No poetry among water drinkers?
Seite 3: Wer den Rausch sucht
Aber warum? Wenn Drogen ihnen nicht halfen, ihre Werke zu schaffen - warum haben so viele Künstler dann Drogen genommen? Wir sprachen oben von zwei Möglichkeiten, diese Korrelation zu erklären. Die zweite ist bislang offen geblieben: dass nicht Drogen kreativ machen, sondern Kreativität anfällig macht für Drogen.
Wir erinnern uns: Ein gemeinsames Merkmal kreativer Menschen ist die Offenheit für Erfahrungen. Und neue Erfahrungen versprechen Drogen sicherlich, auch neue Selbsterkenntnis, neue Sichtweisen der Welt. In einer klassischen Studie, in der nach Langzeitwirkungen von LSD auf die Persönlichkeit gesucht wurde, wurden die Teilnehmer eingangs nach ihrer Haltung zu LSD befragt. Es überrascht nicht, dass sie umso intuitiver, schizotypischer und hypomanischer waren, je mehr sie dem Halluzinogen positiv gegenüberstanden, und umso gewissenhafter, verheirateter und kirchgehender, je stärker sie dagegen eingestellt waren. Die LSD-Freunde verfügten also über die Persönlichkeitsmerkmale kreativer Menschen. Wenn also Psychonauten besonders kreativ sind, muss das nicht an den psychedelischen Drogen liegen - sondern wahrscheinlicher an ihrer Persönlichkeit.
Wenn man durch die psychologische Ebene hindurch bohrt zur neurobiologischen, dann stößt man wieder einmal auf den Transmitter Dopamin. Etliche Studien der letzten Jahre bringen genetische Unterschiede im Dopaminsystem in Zusammenhang mit Persönlichkeitsmerkmalen, die mit Kreativität zu tun haben. Unterschiedliche Formen eines bestimmten Rezeptors, nämlich des Dopamin-Rezeptors Nummer 2 (also kurz D2-Rezeptor), beeinflussen sowohl, wie stark das seitliche Stirnhirn durch Belohnungen aktiviert wird, als auch die Persönlichkeitsdimension "Offenheit für Erfahrungen". Zugleich ist Dopamin als Botenstoff des Verstärkungssystems der Hebel, der Drogengenuss oder die Suche nach neuen Erlebnissen umsetzt.
Zwar gibt es noch keine abschließende Einigkeit darüber, ob man suchtanfällig wird durch ein besonders aktives Dopaminsystem (weil dann Drogen besonders stark wirken), oder durch ein besonders schwerfälliges (weil Drogen den Mangel kompensieren). Vielleicht ist ja auch beides der Fall. Aber die Vermutung liegt nahe, dass diejenigen Eigenschaften des Dopaminsystems, die einen Menschen neugierig, offen und kreativ machen, ihn auch gerne zu Rauschmitteln greifen lassen.
Dieser Text ist ein gekürzter Ausschnitt aus dem Buch "Das schöpferische Gehirn. Auf der Suche nach der Kreativität - eine Fahndung in sieben Tagen" von Konrad Lehmann, erschienen im Oktober 2017 im Springer Verlag.
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