Noch ungerechter als vorher?
Die Rundfunkgerätegebühr soll in eine "Haushaltsabgabe" umgewandelt werden
Die Ministerpräsidenten der Bundesländer berieten in der letzten Woche in Mainz über eine Umstellung der Rundfunkgebührenerhebung. Die Auffassung, dass hier, wie es in der Politik heißt, "Handlungsbedarf" besteht, wird auch in der Bevölkerung geteilt: Mitarbeiter der GEZ machten sich mit ihren Methoden nicht unbedingt beliebt, die Ausweitung der Zahlungspflicht auf Computerbenutzer, die bewusst auf Radio und Fernsehen verzichten, führte zu einer sinkenden Akzeptanz der Gebühr und die Qualität der Degeto-, Pilcher-, Knopp-, Volksmusik- und Soap-geprägten Hauptangebote hatte den Effekt, dass immer mehr Menschen das Modell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überhaupt in Frage stellten.
Überwiegend oder ausschließlich Grundversorgung im engeren Sinne bieten nur mehr der Bildungskanal BR alpha und eine Handvoll Radioprogramme wie Bayern 2, Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur. Dabei sind diese echten Grundversorgungssender deutlich billiger, als die Hauptprogramme, die sich spätestens seit den 1990ern hauptsächlich als Konkurrenz zum Privatfernsehen gebärden: Man hätte mittlerweile, wie der biblische Lot (Monitor), wahrscheinlich Mühe, in Sodom (Das Erste) und Gomorrha (ZDF) weitere zehn Gerechte im Programm zu finden. Und während das ZDF 2008 mit 1,73 Milliarden fast ein Viertel der GEZ-Gesamteinnahmen verschlang, kam ein Sender wie Deutschlandradio Kultur mit 183 Millionen Euro aus. Rechnet man großzügige 400 Millionen für einen öffentlich-rechtlichen Bildungskanal, dann wäre eine stattliche Grundversorgung mit einem Fernseh- und drei Radiokanälen schon für deutlich weniger als eine Milliarde Euro zu haben. Ein Bruchteil dessen, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk jetzt kostet - wodurch die Gebühr von 17,98 monatlich auf 2,50 Euro sinken könnte.1
Hinzu kommt, dass heute (anders als in der Vergangenheit) statt eines Informationsmangels ein Informationsüberfluss herrscht. Deshalb wird sich möglicherweise auch das Bundesverfassungsgericht einmal mit der Frage beschäftigen, inwieweit technologische Neuerungen das verändern, was "Grundversorgung" ist. Und, ob das Vorhalten von Anstalten, die sich (wie unter anderem der Drehbuchskandal ins Bewusstsein rief) zu Verteilungsnetzwerken entwickelt haben, tatsächlich geeignet, erforderlich und angemessen zur Sicherung solch einer Grundversorgung ist. Ein milderes Mittel als das Kassieren von 7,26 Milliarden Euro Zwangsgebühren wäre schon jetzt in Sicht: Die Abschaffung des Fliegenden Gerichtsstandes und die Eindämmung von Missbrauchsmöglichkeiten im Abmahnrecht würden zu einer Stärkung von Presse- und Redefreiheit führen, mit der sich ganz ohne subventionierte Konkurrenz zu Bertelsmann eine bessere Informationsqualität und eine größere Meinungsvielfalt herstellen ließen.
Allerdings ging es in der Ministerpräsidentenrunde keineswegs um eine Verringerung der Gebühr, sondern - ganz im Gegenteil - um deren Ausbau. Die Vorstellungen, die diskutiert wurden, bewegen sich zwischen einer noch stärkeren Ausdehnung beziehungsweise Anhebung der Gebühren auf neuartige "Empfangsgeräte" wie Computer und Mobiltelefone (ein Modell, das vor allem der rheinland-pfälzische Staatssekretär Martin Stadlmaier und sein Chef Kurt Beck propagieren) bis hin zu einer pauschalen "Haushaltsabgabe", für die sich mehrere schwarz-gelbe Landesregierungen aussprechen. Entschieden werden soll erst im nächsten Jahr.
Das bisherige Modell, die geräteabhängige Gebühr, die auf Typ und Anzahl der in einem Haushalt vorhandenen potentiellen Empfänger aufbaut, war gleichzeitig gerecht und ungerecht: Gerecht, weil es (zumindest bis zur Einführung des Privatfernsehens und zur Ausdehnung auf Computer) nur solche Personen zu Zahlungen heranziehen sollte, die das öffentlich-rechtliche Angebot auch tatsächlich nutzen. Ungerecht war es deshalb, weil es nicht zwischen der Finanzkraft eines Kai Diekmann und der seiner Putzfrauen differenzierte. Das Modell der pauschalen Haushaltsabgabe ist dagegen ausschließlich ungerecht: Es zieht ausnahmslos alle zur Zahlung heran - und zwar nicht über die Einkommensteuer, welche die Belastbarkeit berücksichtigt, sondern über eine Kopfpauschale.
Bei den Privatsendern plant man währenddessen den durch die Digitalisierung und die technischen Standards neuer Empfangsgeräte bereits vorbereiteten schrittweisen Einstieg in ein DRM-Gebührenmodell. Bis 2014 will man auf diese Weise beim Duopolisten ProSieben.Sat1 etwa ein Drittel der Einnahmen abseits von Werbung erzielen - so der Sendergruppen-Vorstandsvorsitzende Thomas Ebeling im Handelsblatt.