Noch mehr Geld für Atomforschung?
Die EU will das Budget auf 4,1 Milliarden Euro anheben, für erneuerbare Energien und Energieeffizienz sind nur 770 Millionen vorgesehen
Wenige Tage vor dem 20. Jahrestag des Reaktorunfalls in Tschernobyl wurden Pläne der EU bekannt, wonach die Mittel für Atomforschung für die Jahre 2007 bis 2011 erheblich aufgestockt werden sollen. Ein Großteil davon dürfte in Forschungen zur Kernfusion fließen, die im Vergleich zur Kernspaltung weniger umstritten ist. Die österreichischen Grünen bemängeln aber, dass gegenüber den 4,1 Milliarden Euro nur etwa 770 Millionen Euro für die Bereiche erneuerbare Energien und Energieeffizienz im EU-Forschungsbudget veranschlagt wurden. Sie wollen jetzt, dass die konservative österreichische Regierung im Sinne der atomkritischen Bevölkerung agiert und gegen den EU-Plan notfalls ein Veto einlegt.
Bei einer informellen Tagung des EU-Wettbewerbsrats Mitte April in Graz starteten die Budget-Verhandlungen zum 7. EU-Rahmenprogramm Forschung für die Jahre 2007 bis 2013. Dieses soll von 19,2 Milliarden Euro (2002 – 2006) auf 54,2 Milliarden aufgestockt werden. Zur Diskussion steht nun, wer wie viele Mittel erhält. Inmitten des Verteilungspokers ließen die österreichischen Grünen aufhorchen, die Zahlen zu einer geplanten Mittelaufstockungen für den Atombereich vorlegten. Das europäische EU-Atomforschungsprogramm (Euratom) wird zwar nur für fünf Jahre aufgelegt (2007 – 2011) aber im allgemeinen EU-Forschungsbudget mitverhandelt. Unter Berufung auf Angaben der EU-Kommission soll laut der österreichischen Öko-Partei das Budget folgendermaßen aussehen:
Was der Partei besonders aufstößt, ist, dass auch Mittel für die Entwicklung neuer Reaktorkonzepte vorgesehen sind. In den Unterlagen zu einer Pressekonferenz der Oppositionspartei heißt es dazu:
Konkret sind im Bereich Kernspaltung im Vorschlag der EU-Kommission folgende Ziele und Aktivitäten genannt:
- Ressourceneffiziente und wettbewerbsorientierte Nutzung der Kernenergie
- Entwicklung neuer Technologien für die Wiederaufbereitung von Atommüll („Trennungs-und Transmutationstechnologie “)
- Forschung an neuen Reaktorsystemen
- Entwicklung von Materialtestreaktoren
Es geht bei der Forschung im Bereich Kernspaltung auch um die Erforschung neuer Atomreaktoren (so genannte Reaktoren der Generation 4).
Die zuständige österreichische Ministerin, Elisabeth Gehrer, von der konservativen ÖVP konterte, dass lediglich 2,75 Milliarden Euro vorgesehen wären. Die Summe von 4,1 Milliarden Euro war bei dem informellen Treffen in Graz aber tatsächlich im Gespräch, wie die meisten österreichischen Medien festhielten. Das ressortverantwortliche Ministerium wandte gegen die Grünen-Vorwürfe außerdem ein, dass drei Viertel der Mittel in die Fusionsforschung gehen würden. Die Kernfusion ist nun seit langem eine Vision der Wissenschaftler. Doch selbst die Optimisten unter den Forschern erwarten frühestens in dreißig bis fünfzig Jahren tatsächliche Erfolge. Der inzwischen verstorbene Kernphysiker William E. Parkins meinte in einem in dem wissenschaftlichen Fachmagazin Science veröffentlichten Manuskript, dass Kernfusionsreaktoren nie mehr Geld und Energie abwerfen werden, als man zuvor in sie hineingesteckt hat. Das derzeit einzige Projekt in Europa, ein Fusionsreaktor im britischen Culham, wies bisher immer eine negative Energiebilanz auf.
Die künftigen Euratom-Mittel werden primär in einen neuen Forschungsreaktor mit Standort Frankreich fließen (Frankreich strahlt). „Das ITER-Projekt ist eine bedeutende Unternehmung auf dem Weg zur Fusionsenergie. Für die 35-jährige Dauer des Experiments werden Kosten von ungefähr 10 Milliarden EUR erwartet“, heißt es dazu auf der EU-Website.
Dagegen wirkt die von den Grünen genannte Fördersumme von 770 Millionen Euro (2007 – 2013) für die Bereiche erneuerbare Energien und Energieeffizienz tatsächlich schäbig. „Pro Jahr soll also für die Atomforschung mehr als das Siebenfache dessen ausgegeben werden, was für die Bereiche erneuerbare Energien und Energieeffizienz vorgesehen ist“, empören sich die Grünen. Eine unschöne Optik der bisher bekannt gewordenen Zahlen zur Aufteilung des Forschungsbudgets ist jedenfalls nicht wegzudiskutieren.
Die österreichische Bevölkerung hat bereits vor vielen Jahren per Volksabstimmung gegen eigene Atomkraftwerke gestimmt, die Sensibilität in diesem Bereich ist entsprechend groß. Grünen-Chef Alexander Van der Bellen forderte deshalb, dass der Beschluss des EU-Rates bezüglich der Mittel für das Euratom-Programm nicht umgesetzt werde. Die grüne Vizechefin und Umweltjuristin, Eva Glawischnig, ergänzte in einem Interview, dass die österreichische Bundesregierung notfalls auch ein Veto ins Auge fassen sollte. Der Wirtschaftsprofessor Van der Bellen ist darüber hinaus der Meinung, dass der Subventionierung von Atom-Energie generell ein Ende gesetzt werden sollte. Sie bedeute nämlich eine "Wettbewerbsverzerrung ersten Ranges".