Noch ein Geheimdienst
Nachdem das DARPA-Projekt "Total Information Awareness" nur noch eingeschränkt fortgeführt werden kann, richtet Präsident Bush im Weißen Haus ein ähnliches Programm ein
Wie bekämpft man etwas? Man schafft eine neue Behörde. Das ist nicht der politische Stil, wie man ihn vermutlich in Deutschland suchen würde, sondern die bewährte Losung von US-Präsident Bush. Nachdem er bereits ein neues Superministerium für die Überwachung geschaffen hat (Und die Lösung ist: ein neues Ministerium), machte er in seiner Rede an die Nation dieser noch einmal klar, dass er auch gerne neben all den bestehenden Geheimdiensten ganz schnell noch einen Supergeheimdienst einrichten will - angesiedelt im Weißen Haus, gewissermaßen zur persönlichen Verfügung.
Während das Haushaltsdefizit der USA vornehmlich durch den doppelten Kampf des Präsidenten an der inländischen (Sicherheits-, Steuer- und Wirtschafts-)Front und an der ausländischen Front des Kampfs gegen den Terrorismus stetig wächst und mittlerweile nach dem Congressional Budget Office auf 199 Milliarden US-Dollar angestiegen ist (ohne Berücksichtigung der Kosten des Irak-Kriegs und der Steuerkürzungen), neigt Bush offenbar weiter dazu, nicht die Strukturen zu reformieren, sondern durch Neues zu überwölben.
Die neue Sicherheitsbehörde für Homeland Security (Big Brother Staat USA?) ist lediglich ein neuer Moloch, der durch Umverteilung und Hierarchie sowie viel Geld und vielen neuen Jobs eine Reform der zahlreichen Geheimdienste und Sicherheitsbehörden umgeht. Das Ministerium dient wohl vor allem dazu, die Handlungsbereitschaft des Präsidenten zu demonstrieren und ihm einen Eintrag in die amerikanische Geschichte zu sichern, anstatt die Mängel zu verbessern, die das Scheitern der mächtigen Geheimdienste an Warnungen vor den Anschlägen am 11.9. offenbart haben.
Aber Bush reichen nicht ein neues Ministerium, ein anschwellender Rüstungsapparat, zahlreiche neue Gesetze und die Entwicklung neuer Rüstungs- und Überwachungstechnologien nicht, er will offenbar all das noch einmal toppen, indem er im Weißen Haus einen eigenen Geheimdienst einzurichten sucht, der noch über allen einzelnen Behörden und dem Ministerium für Home Security steht und dem alle Informationen der inländischen und ausländischen Sicherheitsbehörden zufließen. Möglicherweise dient das von Bush angekündigte "Terrorist Threat Integration Center" (TTIC), das dem Chef des CIA unterstehen soll, auch als Alternative zu einem Projekt, das aus verschiedenen Gründen nicht recht vorankommt und auf breiter Front abgelehnt wird.
TTIC ist wohl auch als Mammut-Datenbank gedacht, die alle Daten zusammenfasst, die von der Polizei als auch den Geheimdiensten gesammelt wurden ("Integrate terrorist-related information collected domestically and abroad in order to form the most comprehensive possible threat picture"). Ähnlichkeiten mit dem umstrittenen Pentagon-Projekt Total Information Awareness, das gerade erst einer schärferen Kontrolle des Kongresses unterworfen wurde, dürften nicht weit hergeholt sein (Das DARPA-Überwachungsprojekt soll an die Leine gelegt werden).
"Unsere Regierung muss bestmöglich informiert sein", erklärte Bush in seiner Rede an die Nation. "Und diese Informationen werden wir nutzen, um sicher zu stellen, dass die richtigen Leute am richtigen Ort sein werden, um alle unsere Bürger zu schützen."
Wirklich Genaueres ist über das vom Weißen Haus veröffentlichten Fact Sheet hinaus noch nicht bekannt. Dazu werden auch Datenbanken mit "bekannten und vermeintlichen Terroristen" gehören. David Sobel von der Bürgerrechtsorganisation EPIC kritisierte, dass "bisher nichts über diese Idee veröffentlicht wurde, was einen klaren Überblick darüber gibt, in welchem Ausmaß dieses Programm Daten der amerikanischen Bürger zusammenfasst."
Ein Mitarbeiter des Justizministerium erklärte, dass das TTIC nicht die Pläne von Pointdexters TIA weiterführen soll (Totale Überwachung), sondern es handele sich nur darum, die Abteilungen der Behörden zusammen zu bringen, die mit dem Terrorismus zu tun haben. Justizminister Ashcroft wurde allerdings ein wenig deutlicher:
"Das TTIC will sicher stellen, dass Informationen über terroristische Bedrohungen umfassend über alle Behörden hinweg zusammen geführt und analysiert und dann den Beamten des Bundes, des Landes und der Kommunen übergeben werden, die sie am meisten benötigen. Wir werden unsere Möglichkeiten optimieren können, Informationen zu analysieren, ein Bedrohungsszenario zu erstellen, das so umfassend wie möglich ist, und Pläne zu entwickeln, wie wir terroristische Anschläge verhindern."
Lee Tien von der Electronic Frontier Foundation (EFF) denkt, dass mit dem TTIC ermöglicht werden soll, Data-Mining-Programme weiter entwickeln zu können, "die nichts mit Poindexter zu tun haben". Dessen kontroverse Person hat sich für das TIA-Programm als "Tretmine" für das gesamte Programm erwiesen.
Ob und in wie weit TTIC tatsächlich auf der Entwicklung neuer Data-Mining-Programme basiert, ist noch nicht klar. Doch sollte der von Sen. Russ Feingold eingebrachte Gesetzesvorschlag (a bill to regulate Data Mining) in Kraft treten, so wäre er zumindest theoretisch auf das TTIC anzuwenden. Allerdings werden die im Weißen Haus angesiedelten Einrichtungen nicht vom Kongress kontrolliert. Und genau dies macht vermutlich die Attraktivität der Idee aus, einen persönlichen Super-Geheimdienst des Präsidenten zu installieren, bei dem alle Informationen zusammen laufen.