Nord-Stream-2: Polnische Wettbewerbsbehörde fordert 6,52 Milliarden €
Außer gegen Gazprom hat die UOKiK auch gegen Shell, Engie, Uniper und OMV Bußgelder verhängt
Die polnische Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde Urząd Ochrony Konkurencji i Konsumentów (UOKiK) hat heute gegen den russischen Gazprom-Konzern ein Bußgeld in Höhe von 29 Milliarden Złoty verhängt - das sind umgerechnet etwa 6,45 Milliarden Euro. Weitere insgesamt 234 Millionen Złoty (oder umgerechnet 52 Millionen Euro) will die UOKiK vom französischen Energieversorger Engie, von der britisch-niederländischen Firma Royal Dutch Shell, von der österreichischen OMV und von der deutschen Eon-Abspaltung Uniper.
Rechtsweg
Alle diese Firmen haben gemeinsam, dass sie am Gaspipelineprojekt Nord Stream 2 beteiligt sind. Dieses bislang etwa acht bis zehn Milliarden Euro Baukosten teure Projekt ist auch der Grund, den der UOKiK-Präsident Tomasz Chróstny für die Verhängung des fast so hohen Bußgeldes nennt: Seiner Auffassung nach verstärkt die Gasleitung die Abhängigkeit von Russland und berührt dadurch auch den Energieversorgungswettbewerb in Polen, weshalb auch dort eine Genehmigung des Projekts nötig gewesen sei.
Bei den vom Bußgeld getroffenen Firmen ist man da anderer Meinung, weshalb der Fall nun mit gewisser Wahrscheinlichkeit Gerichte beschäftigen wird. Gazprom verlautbarte zudem, man "verpflichte" sich, den Bau der zu 94 Prozent fertigen Leitung "so schnell wie möglich" abzuschließen und "erwäge" in diesem Zusammenhang "verfügbare Alternativen, die [das] ermöglichen würden".
Noch 17.000 Rohre
Weitere Auskünfte will der Konzern wegen des "Drucks" auf das Projekt nicht geben. Für ein Verlegen der restlichen im Sassnitzer Hafen Mukran liegenden 17.000 Rohre infrage kämen unter anderem das russische Verlegeschiff "Fortuna" (die jedoch über kein dynamisches Positionierungssystem verfügt) und die damit ausgestattete ebenfalls russische "Akademik Cherskiy". Sie wurde Anfang des Jahres mit mehrfach wechselnden Positionsangaben aus dem Japanischen Meer in die Ostsee gefahren (vgl. Katz-und-Maus-Spiel um Nord Stream 2?) und lagerte dann mehrere Monate lang in Sassnitz (vgl. Nord Stream 2: Welche Rolle spielt die Rossini?).
Dort könnte Medienspekulationen nach ihre Schweißstraße an die Rohrbreite der Nord-Stream-2 angepasst worden sein. Am letzten Freitag legte sie wieder ab und begab sich an die Küste vor dem russischen Teil des ehemaligen Ostpreußens. Dort, in russischen Hoheitsgewässern, könnte sie beispielsweise das Verlegen mit geändertem Gerät testen - oder auch nicht.
In Mukran trafen währenddessen drei andere russische Schiffe ein, die aber nicht für das Verlegen von Unterwasserrohren geeignet scheinen: die "Finval", die "Errie" und die "Umka". Bei ihnen handelt es sich möglicherweise um Transporter, die die Rohre vom Hafen zu einem Verlegeschiff bringen. Unternehmen, die diese Aufgabe übernehmen, drohen nämlich amerikanische Sanktionen, weshalb die vorher dazu eingesetzten Spezialisten absprangen.
McMaster beschuldigt Schröder
Herbert Raymond McMaster, der bis 2018 Nationaler Sicherheitsberater der USA war, begründete diese Sanktionen in einem Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel letzte Woche damit, dass Nord Stream 2 auf einem "korrupten Deal" beruhe, der vom ehemaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder "eingefädelt" worden sei. Der SPD-Politiker ist heute Vorsitzender des Aufsichtsrats der ersten (bereits fertigen) Nord-Stream-Pipeline und Aufsichtsratschef des mehrheitlich vom russischen Staat gehaltenen Erdölkonzerns Rosneft.
Gelingt Gazprom die Fertigstellung von Nord Stream 2 nicht, bedeutet das zwar einen gigantischen finanziellen Schaden für das Unternehmen, aber wahrscheinlich nicht dessen Ende: Der Konzern liefert sein Gas nämlich nicht nur nach Deutschland, sondern in alle Welt, und hat im letzten Jahr zwei andere große Pipelines in Betrieb genommen: Die Turkish-Stream-Leitung, die als Ersatz für eine Schwarzmeerpipeline nach Bulgarien gebaut wurde (vgl. Potenzielle Profiteure der Nord-Stream-2-Verzögerung), und die "Kraft Sibiriens", die nach China geht (vgl. "Kraft Sibiriens" liefert russisches Gas nach China).
Nun berät der Gazprom-Vorstand über zwei neue gigantische Leitungen in diesen Markt mit stetig steigendem Bedarf: Eine Pipeline mit einer Jahreskapazität von 30 Milliarden Kubikmeter nach Xinjiang und eine mit einer Jahreskapazität von 50 Milliarden Kubikmeter durch die Mongolei.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.