"Noch eine Partei der Mitte braucht kein Mensch"

Seite 2: "Böll-Stiftung zur Hälfte ein neokonservativer Thinktank"

Die Grünen-nahe Heinrich-Böll Stiftung propagiert in einem Aufruf für eine "substantielle Erhöhung" des deutschen Militäretats und für ein Festhalten an der Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland. Weshalb vertreten ausgerechnet diese Stiftung und grünennahe Denkfabriken wie das Zentrum für Liberale Moderne heute außen-und verteidigungspolitische Positionen, die man lange Zeit als nicht kompatibel mit der Programmatik der Partei angesehen hätte?

Ludger Volmer: Die Heinrich-Böll-Stiftung ist höchstens zur Hälfte, das Zentrum für liberale Moderne ist überhaupt nicht grünennah. Stiftungen dürfen keine Parteiarbeit machen: Die Böll-Stiftung hat aber von Beginn an ihre Parteiferne geradezu provokativ zelebriert. Unter der Führung von Ralf Fücks wurde eine Hälfte zu einem neokonservativen Thinktank. Seine Nachfolgerin macht es nicht anders. Von dem militärpolitischen Papier der Stiftung haben sich viele Außenpolitiker der Partei deutlich distanziert.

Es entspricht in den wesentlichen Punkten nicht der Programmlage. Was die ökologische Umgestaltung des Landes angeht, leistet die Stiftung gute Arbeit, bei außenpolitischen Themen sollte der grüne Bundesvorstand qualifiziertere Berater anhören. Manchmal frage ich mich: Was würde eigentlich Heinrich Böll selbst, der, auf der Straße sitzend, US-Raketendepots blockiert hat, zum Treiben der Stiftung sagen, die seinen Namen trägt?

Was, denken Sie, treibt die Protagonisten an, also Ralf Fücks vom Zentrum Liberale Moderne sowie die Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung, Barbara Unmüßig, die Sie ja noch aus Ihrer Zeit als Bundestagsabgeordneter kennen?

Ludger Volmer: Wegen der Doppelspitze in der Stiftung gilt das Zwei-Schlüssel-Prinzip, das den anderen Teil, der ausgezeichnete Arbeit leistet, dummerweise mit in Haftung nimmt. Motive? Da müssten Sie Ralf Fücks selbst fragen. Im Kuratorium seines Zentrums tummeln sich neben strukturkonservativen Transatlantikern Wirtschaftslobbyisten von CDU und FDP, Ex-MdBs, die als Scharfmacher gegen die Grünen aufgetreten sind.

Das Zentrum scheint viel Geld zu haben, was die Frage nach der Quelle aufwirft. Immerhin rühmt sich Fücks immer wieder enger Kontakte zu Anti-Putin-Oligarchen in Russland. Und in den USA weitete er als Befürworter des Irak-Krieges die Dialogstrategie der Böll-Stiftung tief in das Lager der Neocons aus.

Seine gesamte politische Biografie, beginnend als einer der Chefideologen des maoistischen KBW (Kommunistischer Bund Westdeutschland), weist eine stramme Stoßrichtung gegen Moskau aus. Manchen gefällt das. Doch Teilnehmer des "Petersburger Dialogs", der eigentlich der Verständigung mit Russland dienen sollte, beschweren sich inzwischen, dass Fücks und seine Leute das Forum für permanente Angriffe gegen Moskau umfunktionieren.

"Gibt in Deutschland keine linken Mehrheiten"

Die tageszeitung (taz) zitierte Jürgen Trittin unlängst zu den außenpolitischen Thesen der Böll-Stifung: "Wer von einer Neubestimmung des transatlantischen Verhältnisses redet, sollte mehr liefern, als Rezepte der 80er Jahre." Eine Minderheitenposition oder die Meinung einer schweigenden Mehrheit?

Ludger Volmer: Jürgen Trittin vertritt damit die Position des neuen Grundsatzprogramms. Leider war diese, auch wegen eigener innerparteilicher Fehler, zwischenzeitlich in die Defensive geraten. Man kann nur hoffen, dass die Partei wieder in die Spur zurückfindet, die sie hat entstehen lassen.

Die Grünen befinden sich in Umfragen auf Erfolgskurs. Befürchten Sie im Falle einer schwarz-grünen Regierung auf Bundesebene, dass die Grünen die Union in der Außen- und Verteidigungspolitik rechts überholen?

Ludger Volmer: Was sollen die Grünen machen, wenn es für Grün-Rot-Rot nicht reicht? Wieder eine schwarz-rote Koalition zulassen und dann meckern, dass es keine konsequente Klimapolitik gibt? Um eine grün-rot-rote Koalition zu bekommen, müssten viele Leute noch eine Menge unternehmen, was sie aber nicht tun.

Es gibt in Deutschland keine linken Mehrheiten, nur Mehrheiten mit oder Mehrheiten ohne Linke. Eine rechnerische Mehrheit für Grün-Rot-Rot gibt es nur, wenn die SPD, vielleicht auch die Grünen, weit in die rechte Mitte ausholen.

Was ist, wenn es dann rechnerisch reicht, die Linkspartei aber nicht regierungswillig und -fähig ist? Dass die Grünen sich auf den wahrscheinlichen Fall von Schwarz-Grün vorbereiten, kann man ihnen nicht verdenken, wenn man keine praktische Alternative im Angebot hat. Schwarz-Grün kann die Grünen Kopf und Kragen kosten. Das Hohngelächter wird groß sein im linken Lager – bis ihm dämmert, dass die einzige reale Hoffnung auf Veränderung verspielt ist.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.