxis in Leiden zur Brandstiftung gekommen, nachdem sich der Hausarzt öffentlich für die Impfung ausgesprochen habe. Bei den Aufräumarbeiten entdeckte der Arzt auch einen Durchschuss in der Glasscheibe der Eingangstür.
Laut dem Bericht reagieren manche Praxen auf solche Vorfälle mit organisatorischen und baulichen Maßnahmen: Patienten lasse man über eine Sprechanlage nur noch ins Gebäude, wenn sie einen Termin hätten. Der Empfang sei dann gleich am Eingang. Türen habe man mit dickerem Glas verstärkt. Man konzentriere sich nun auf die "allernötigste" Behandlung.
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